Kommunalwahlen in Frankreich: Macrons Schulterschluss
Die Partei von Präsident Emmanuel Macron schwächelt – und verbündet sich deshalb in der zweiten Runde der Kommunalwahlen mit den Konservativen.
Der Freund und Berater des französischen Präsidenten ist irritiert: „Die Strategie von LREM steht in Widerspruch zu Macrons Versprechen während seiner Kampagne: Dass die Ethik vor der Politik kommt. Man kann doch nicht Allianzen mit irgendwem schmieden, bloß um ein paar Sitze zu erringen.“
Cohn-Bendit ist nicht der Einzige, der sich über die Wahlbündnisse in letzter Minute wundert, mit der die Partei von Emmanuel Macron in mehreren Großstädten den Vormarsch der Grünen und Linken abzuwehren sucht.
LREM selber hat nach der ersten Runde der Kommunalwahlen vom 15. März so gut wie keine Chance, nun bei den Stichwahlen am kommenden Sonntag auch nur in einer einzigen größeren Stadt das Bürgermeisteramt zu erobern. Das allein stellt schon eine Wahlschlappe dar für eine Partei, die 2017 auf Anhieb in der Nationalversammlung eine absolute Mehrheit bekam.
Gemeinsame Sache
Offenbar erachtet es LREM nun als das kleinere Übel, in Lyon, Bordeaux, Straßburg, Clermont-Ferrand oder Tours gemeinsame Sache mit Les Républicains (LR) zu machen, der konservativ-rechten Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. In insgesamt 76 Städten hat sich LREM für die Stichwahl auf gemeinsame Listen mit LR oder auf andere Formen der Unterstützung geeinigt.
Das ist eine wesentliche Änderung für eine politische Bewegung, die angetreten war, um die schematische Polarisierung zwischen links und rechts zu überwinden. Den Vormarsch von Links-Grün können diese Bündnisse der rechten Mitte trotzdem weder verhindern noch dessen Ausmaß wesentlich verringern.
Marseille, Toulouse, Lyon, Besançon und Tours sind nur einige der Großstädte, wo am Sonntag die kommunalen Umweltlisten als deutliche Favoriten gelten. In Rouen, Nancy, Montpellier und Nantes sind es von den Grünen unterstützte Listen der Linken.
In Paris kann voraussichtlich die bisherige Bürgermeisterin, die Sozialistin Anne Hidalgo, dank ihrer rot-grünen Wahlunion für weitere sechs Jahre im Hôtel de Ville regieren. Ihre Gegnerinnen, die konservative Ex-Justizministerin Rachida Dati (LR) und die vormalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn (LREM), wollten und konnten sich nicht gegen Hidalgo einigen.
Skandal mit Pornofotos
Schon allein, dass seine Regierungspartei in der Hauptstadt zuletzt abgeschlagen auf dem dritten Platz landete, ist eine Niederlage für Macron. Er hatte sich persönlich dafür eingesetzt, dass seine inzwischen für ihre Covid-Amtsführung schwer kritisierte Gesundheitsministerin für den ursprünglichen LREM-Kandidaten Benjamin Griveaux einsprang – der wegen eines Skandals mit Pornofotos ausgefallen war.
Vielleicht der einzige kleine Lichtblick könnte Le Havre im Norden des Landes sein. Dort tritt für LREM der amtierende Premierminister Edouard Philippe mit echten Siegeschancen an. Laut Umfragen liegt er aber nur rund drei Punkte vor seinem Gegner Jean-Paul Lecoq vom Parti Communiste Français (PCF). Schon die Tatsache, dass er nicht im ersten Durchgang eine Mehrheit bekam, war eine Enttäuschung für ihn.
Womöglich schätzen es manche WählerInnen an der Seine-Mündung in der Normandie nicht, dass Philippe im Fall seiner Wahl sein kommunales Amt nicht ausüben will, um Regierungschef zu bleiben – sondern sich nur seine Popularität bestätigen lassen will. Falls er wider Erwarten durchfällt, müsste er hingegen aufgrund einer ungeschriebenen Regel der französischen Politik sein Amt als Premier abgeben.
Eine historische Wende zeichnet sich in einer anderen Hafenstadt ab: In Marseille glaubte der nach 25 Jahren scheidende LR-Bürgermeister Jean-Claude Gaudin (80), dass die von ihm eingesetzte „Thronerbin“ Martine Vassel dank seiner Unterstützung und der notorischen Spaltung seiner linken Gegner problemlos seine Nachfolge antreten würde.
Frühling in Marseille
Dann aber passierte das Unvorhergesehene: Die linken Parteien einigten sich auf die gemeinsame Liste mit dem hoffnungsvollen Namen Printemps marseillais (Marseiller Frühling). Ihre Spitzenkandidatin, die Ärztin Michèle Rubirola, ist eine seit den 70er Jahren engagierte und recht unabhängige Umweltschützerin. Das missfiel zwar den Grünen von Europe-Ecologie-Les Verts (EELV), die mit einer separaten Liste antraten. Sie schieden jedoch im ersten Durchgang mit nur circa 8 Prozent der Stimmen aus.
Rubirola gilt nun als klare Favoritin. Denn Medienberichten zufolge hat das Wahlteam ihrer konservativen Gegnerin mit vermutlich illegalen Methoden versucht, sich in großer Zahl Formulare zur Wahlvertretung zu beschaffen. Anders als Deutschland erlaubt Frankreich es seinen Wahlberechtigten, jemanden stellvertretend zur Stimmabgabe zu schicken – aber dafür braucht es die Formulare.
Wie schon beim ersten Wahlgang, damals zwei Tage vor dem offiziellen Beginn der Ausgangsbeschränkungen wegen der Covid-Epidemie, wird auch an diesem Sonntag mit einer außergewöhnlich schwachen Beteiligung gerechnet. Die Auswirkungen sind in den rund 5.000 Orten mit Stichwahlen schwer vorauszusagen.
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