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Kommentar zur MietpreisbremseBremswirkung marginal

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Mietpreisbremse. Klingt schön, ist in der Realität aber so, als würde man statt mit 200 Sachen nur noch mit 180 aufs Stauende zubrettern.

Mietpreisbremse? Die nächste Mieterhöhung kommt bestimmt. Foto: dpa

M ietpreisbremse – was für ein wunderschön klingendes Wort. Ab heute tritt die Gesetzesnovelle der Bundesregierung in Kraft. Endlich mal ein Stück praktische Politik, das die Lebenswirklichkeit vieler Menschen tatsächlich trifft, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, dem Wahnsinn auf dem Wohnungsmarkt etwas entgegenzusetzen. Also: Hurra!? Alles wird gut? Schön wär’s, aber: Mieter, träum weiter!

Denn bremsen, das bedeutet in diesem Fall keineswegs, dass die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt zum Stillstand kommt. Sie wird allenfalls minimal verlangsamt. Also in etwa so, wie wenn man mit einem Sportwagen statt mit 200 Kilometern die Stunde nur noch mit 180 Sachen aufs Stauende zubrettert. Wenn es dann knallt, bleibt die Bremswirkung marginal.

Das hohe Tempo aber bleibt legal. Denn selbst dort, wo die Bremse bei all den Ausnahmen überhaupt gilt, dürfen Eigentümer weiter 10 Prozent auf die ortsübliche Vergleichsmiete draufschlagen. Die wird anhand der Mietspiegel berechnet, der aber nur Neuverträge aus den letzten vier Jahren berücksichtigt – ältere zählen nur, falls der Eigentümer zuletzt mehr Geld verlangt hat. Und selbst dieses besser Mieterhöhungsspiegel zu nennende Instrument wurde schon von Gerichten angezweifelt. Rechtssicherheit für Mieter fehlt also auch.

Hoffnung, dass das Bremschen nicht vollkommen wirkungslos bleibt, macht ausgerechnet die harsche Reaktion der Eigentümerlobby Haus & Grund. Die stöhnt tatsächlich, dass nun „mehr Wohnfläche erschwinglich“ werde und dass deshalb weniger Menschen bereit sein würden, auf vermeintlich unattraktivere Wohnungsmärkte auszuweichen. Die Vermieter fürchten also, dass sie weniger Zahlungskräftige nicht mehr so leicht verdrängen können? Gut so!

Haus & Grund geht aber noch weiter. In Berlin hat der Verband seine Mitglieder gerade dazu aufgerufen, das neue Gesetz bis auf Weiteres zu boykottieren. Der Skandal daran: Sie müssen nicht mal mit Konsequenzen rechnen. Denn selbst wenn ein Mieter irgendwann mal von einem Gericht bescheinigt werden sollte, dass er zu viel blechen musste, muss der Vermieter nur das Geld zurückzahlen. Ein Bußgeld oder gar eine Strafe droht ihm nicht.

Laut Duden stammt das Wort „Bremse“ übrigens von der mittelhochdeutschen Bezeichnung für „Nasenklemme“. Auf dem Wohnungsmarkt darf es also gehörig weiter stinken. Man riecht es nur nicht mehr so.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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3 Kommentare

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  • Letztlich ist es alles Geschiebe. Man kann eine Wohnung eben nur einmal bauen und nur einmal vermieten. Liegt sie in einer Gegend, in der je Wohung zwanzig Leute/Familien gern wohnen würden, dann schauen neunzehn von denen zwangsläufig in die Röhre.

     

    Es sollte auch klar sein, dass kein sozialer Wohungsbau der Welt den Prenzlauer Berg, Schwabing, Eppendorf und andere heißbegehrte Lagen größer machen kann, als sie sind. Es wird daher so oder so ein Privileg bleiben, dort wohnen zu können. Der Rest muss in weniger attraktive Stadtteile ausweichen (wo auch heute die Mieten erheblich erschwinglicher ausfallen).

     

    Die Frage ist also nicht, wie man Wohnen in schöner Lage für Alle möglich machen könnte, denn das geht schlicht nicht. Was geht, ist sich irgendwelche Kriterien einfallen zu lassen, die dann einzelnen Glückspilzen ermöglichen, andere, auch einkommensstärkere Konkurrenten auszustechen. Dass das wirklich zu mehr "Gerechtigkeit" führt, glaube wer will.

  • Wozu führt eine Mietpreisbremse? Dazu, dass sich die Besserverdienenden eine grössere Wohnung leisten können.

    Was stattdessen benötigt würde, ist sozialer Wohnungsbau statt Privatisierung von Sozialwohnungen und Bauland.

  • Das ist ein weiterer SPD-Flop, der auf einem unsäglichen Mist aus Kompromissen gewachsen ist. Da vor Ort über die Umwandlung von Eigentumswohnungen, dem Rausfallen von Wohnungen aus der Sozialbindung und niedrigen Wohnungsbauzahlen, ganz besonders bei Sozialwohnungen, sich ein gewaltiger Preisdruck nach Oben aufbaut, hätte die Politik weitaus mehr machen müssen.

     

    Schon jetzt ist das doch so, dass ein Polizeimeister und seine Frau Friseurin in vielen Ballungsgebieten Anrecht auf eine Sozialwohnung erhalten müssten, weil der Markt für so ein Paar schon zu teuer ist. Stattdessen wird man aber so weiter machen und sich dann irgendwann wundern, dass eine soziale Stadtentwicklung vielerorts gar nicht mehr möglich sein wird. Der Grund liegt darin, dass innerstädtische Wohngegenden dann bebaut sind, mit Eigentumswohnungen und teuren Mietobjekten.

     

    Wie schnell die Situation auf solchen Märkten kippen kann, konnte man in Berlin sehen: Noch 1995 oder 2000 gab es viele günstige Wohnungen, 2015 ist in einigen Vierteln davon far nichts mehr übrig. Nach dem Mindestlohn nun das nächste faule Ei der SPD.