Kommunal-Stichwahlen in NRW: Keine echten Verlierer
Bei den OB-Stichwahlen in NRW gab es für SPD und CDU zwar Erfolge, beide müssen auch Niederlagen einstecken. Mögliche Gewinner sind am ehesten die Grünen.
Der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte der Rheinischen Post: „Wir freuen uns riesig mit Thomas Westphal, der Dortmund gegen einen CDU-Kandidaten verteidigt hat. Bitter sind dagegen zweifellos die Wahlausgänge in Düsseldorf und Wuppertal.“
Bestätigt fühlen können sich die Grünen. Sie eroberten erstmals die Spitzenposten in den Rathäusern von Bonn, Aachen und Wuppertal. Die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock twitterte: „Was für grandiose Ergebnisse aus NRW!“
Nach Ansicht von Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Vorsitz, ist erkennbar, dass der Kampf um die Mitte gerade in den großen Städten entscheidend für Siege und Verluste ist. „Dieser Kampf wird mittlerweile zwischen der CDU und den Grünen ausgetragen“, sagte Röttgen der Rheinischen Post. „Wir müssen daraus für die Bundestagswahl lernen, weil wir die größten Überschneidungen der Wählerschaft mit den Grünen haben.“ Für die Bundestagswahl müsse die CDU „nicht grüner als die Grünen werden, aber besser“.
Die Ergebnisse im Überblick
CDU und SPD haben bei den Oberbürgermeister-Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen sowohl Siege als auch Niederlagen verbucht – die großen Gewinner sind jedoch die Grünen. Sie eroberten erstmals die Spitzenposten in den Rathäusern von Bonn, Aachen und Wuppertal. In Köln behauptete sich die von Grünen und CDU unterstützte parteilose Politikerin Henriette Reker. Nach Auszählung aller Stimmen stand die 63-Jährige bei 59,3 Prozent, ihr SPD-Herausforderer Andreas Kossiski kam auf 40,7 Prozent.
Die CDU eroberte das Rathaus in Düsseldorf zurück und stellt nun erstmals wieder in der Landeshauptstadt eines großen deutschen Flächenlandes den Oberbürgermeister. Neuer Oberbürgermeister von Düsseldorf wird der bisherige Stadtdirektor von Köln, Stephan Keller. Er gewann die Stichwahl gegen Amtsinhaber Thomas Geisel von der SPD. Geisel gestand seine Niederlage ein und beglückwünschte seinen Herausforderer.
Sechs Jahre nach der Übernahme durch die SPD kommt das Oberbürgermeister-Amt in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt damit wieder in CDU-Hand. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, die Düsseldorfer und Stephan Keller hätten die „Ehre der CDU“ gerettet: „Wir können auch in großen Städten gewinnen.“ CDU-Kandidaten gewannen auch in Münster, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr.
Während die SPD in Düsseldorf, aber auch in Mülheim an der Ruhr den Spitzenposten an die CDU verlor, konnte sie andernorts Erfolge verbuchen. In Hamm löste der SPD-Politiker Marc Herter (46) den langjährigen CDU-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann (CDU) ab. In der aktuell besonders vom Coronavirus betroffenen Stadt kam der 67 Jahre alte Amtsinhaber nur auf 36,4 Prozent der Stimmen.
Dortmund bleibt rot
Auch in der einstigen CDU-Hochburg Mönchengladbach am Niederrhein gelang der SPD ein Überraschungserfolg: Es siegte der erst 31 Jahre alte Felix Heinrichs mit 74 Prozent gegen seinen CDU-Konkurrenten Frank Boss. In Krefeld und Bielefeld verteidigte die SPD das Spitzenamt im Rathaus.
Am wichtigsten für die Sozialdemokraten war aber die Verteidigung der größten Ruhrgebietsstadt Dortmund: Thomas Westphal gewann dort mit 52 Prozent der Stimmen das symbolträchtige Duell um den Chefposten gegen seinen CDU-Kontrahenten Andreas Hollstein, bisher Bürgermeister von Altena. Seit 1946 hat die SPD in Dortmund ununterbrochen den Oberbürgermeister gestellt. SPD-Landeschef Sebastian Hartmann sagte, die Ergebnisse seien insgesamt „durchmischt“.
Die Grünen hatten am meisten Grund zum Feiern. So setzte sich in Bonn die grüne Bundestagsabgeordnete Katja Dörner überraschend mit 56,3 Prozent gegen den bisherigen Amtsinhaber Ashok-Alexander Sridharan (CDU) durch, der auf 43,7 Prozent kam. In Aachen – der Heimatstadt von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) – ließ die Kandidatin der Grünen, Sibylle Keupen, mit 67,4 Prozent der Stimmen ihren CDU-Konkurrenten Harald Baal weit hinter sich.
Die Geschicke der Industriestadt Wuppertal werden künftig von einem grünen Wirtschaftsprofessor gelenkt. Uwe Schneidewind (54), langjähriger Chef des renommierten Wuppertaler Instituts für Klima, Energie und Umwelt, gewann in einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Amtsinhaber Andreas Mucke (SPD).
Stichwahlen der beiden Bestplatzierten gab es am Sonntag in Nordrhein-Westfalen überall dort, wo im ersten Durchgang am 13. September keiner der Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen holte. Im bevölkerungsreichsten Bundesland hatte die CDU den ersten Wahlgang vor zwei Wochen klar gewonnen. Die SPD blieb trotz hoher Verluste zweitstärkste Kraft. Die Grünen verzeichneten im ersten Durchgang ihr bestes Ergebnis bei einer NRW-Kommunalwahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken