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Kommentar zum Fall MaaßenIm neurechten Paralleluniversum

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Verfassungschutzchef Maaßen wird politisch wohl kaum zu halten sein. Das sollte auch für seinen Vorgesetzten Horst Seehofer gelten.

Jetzt geh halt, Maaßen – und nimm Seehofer gleich mit Foto: dpa

E in besserer Rohstoff für Satire als der Fall Hans-Georg Maaßen ist schwer vorstellbar. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger machte sich am Montag auf Twitter über den irrlichternden Verfassungsschützer lustig. Ob Maaßen den Kontakt zu „diesen ominösen linken Teilen“ der Bundesregierung mal herstellen könne, fragte er. „Wir suchen den schon sehr lange.“ Leider ist das Ganze nicht wirklich witzig.

Seit Neuestem ist klar: Der Mann, der den deutschen Verfassungsschutz befehligt, ist ein Verschwörungstheoretiker, der in eine ganz eigene Gedankenwelt abgedriftet ist. In einer Rede, die Maaßen laut Spiegel in Warschau vor anderen Geheimdienst-Chefs hielt, sagte er dem Redemanuskript zufolge, dass es in der Bundesregierung „linksradikale Kräfte“ gebe, die von Beginn an gegen die Regierung gewesen seien. Zusammen mit Teilen der Opposition und der Medien hätten diese Kräfte versucht, ihn als Vehikel zum Bruch der Koalition zu benutzen.

Maaßen spricht offensichtlich über die SPD. Aber wen meint er bloß? Andrea Nahles und Olaf Scholz marodieren ja nicht schwarz vermummt durch Berlin-Kreuzberg und zünden SUVs an. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert ist bisher nicht dadurch aufgefallen, Hassparolen gegen den den Staat ans Willy-Brandt-Haus zu sprühen. Die SPD ist so linksradikal wie das Spandauer Finanzamt. Sie nutzt ja den Fall Maaßen eben nicht als Vorwand für einen Ausstieg aus der Koalition. Sie fordert seinen Rücktritt, sieht sich das Schauspiel ansonsten aber erstaunlich gelassen an.

Schließlich ist es ein Skandal, dass Maaßen überhaupt noch im Amt ist. Fast zwei Monate ist es schon her, dass er per Bild-Zeitung bezweifelte, dass es Hetzjagden in Chemnitz gab und dass ein im Internet kursierendes Hetz-Video authentisch sei. Damit widersprach Maaßen bekanntlich nicht nur der Kanzlerin, er versuchte auch, selbst Politik zu machen. Der Job eines Verfassungsschützers aber ist es, zweifelsfrei Tatbestände zu recherchieren – und sie nicht öffentlich zu deuten. Das bleibt Aufgabe von PolitikerInnen.

Seehofer hat keine Wahl mehr

Dass Maaßen sich in seiner jetzt bekannt gewordenen Rede erneut als Opfer hinstellt, zeigt, dass er den Kern der Affäre nicht begreift. Er muss nicht gehen, weil manche in der SPD den Bruch der Koalition wollen (was nicht zu bestreiten ist). Er ist falsch in seinem Amt, weil er dafür fürchterlich ungeeignet ist. Das Bild-Interview war nicht sein einziger schwerer Fehler. Grüne und Linke warfen Maaßen nach dem Terroranschlag durch den Islamisten Anis Amri vor, dass er die Öffentlichkeit über die Rolle des Verfassungsschutzes belogen habe. In seiner Warschauer Rede liefert er neue Belege für seine Inkompetenz.

Er sei für diese – „linksradikalen“ – Kräfte schon immer unliebsam gewesen, weil er die Flüchtlingspolitik der Regierung stets kritisiert habe, argumentiert er da. Damit betritt Maaßen endgültig das neurechte Paralleluniversum, in dem AfD-AnhängerInnen alle Ereignisse so deuten, dass Merkels Flüchtlingspolitik schuld ist. Welch ein übersteigertes Selbstbild ist nötig, um so abenteuerliche Ursachen für das eigene Scheitern zu erfinden? In AfD-Kreisen wird Maaßen jedenfalls schon als Märtyrer gefeiert.

Seehofer, der lange an dem Verfassungsschützer festhielt, hat keine Wahl mehr. Er muss den verbeamteten Egomanen an die Luft setzen. Der Innenminister sollte im gleichen Atemzug seinen eigenen Rücktritt verkünden. Es war verantwortungslos, dass Seehofer das Sicherheitsrisiko Maaßen so lange geduldet hat. Der Schaden, den er dem Ansehen des Staates zufügte, wird bleiben.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Also linksradikale Kräfte gab es noch nie in einer Bundesregierung. Diese Vorstellung ist vollkommen verrückt. Sie dient wohl eher dem Ziel, dass Maaßen sich gerieren kann als ein Aufrechter, der von hinte erdolcht wurde ...

  • "Fast zwei Monate ist es schon her, dass er per Bild-Zeitung bezweifelte, dass es Hetzjagden in Chemnitz gab und dass ein im Internet kursierendes Hetz-Video authentisch sei."

    Sie meinen das "Hase, du bleibst hier"-Video? Ne, das ist echt, aber mit Sicherheit keine Hetzjagd! www.youtube.com/watch?v=Eig_EHMi6q0

  • Man darf auch nicht etliche Gespräche mit führenden AfD-Politikern vergessen...derartige Schützenhilfe ist zumindest SEHR grenzwertig und muss beleuchtet werden.

  • Nach alledem ist es aber auch notwendig, dass alle seine Amtshandlungen als Verfassungschef durchleuchtet werden. Wer weiß, welche rechten Spinner der in verantwortungsvollen Aufgaben eingesetzt hat und welche Dienstanweisungen von ihm nicht schon seit langem Schaden anrichten.

    Da das ganze Ding, der Verfassungsschutz, für die Öffentlichkeit kaum kontrollierbar ist, sollte man wirklich über eine Abschaffung oder von mir aus über eine vollständige Reform davon nachdenken.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Mindestens ein U-Ausschuss muss da eingesetzt werden.

  • Hans-Georg Maaßen könne sich seiner Rede vor den Chefs der europäischen Geheimdienst-Community zufolge einen Wechsel in die Politik vorstellen. („Die Zeit“, von heute)

    Etwa als AfD-Vorsitzender. Dann würde endlich zusammenwachsen, was zusammengehört...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Mit Willy Brandt gesprochen - wa!

      Wird auch das eher ein - doch doch!



      Zusammenwuchern werden! Wollnich.



      Normal.