piwik no script img

KommentarSo eine Kunst muss erlaubt sein

Auf der Berliner Mauer sollen Fotos anderer Grenzen gezeigt werden - auch vom israelischen Sperrwall.

Nach heftigen Debatten hat sich die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg jetzt für die geplante Ausstellung "Wall on Wall" ausgesprochen. Auf der Berliner Mauer an der East Side Gallery werden also bald großformatige Bilder der Grenzanlagen in Israel, Belfast und Mexiko/USA zu sehen sein. Ein spannendes Vorhaben, dem das Bezirksparlament zu Recht zugestimmt hat. Alles andere wäre kleingeistig und falsch gewesen.

Natürlich soll man die israelische Grenzanlage nicht mit der Berliner Mauer gleichsetzen, wie Kritiker des Projekts nicht müde werden zu betonen. Israel will sich mit der Mauer vor Selbstmordattentätern schützen, die DDR sperrte damit die eigene Bevölkerung ein. Doch gerade weil bei "Wall on Wall" auch Abbildungen der nordirischen und mexikanisch-amerikanischen Grenze zum Konzept gehören, muss jedem klar werden: Es geht hier gar nicht um die Gleichsetzung der Sperrwälle. Die Ausstellung soll ja gerade dazu anregen, über mögliche Unterschiede und Parallelen der Mauern nachzudenken. Wie die lebhaften Diskussionen im Zuge des Genehmigungsverfahrens zeigen, hat sie dieses Ziel zum Teil bereits erreicht.

Andere Kritiker behaupten, die Ausstellung leiste Antisemitismus Vorschub. Sicher, die Fotos der israelischen Grenze zeigen vor allem das Leid der Palästinenser. Mit Judenhass hat das aber noch lange nichts zu tun. Man muss die israelische Politik - auch zum 60-jährigen Jubiläum der Gründung des Staates Israel - kritisch thematisieren dürfen. Auch in Deutschland. Schließlich hat selbst der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Mauer, die teilweise auf palästinensischem Gebiet verläuft, als völkerrechtswidrig erklärt.

Die Ausstellung zu genehmigen gebietet die Freiheit der Kunst. Wenn die SPD davor warnt, dass die Schrecken der Berliner Mauer relativiert würden, wenn sie laut nach einem Verbot schreit, dann sollte sie sich vielleicht in Erinnerung rufen, dass in der DDR nicht nur die Mauer, sondern auch die Zensur ein Mittel der Unterdrückung war.

bericht SEITE 22

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!