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Kommentar zur VerfassungsschutzreformSchneidig, aber falsch

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Föderalismus ist kein Überbleibsel von Spinnereien nach dem 2. Weltkrieg. Wer in der Verfassungsschutzdebatte mehr Zentralisierung will, braucht gute Gründe.

Auch Thomas de Maiziére sollte die Schatten der Vergangenheit, die der Grund für das föderale System sind, nicht vergessen Foto: dpa

D er Föderalismus braucht manchmal einen Tritt in den Hintern. Dann arbeiten die Länder und der Bund enger zusammen. So war das nach dem 11. September 2001, als sie das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum schufen, in dem die Informationen der einzelnen Behörden zusammenfließen und eine Entscheidungsgrundlage bieten. So könnte das auch wieder sein, wenn kleine, finanzschwache Bundesländer ihre Ämter für Verfassungschutz mit denen größerer Nachbarn fusionieren.

Und ja: Es kann sinnvoll sein, bei der Abschiebung ausreisepflichtiger Gefährder den Bund Regie führen zu lassen, damit es schneller geht; wobei sich so nicht automatisch das Problem auflösen ließe, dass jener Staat blockiern kann, in den abgeschoben werden soll wie Tunesien im Fall Anis Amri.

Aber gerade läuft etwas anderes. Bundesinnenminister Thomas de Maizière startet mit einem harten Aufschlag ins Wahljahr. Er will, dass der Bund in allen übergreifenden Fragen der Sicherheit das Sagen hat. Der CDU-Politiker will zentralisieren, wo es nur geht. Eine „echte Bundespolizei“. Mehr Macht fürs Bundeskriminalamt. Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz. Errichtung eines einzigen großen Inlandsgeheimdienstes.

Für die Länder hat der Bundesinnenminister noch die „örtliche Polizeiverantwortung“ übrig. Ein fast mitleidig klingender Begriff. Er verrät, welche Rollenverteilung der Minister will: Die Echten und die Örtlichen. Der Bund sorgt für Sicherheit. Die Länder helfen ein bisschen mit.

Muslimische Gemeinden müssen Partner sein

Andere wie SPD-Chef Sigmar Gabriel sagen, dass wer den Terror bekämpfen will, an den Ursachen des Terrors ansetzen muss. Gegen salafistische Hassprediger hilft Härte. Muslimische Gemeinden müssen dagegen Partner sein. Prävention und Repression, Freiheit und Sicherheit: Gabriel ringt um die Balance.

De Maizière dagegen macht den schneidigen Zentralisten. Die Kanzlerin pflichtet ihm bei. Mit seinem Vorstoß hat er sogar Horst Seehofer in die Defensive gebracht, der als Ministerpräsident ein Protagonist des Föderalismus ist.

Aber Lautstärke ist nicht Stärke. Die föderale Sicherheitsstruktur auseinander zu bauen und in Berlin wieder zusammen, wäre ein langwieriger Prozess. Sollen die Terroristen solange von einer Behördenbaustelle aus bekämpft werden? Und wie sicher ist der Nutzen? Das zentrale Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist nicht gerade eine Erfolgsstory. Und in Frankreich, dem Zentralstaat schlechthin, wüten die Dschihadisten leider auch.

Klar, der Status quo hat Fehlerquellen. Geheimdienste schotten sich ab, um ihre Quellen zu schützen. Aber Kästchendenken existiert auch in zentralen Großbehörden. Das Verhalten von Landesämtern war im Falle des NSU fadenscheinig bis katastrophal. Allerdings versagte auch das Bundesamt, als es für den Rechtsterrorismus blind war und auf Informationen sitzen blieb. Im Kampf gegen den islamistischen Terror scheint der Austausch dagegen mehr als ein Jahrzehnt geklappt zu haben. Kooperation immer wieder einzufordern, wäre eine gute Aufgabe für eine stärkere Geheimdienstkontrolle in Bund und Ländern.

Wer aber eine Großreform verlangt, muss erkären, warum der Zustand hinterher so viel besser ist, als der Zustand vorher, dass der Preis dafür gerechtfertigt ist. Und der Preis wäre hoch.

In Frankreich, dem Zentralstaat schlechthin, wüten die Dschihadisten leider auch

Der Föderalismus ist kein Überbleibsel von Spinnereien nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Zusammenspiel von Bund und Ländern soll Macht begrenzen – gerade in Fragen von Polizei und Geheimdiensten. Der Bund ist ohnehin schon mächtiger als früher. Den Ländern bleiben Schule und Wissenschaft, Kultur und Medien. Und die Polizei. Es sind Bereiche, die den Durchgriff aus der Hauptstadt erschweren. Geteilte Gewalt statt Zentralgewalt.

Warum das gut ist, zeigt ein Blick nach Polen oder in die USA, zeigen Kaczyńskis PiS und Donald Trump. Ehe man sich's versieht, sind autoritär denkende Kräfte an der Regierung, die keinen Respekt vor den anderen Institutionen der Demokratie haben. In dieser Situation helfen Checks and Balances, sie verzögern, sie bremsen.

Wenn in Frankreich im Mai Marine Le Pen gewänne, würde sie im zentralisierten Frankreich durchregieren. Die Rechtsradikale könnte das Land rasant nach ihren Vorstellungen umformen. In Deutschland ginge das nicht so schnell. Die föderale Republik ist stabiler. Sie ist ein starker Staat.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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8 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Warum das gut ist, zeigt ein Blick nach Polen oder in die USA, zeigen Kaczyńskis PiS und Donald Trump."

     

    Also ob ein föderales Polen die PiS-Regierung verhindert hätte ist reine Spekulation. Fakt ist jedoch, dass die USA wie Deutschland aus Bundestaaten besteht und somit auch ein föderales System darstellt.

     

    Ergo: These widerlegt.

  • Die Polizei war und ist bei den Ländern gut aufgehoben. Länderübergreifende Aufgaben erfordern selbstverständlich länderübergreifende Zusammenarbeit. Die funktioniert in vielen Bereichen auch schon recht gut in anderen Bereichen ist sie stark verbesserungsbedürftig. Den Bund braucht man dazu allenfalls als Geldgeber.

    Anders sieht es mit den Landesämtern für Verfassungsschutz aus. Ein Nutzen dieser 16 Landesbehörden ist bis heute nicht erkennbar - sieht man einmal von dem beschäftigungspolitischen Nutzen für die dort untergebrachten Gesinnungsgenossen ab. Den Schutz einer ungeliebten, weil eh nur als "Gedöns" empfundenen Verfassung, wird man von diesen Behörden traditionell auch überhaupt nicht erwarten können. Da sich die Länder jeweils eigene Verfassungen gegeben haben, ist es für die Bediensteten in der Praxis wohl nicht immer ganz einfach zu erkennen, welche Verfassung da gerade geschützt werden soll. So enthält etwa die Verfassung des Landes Hessen in Art. 21 Abs. 1 HV immer noch die Todesstrafe für besonders schwere Verbrechen.

    Wer Thomas de Maiziéres beständiges Arbeiten gegen Demokratie und Verfassung in den letzten Jahren genau verfolgt hat, weiß dass es ihm ganz sicher nicht darum geht, die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen - aber gerade deshalb sollte man dieses Angebot jetzt auch nicht ungenutzt ausschlagen. Wer weiß schon, ob so eine Chance noch jemals wiederkommen wird?

  • Frau Merkel pflichtet ihrem Innenminister bei. Gut zu verstehen, bei der Unbedarftheit unserer Frau Bundeskanzlerin. Eine Kanzlerin, die wie so oft zu spät begreift, auf was sie sich da überhaupt einlassen will.

    Da scheinen mir die Vorschläge des geschmähten S. Gabriel durchdachter und sinnvoller.

  • WER ...

    hat denn politisch mut, diesem gefährder der verfassungsmässigen ordnung des platzes zu verweisen: ein extremist, der unter aufsicht des staatschutzes gestellt werden muss - als überforderter verteidigungs-minister suchte er den drohnenkiller-krieg, als innenminister führt er uns in den "echten polizeistaat". wegen solcherart "gefährdeter minister" hat der parlamentarische rat die polizei in die guten hände der länder gegeben.

  • Ein bekannt staatlicher Gefährder erneut im Vollrausch -

     

    Mit Friedrich Küpperbusch vorweg - et al. - Queerbeet:

    Nach dem Grundgesetz - GG - aufgrund bekannt brauner Erfahrungen -

    Polizei ist Ländersache. Punkt.

    "„Polizei ist Ländersache.“ – Abgeleitet werden kann dieser Grundsatz aus der deut-schen Verfassung, in der den Ländern das Recht der Gesetzgebung zugewiesen wird, „soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“ (Art.

    70 I GG). Die Länder sind damit in der Pflicht, da dem Bund hier keine Kompetenz zugewiesen wird." http://www.academia.edu/26774061/_Polizei_ist_L%C3%A4ndersache_Polizeipolitik_unter_den_Bedingungen_des_deutschen_F%C3%B6deralismus

    Alles andere ist ohne Verfassungsänderung -

    Ein glatter Verfassungsverstoß.

    Schon der als Bundespolizei firmierende -

    Paramilitärische Bundesgrenzschutz -

    Entbehrt der ausreichenden verfassungsrechtlichen Grundlage*.

    So geht das.

     

    ( *die o.a. - passim dies "salvierende" Rechtsmeinung ist m.E. nicht haltbar!)

  • Gerade war der Kommentator im Presseclub (Phoenix) zu hören, wo er das hier Geschriebene untermauerte.

    Ich meine , dass sich Föderalismus und eine für alle Bundesländer verbindliche Sicherheitsarchitektur nicht gegenseitig ausschließen, allerdings sollte man die Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern untereinander als auch mit den Bundesbehörden auf den Prüfstand stellen und dort verbessern, wo es nötig ist.

     

    Die Forderung, muslimische Gemeinden mit einzubeziehen in Prävention und Repression, ist richtig, doch habe ich Zweifel, ob sich diese Gemeinden einbeziehen lassen, zumindest bei der DITIB sind Vorbehalte angebracht.

     

    Insgesamt gilt es die Analysen im Falle Amri abzuwarten, zu bewerten und dann die zweckmäßigen Maßnahmen zu ergreifen. Leider muss das unter einem enormen Zeitdruck geschehen, denn es laufen noch viele Gefährder frei herum.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Hans-Georg Breuer:

      "..., allerdings sollte man die Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern untereinander als auch mit den Bundesbehörden auf den Prüfstand stellen und dort verbessern, wo es nötig ist."

       

      Diese Forderung ist alt, aber immer noch nicht umgesetzt, obwohl sie jedes Mal in Versagensfällen wieder hervorgeholt und bekräftigt wird.

      Déjà-vu...

    • @Hans-Georg Breuer:

      Auch ich hörte den Presseclub und kann Ihren Kommentar nur unterstreichen. Zweckmäßige Maßnahmen sind jetzt unverzüglich einzuleiten. Mit unverzüglich meine ich sofort.