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Kommentar zu griechischen SchuldenDas ist kein Theaterstück

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Beteiligten im Griechenland-Streit riskieren mit ihren taktischen Spielchen ein Desaster. Das gefährdet die Zukunft von Millionen von Menschen.

Was nun? Grafitti in Athen. Foto: dpa

W äre der griechische Schuldenstreit eine Theaterinszenierung, die Zuschauer hätten den Saal längst frustriert verlassen. Die ständige Wiederholung vermeintlicher dramatischer Höhepunkte, in denen regelmäßig von einer „letzten Chance“ die Rede ist, wirken unrealistisch und gestellt. Die gewaltige Überlänge übertrifft einerseits jede Wagner-Aufführung, was sich andererseits aber nur in ausufernder Langeweile manifestiert. Unglücklicherweise können wir diese Inszenierung nicht verlassen, weil dieser Theatersaal aus ganz Europa besteht.

Akzeptiert Griechenland nun doch das eine Prozent beim Primärüberschuss, wie am Montag gemeldet? Wird im Gegenzug die Mehrwertsteuererhöhung etwas kleiner ausfallen? Antworten auf diese Fragen sind müßig, weil sich die Protagonisten aus Brüssel, Berlin und Athen als Schauspieler verkleidet haben, deren Äußerungen taktisch motiviert sind und die sich nicht in ihre Skripts schauen lassen. Je länger das Stück andauert, desto mehr befürchten sie und wir dessen Ende. Dann, erst dann wird es noch einmal spannend.

Hier findet nämlich kein Theaterstück statt. Es geht um die Zukunft von Millionen Menschen. Von einer Einigung könnte es abhängig sein, ob die Griechen demnächst noch Geld für Medikamente übrig haben und ob in Deutschland die Arbeitslosigkeit steigt, ob Europa als Ganzes bestehen bleibt oder sich politisch zerlegt.

Einstweilen aber ist den Protagonisten dieses Trauerspiels nur eines wichtig: dass der jeweils andere die Schuld trägt, sollte es keine Einigung geben. Diese vorweggenommen Schuldzuweisungen lassen befürchten, dass den Teilnehmern die Verteidigung der eigenen Unschuld wichtiger wird als ein positives Ergebnis. Anders gesagt: Sie alle riskieren mit ihren taktischen Spielchen ein Desaster.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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3 Kommentare

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  • Herrn Hillenbrandt´s ästhetisierte Interpretation des "europäisch/griechischen Disasters" ist m.E. zu sehr ökonomisch-rational- gefühllos (ohne Liebe und Solidarität) ..

    Einseitig, aus der Perspektive der Banken der`reichen EU Staaten´, die da um ihre Kredite und Zinsen bangen.. harte rationale Forderungen stellen..

    Herzlos, hart und unnachsichtig..

    Eine art `Realo Tragödie´ bahnt sich an:

    SYRIZA will das Volk `frei und selbstbestimmt´ erhalten.. Die Gläubiger wollen es jedoch in die Dienerschaft zwingen..

    Die Euphorie der EU/EURO "Familienkultur" von Liebe, Gemeinschaft, Frieden und Solidarität.. schafft sich selber ab, im Namen der Banken, der Habgier..

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    Ja und? Eigentlich zeigt sich nur, das neoliberale Doktrinen als Fundament der EU Ökonomie gescheitert sind...

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich finde den Kommentar von Herrn Hillenbrand richtig und gut.

    Das Wort von Frau Dr. rer. nat. Merkel sollte so modifiziert werden: 'Scheitert Griechenland, dann scheitert Merkel'. Und das wäre gut so.

    Einen solch dummen, nationalistischen, kleinlichen und egoistischen Zirkus in Europa zu veranstalten, muss bestraft werden.

  • Auch hier wieder der Spielchen Vorwurf.

    Die griechische Regierung hat ernsthafte Ziele und macht Zugeständnisse noch und nöcher.

    Aber das deutsche Kapital weigert sich