Kommentar zu fehlenden Ateliers: Sichtbare Botschaft an die Künstler
Die Gentrifizierung bedroht auch die Künstler: Es fehlen hunderte Ateliers. Warum nicht das ICC, für das es eh kein Konzept gibt, den Kreativen überlassen?
Klaus Lederer ist ein umtriebiger Kultursenator: Der einstige Linksparteichef liebt Debatten und mischt sie mit seinen gefühlten 180 Silben pro Minute auch gerne auf. Etwa wenn es um die Volksbühne geht; oder die Bezahlung prekär lebender Künstler. Die Bilanz seines ersten Amtsjahres kann sich durchaus sehen lassen, vor allem in finanzieller Hinsicht: Ihm gelang es, viele Theater, Museen, die Opern, sogar die freie Szene mit dringend benötigten zusätzlichen Geldern auszustatten.
Lederer profitiert davon, dass die Haushaltslage nahezu perfekt ist und dass das Amt lange verwaist war: Die vergangenen zwei Legislaturperioden hatte es der Regierende Bürgermeister mit verwaltet – mehr aber auch nicht.
Doch nun steht auch Lederer vor Problemen, die er nur mit Geld nicht mehr lösen kann. Etwa den Mangel an Ateliers: Laut dem Atelierbeauftragten Martin Schwegmann fehlen mittelfristig rund 4.000 neue Räume für bildende Künstler. Dieser Mangel drohe den Ruf der Stadt als Kulturmetropole anzukratzen.
Doch wo sollen die Ateliers herkommen? Das Land hat in den nuller Jahren viele passende Gebäude verscherbelt. Und die wenigen übrig gebliebenen ehemaligen Fabriketagen werden inzwischen nicht mehr nur in der Innenstadt als teure Eigentumswohnungen verkauft. Künstler bleiben da außen vor.
Eine Lösung wäre der Bau neuer Atelierhäuser oder zumindest ein anteiliger Bau von Künstlerdomizilen in Neubauprojekten. Das müsste Lederer im harten senatsinternen Wettbewerb um den ohnehin bisher nicht gerade boomenden Bau von Wohnungen durchsetzen. Vielleicht aber hilft es da, ein bisschen utopisch zu denken. Denn nicht alle Liegenschaften des Landes sind weg vom Markt. So soll das Internationale Congress Centrum (ICC) zwar für mehrere hundert Millionen Euro saniert werden, aber bisher weiß keiner, warum.
Aus dem Raumschiff an der Autobahn ein riesiges Künstlerdomizil zu machen würde erstens Lederers Linke mit dem ungeliebten Westobjekt versöhnen und zweitens ein sogar aus dem All sichtbares Zeichen setzen, dass in Berlin etwas für (und von) Kreative(n) getan wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!