piwik no script img

Kommentar zum UN-MigrationspaktEin Mittel der Diplomatie

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Auch die Menschenrechts-Charta ist ein unverbindliches Dokument – das aber in der Sache überzeugte. Dem Migrationspakt ist dasselbe zu wünschen.

Manche Idee bestehen, auch ohne festes Gesetz werden zu müssen Foto: dpa

Z ehn Minuten gemeinsamer Applaus, dann war der UN-Migrationspakt angenommen. Schon das Prozedere in Marrakesch machte deutlich, dass hier kein verbindlicher Vertrag unterzeichnet wurde, vielmehr wurde eine unverbindliche gemeinsame Erklärung per Akklamation beschlossen. Die Bundesregierung hat es in den letzten Wochen oft genug wiederholt. Der Migrationspakt ist nicht verbindlich. Und wer es nachlesen will: Unter Punkt 5 heißt es: „Dieser Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar.“

Warum aber schließt man überhaupt so einen Pakt, wenn er keine einklagbaren Rechte und Pflichte beinhaltet? Ganz einfach: Es handelt sich hier um ein Mittel der Diplomatie. Die Staaten diskutieren, verhandeln – und einigen sich am Ende auf eine gemeinsame politische Position. Sie versprechen, dass sie sich für diese Ziele einsetzen. Wenn es heißt, „wir verpflichten uns“, ist eine politische Verpflichtung gemeint. Und alle vier Jahre werden die Staaten wieder zusammenkommen und prüfen, ob man in der Sache weitergekommen ist.

Leider sind die Inhalte nicht überall selbstverständlich: dass Migranten nicht ausgebeutet werden sollen, dass sie Zugang zur Justiz haben, dass ihre Qualifikationen aus dem Herkunftsland anerkannt werden und sie sicher Geld nach Hause schicken können. Und so weiter. Von offenen Grenzen ist, wohlgemerkt, nicht die Rede, aber dafür vom Kampf gegen Schleuser und Menschenhändler und von einem sicheren Grenzmanagement. Es braucht schon eine Lügenpartei wie die AfD, um hier ein „verstecktes Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge“ zu sehen.

Welche politischen Wirkungen der Migrationspakt in Zukunft haben wird, ist völlig offen. Die Gegner haben ihm jetzt immerhin zu einer gewissen Bekanntheit verholfen. In Deutschland hätte es dem Pakt aber gutgetan, wenn die Regierung die Gewährung von Rechten an Migranten als selbstverständlich verteidigt hätte, statt immer nur zu betonen, dass alles nicht verbindlich gemeint ist.

Vielleicht werden tatsächlich hier und da deutsche Gerichte in Zweifelsfällen den Migrationspakt zitieren, um zugunsten von Migranten zu entscheiden. Das wäre dann aber die autonome Entscheidung deutscher Richter, die auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zitieren könnten. Letztere ist bis heute auch nur eine unverbindliche UN-Resolution. Sie hat einfach in der Sache überzeugt. Und das ist auch dem Migrationspakt zu wünschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich vemag Christian Rath in seiner Einschätzung nur mit Bangen folgen, dass es sich beim UN Migrationspakt um ein Mittel der Diplomatie handelt, einem Pakt der Ungleichen in einer durch die G 7 plus X Staaten domiert asymmetrisch aufgestellten Weltwirtschaft, in der die vielen Länder zur Entlastung weniger Länder die Hauptlast an der Versorgung, Unterkunft, Beschäftigung, berufliche Qualifizierung Geflüchteter, Migranten tragen. Die darauf hoffen, dass Finanzmittel aus den reiche in die armen Weltregionen als Zuschuss, als Kredit wenigstens gegen Wohlverhalten im Sinne gemeinsamen UN Migrationspaktes fließen.



    Das alles, während es in der Macht militärisch-administrativ hochgerüstet reichen Länder, Regionen liegt, wie EU, USA, Saudi Arabien, Russland, China, Japan, Süd Korea, den Strom Geflüchteter, Migranten durch Krisen, militärische Interventionen überhaupt und sonders im Rahmen sog. Krieges gegen den Internationalen Terrorismus steuernd, in armen Ländern auf und abschwellen zu lassen.

    Welches arme Land würde wohl vor Gericht in einem reichen Land treuhänderisch für seinen Bürger oder Zugereisten ziehen, gegen Interessen eines Finanzdienstleisters wie die global aufgestellte US Bank Western Union, die beim Geldtransfer von Arbeitsmigranten aus dem Aufnahmeland in sein Herkunftsland dazu Mikrokrediten ein Milliarden Geschäft macht, kostenaufwendig Klage wg. Zinslast- , Bank-, Währungsumrechnungskurs- , Gebührenwucher führen?



    Das tun ja nicht einmal die reichen Länder treuhänderisch, auch nicht gemäß UN Migrationspakt?

    So gesehen, läuft der UN Migrationspakt Gefahr, ein einseitiges Instrument im Sanktions Werkkasten reicher zu Lasten kreditabhängig armer Länder zu sein.



    Ganz abgesehen vom Aufkommenden Protektionismus, gepaart mit befristet, unbedristetem Einwanderungsstopp, bei dem die reichen Länder Herren des Verfahrens sind, gleich wie sehr der Strom Geflüchteter z. B. in Mexiko, Libyen, Türkei, Libanon, Jordanien anschwillt

  • Warum schreibt keiner in den „Qualitätsmedien“ über die Migrationsmacher? Warum das so ist? Weil die Migrationsmacher, Finanz-Eliten und Großkonzerne, mit ihrem stets bewährten, perversen Konzept Schießen — Flüchten — Helfen ihre Aktionäre glücklich machen. Nett verpackt wird das Ganze dann dem „dummen“ Wahl-Volk als humanitäre Intervention verkauft, kaum ein „Qualitätsjournalist“ stellt das heute außerhalb der alternativen Medien noch in Frage. Heutzutage braucht es keine keine provokanten Kommentare mehr;keine Fragen,um die „Nazikeule“ der Mainstream-Medien zu spüren zu bekommen. Wir müssen Wohlstand migrieren, nicht Menschen. Aber nein:Migration ist ein großer Wirtschaftsfaktor.

  • Und was viel zu kurz kommt bei der gesamten Migrantions Diskussion. ..



    es ist nicht gut für die Herkunftsländer und nicht gut für die (meisten) Migranten. .. lediglich Teile der der Wirtschaft der Zielländer profitieren. ..



    (für die Menschen in den Zielländern gibt es sowohl positive wie negative Auswirkungen, je nach dem welche sozialen Gruppen man betrachtet. ...)

  • Typisch Merkelsche Feigheit. Entweder ich unterschreibe und verteidige den Pakt. Oder ich lasse es sein.



    Merkel unterschreibt den Pakt und begründet es damit dass er ja unverbindlich sei.



    Und bzgl der Unverbindlichkeit gibt es durchaus Verfassungsrechtler, die mit der Erklärung schon rechtliche Veränderungen erwarten, die den Pakt also doch für weitestgehend verbindlich halten, trotz Artikel 5. Lustigerweise sogar Prof. Merkel (nicht verwandt).



    Bei dieser Sachlage wird es der Afd wieder besonders einfach gemacht, dagegen zu polemisieren und das nur aus Feigheit vor der öffentlichen Diskussion. Wenn man davon überzeugt ist, kann man es auch öffentlich vertreten.

  • Diesen Kommentar unterschreibe ich gerne.



    Bonne Chance