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Kommission „Rechtsterrorismus“Nie wieder blind

Experten der Bund-Länder-Kommission fordern mehr Kontrolle des Verfassungsschutzes. Auch soll die Bundesanwaltschaft gestärkt werden.

In Zukunft wollen die deutschen Behörden besser hinschauen. Bild: una.knipsolina/photocase.com

HANNOVER taz | Der Verfassungsschutz soll besser kontrolliert werden. Das fordert die Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ in ihrem Abschlussbericht. Die Experten schlagen die Einrichtung eines verwaltungsinternen „Beauftragten zur Kontrolle des Verfassungsschutzes“ im Bund und in allen Ländern vor.

Die Kommission war nach Bekanntwerden der Mordserie der NSU-Terrorgruppe im Dezember 2011 von der Innenministerkonferenz eingesetzt worden. Sie sollte Vorschläge zum Umbau der Sicherheitsbehörden machen. Ihr gehörten der Hamburger Ex-Innensenator Heino Vahldieck (CDU), der Ex-Innenminister von Rheinland-Pfalz Karl Peter Bruch (SPD), Ex-Bundesanwalt Bruno Jost (Vorschlag der Grünen) und der Rechtsanwalt Eckhart Müller (Vorschlag der FDP). Gestern stellten sie ihren Abschlussbericht vor.

Darin wird eine Auflösung des Verfassungsschutzes ebenso abgelehnt wie dessen Zentralisierung. Auch V-Leute sollen weiter eingesetzt werden. Allerdings wird empfohlen, bundesweit einheitliche Standards für die Auswahl, Führung und Abschaltung von V-Leuten einzuführen.

V-Leute sollen dabei keinen Freibrief zur Begehung von Straftaten erhalten. Allerdings soll den Staatsanwaltschaften eine erleichterte Möglichkeit gegeben werden, Ermittlungsverfahren gegen V-Leute einzustellen, wenn sie sich „in Ausübung ihres Auftrags“ strafbar gemacht haben, wie Heino Vahldieck sagte.

„Trennungsgebot in den Köpfen“

Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz soll verbessert werden. Es soll vor allem das „Trennungsgebot in den Köpfen“ fallen. „Behördenegoismus und unreflektiertes Streben nach Geheimhaltung müssen unter allen Umständen vermieden werden“, hieß es im Expertenbericht.

Große Hoffnungen werden auf den Generalbundesanwalt gesetzt. Er soll künftig auch Ermittlungen jenseits des Staatsschutzes an sich ziehen können, „wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist, die öffentliche Sicherheit oder den Rechtsfrieden in der Bundesrepublik Deutschland in besonders erheblichem Maße zu beeinträchtigen“.

Bessere Zusammenarbeit hilft allerdings nichts, wenn keine einzige Behörde eine Nazi-Mordserie als solche erkennt. Hierfür haben weder die Experten noch die Innenminister eine Lösung, nur eine Hoffnung: „So eine Blindheit wird es nie wieder geben“, sagte MV-Innenminister Lorenz Caffier (CDU).

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10 Kommentare

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  • P
    Paul

    In der Abendzeitung war zu lesen, dass letzte Woche in München der Italiener Domenico L. ermordet wurde. Die Polizei war natürlich schnell dabei, einen rassistischen Hintergrund zu verneinen und geht lieber von einem Zufallsopfer aus. In Deutschland hat die Polizei also weiterhin immer nur das linke Auge geöffnet und hat gar kein interesse, im rechtsradikalen Mileu nach Tätern zu suchen.

  • J
    jemand

    24.05.2013 02:05 Uhr

    von Jörn:

     

    Wenn die Staatsanwaltschaft Verbrechen von V-Leuten "einfacher" einfach nicht ahnden können soll, wird der Rechtstaat weiter ausgehölt

     

    warum? Wenn v-leute bestraft werden können, dann gibt es keine mehr. und somit auch keine infos über neonazis. liegt doch wohl eher am führungsoffizier, wenn der das duldet.

  • K
    Kaboom

    Bitte, liebe Politiker, beleidigt unssere Intelligenz nicht. Spätestens seit dem Verbotsverfahren gegen die NPD dürfte jeder wissen, wie eng die Beziehungen zwischen dem Verfassungssschutz und den Rechtsextremisten sind. Der Verfassungsschutz schützt die Nazis vor der Verfassung (und die NPD vor dem Verbot). WÜRDE die Politik dies ändern wollen, hätte sie es seit Jahren gekonnt, Passiert ist - wie zu erwarten - nichts.

  • IK
    IhrNamesppielt keine rolle

    Warum gibt es bis heute keine Fotos von den beiden toten Uwes? Kann es sein, dass sie untergetaucht sind? Liebe Taz recherchiert doch mal in die Richtung. Mich würde es nicht wundern, wenn auch da vom VS etwas vertuscht wurd.

  • S
    Siggi40.de

    Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim:

    "Hinter die Kulissen zu schauen heißt zu erkennen: Hinter der demokratischen Fassade wurde ein System installiert, in dem völlig andere Regeln gelten als die des Grundgesetzes. Das System ist undemokratisch und korrupt, es missbraucht die Macht und betrügt die Bürger skrupellos".

     

    Buchautor und Journalist Jürgen Roth:

    "Politiker haben massive Interessensverflechtungen mit der Organisierten Kriminalität und unterbinden oder blockieren gezielte Ermittlungen".

    Friedrich Christian Fürst zu Schaumburg-Lippe 1975

    “Wer von der Lüge lebt, muss die Wahrheit fürchten!”

     

    Berthold Brecht, 1898-1956

    „Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend große Ausmaße angenommen hat.“

     

    Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff hat darauf hingewiesen, dass man solche Einrichtungen "wie Unzurechnungsfähige behandeln und ihnen die Verfügung über die Schädigungsmöglichkeiten, die sie prinzipiell nicht beherrschen, entziehen muss".

     

    Albert Einstein: „Die Welt ist nicht gefährlich wegen denen, die Böses tun, sondern wegen denen, die tatenlos dabei zusehen“.

    +++ Das kann man ändern. Und zwar schneller, als es diesem Packk lieb ist +++

    Für das nächste Nürnberger Militärtribunal benötigen wir nicht unbedingt die Unterstützung der Alliierten (unserer Besatzer), wo dieses Packk höchstens noch zwischen Kugel oder Strick entscheiden kann.

    Auch muss ein solches Tribunal nicht unbedingt in Nürnberg stattfinden. Genauso gut kann es jede Straßenecke sein, jede Ampelkreuzung, im Pkw, in der Wohnung, in der Garage, am Arbeitsplatz, bzw. auf dem Weg dahin, im Urlaub, beim Wochenendausflug ... usw.

     

    Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim spricht in solchen Fällen, wo alle drei Gewalten miteinander kungeln und sich bei der Begehung von Straftaten gegenseitig schützen, von einem demokratischem Supergau.

  • MC
    Marco Corridos

    Deutschland ist ein Land mit 50 Millionen Alkoholsüchtigen Bürgern .

    Die Hemungen schwinden ,wenn man sich an den Blick in die Flasche gewöhnt hat,auch bei unseren unverzichtbaren Beamten .

    Konsumenten harter Drogen ,insbesondere Alkohol ,haben nichts in verantwortungsvollen Positionen zu suchen und dazu zählt auch der Polizeiberuf .

     

    PS: Keine Uniform für Junkies !

  • M
    mumtaz

    Da werden schnell irgendwelche Überflüssigen ausgewählt, die dann unverhofft zu Experten werden. Diese dürfen sich dann auf Augenhöhe mit dem intellektuellen Schlusslicht der ohnehin nicht gerade nobelpreis-verdächtigen Regierungsmannschaft austauschen, um nach ganzen zwei Jahren zu der völlig überraschenden Erkenntnis zu gelangen, dass die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz vielleicht nicht ganz den Erwartungen entspricht. Wäre alles keine Erwähnung wert. Aber da fällt der aufmerksamen Leserin doch Folgendes auf: "Allerdings soll den Staatsanwaltschaften eine erleichterte Möglichkeit gegeben werden, Ermittlungsverfahren gegen V-Leute einzustellen, wenn sie sich „in Ausübung ihres Auftrags“ strafbar gemacht haben". Da wird sich doch der Friedrich richtig gefreut haben! Kann er so doch seinen geschätzten Thomas Richter, alias V-mann Corelli, vor Belästigungen schützen.

  • J
    Jörn

    Wenn die Staatsanwaltschaft Verbrechen von V-Leuten "einfacher" einfach nicht ahnden können soll, wird der Rechtstaat weiter ausgehölt. Die Mordserie konnte genau deshalb immer weiter gehen, da Staatsanwaltschaft und Polizei auf Weisung des Verfassungsschutzes weggesehen haben. Genau das muss aufhören. Es muss eine Kontrollinstanz geben, die wirksam kontrolliert, dass nur bei Straftaten weggesehen werden kann, bei denen niemand anderer zu Schaden kommt. Die vorgeschlagene Änderung bewirkt aber genau das Gegenteil. Wenn die politisch weisungsgebundene Staatsanwaltschaft einen Freibrief zur Strafvereitelung hat, wird dies noch mehr als bisher passieren. Dann gäbe es immer noch keine Ermittlungen in Sachen NSU.

    Bestes Beispiel dafür ist das Oktoberfestattentat. Obwohl es Beweise für eine breite Täterschaft aus dem Kreis der "Wehrsportgruppe Hoffmann" gab, wurde die Tat nur einem Toten zugeordnet. Die "Wehrsportgruppe Hoffmann" dürfte von Leuten mit offiziellem Auftrag durchsetzt gewesen sein - seien es V-Leute des Verfassungsschutzes, Gladio oder der BND. Es war ein Skandal, dass da dann auch bei Terroranschlägen nicht weiter ermittelt worden ist. Ein noch grösserer Skandal wäre es allerdings diese Strafvereitelung künftig sogar noch zu legalisieren.

    Eine Reform muss die Kompetenzen des Verfassungsschutzes beschränken und die Kontrolle stärken - nicht das Gegenteil. Ziel muss sein, künftige Skandale zu verhindern - nicht deren Aufdeckung!

  • R
    rasputin

    Der Verfassungsschutz muss abgeschafft werden. Es ist ein Staat im Staate, der nicht mehr zu kontrollieren ist.

     

    Es zieht sich durch die Jahrzehnte, dass nicht der Schutz der Verfassung sondern die Selbstbeschäftigung und Sicherung der eigenen Existenz im Vordergrund steht.

     

    Das klassische Beispiel ist das "Celler Loch", das aktuelle "Versagen" ist systemisch und kann eigentlich nur als Absicht bezeichnet werden.

  • H
    Hannes

    Mal wieder ein unterirdischer Beitrag des angeblichen "rechtspolitischen Korrespondenten" der taz. Er hat sich auch mal wieder null mit der Matrie befasst, sondern schreibt einfach irgendwas hin, auf das er gerade Lust hat. In den 70er und 80er Jahren war die taz tatsächlich mal eine progressive Zeitung, in den 90er Jahren irgendwie okay, in den 00er Jahren so was wie ein schrullig gewordener alter Freund. Jetzt ist die taz nur nur der eklige alte dauerbesoffene Onkel, vor dem man seine Kinder fernhalten will. Eklig.