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Kommentar zu den Gauland-VergleichenTauber vergiftet die Diskussion

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Der CDU-Generalsekretär kritisiert FDP-Chef Christian Lindner. Er sollte besser nicht jeden Kritiker Merkels gleich zum Rechtsextremen stempeln.

Peter Tauber verharmlost die AfD und treibt konservative Kritiker Merkels in die Arme der Rechten Foto: dpa

M it Verlaub, Herr Tauber, aus Ihnen spricht der Demagoge! Ja, man kann FDP-Chef Christian Lindner durchaus überheblich finden und sich wundern, dass die einstige Bürgerrechtspartei auf ihrem Neujahrstreffen plötzlich den starken Staat ausruft.

Man kann es ebenso für doppelzüngig halten, dass die Liberalen traditionell grenzenlosen Freihandel fordern, andererseits aber die Grenzen für Flüchtlinge wieder dicht machen wollen. Aber all das tut Lindner, anders als übrigens die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, indem er sorgfältig jeden völkischen Unterton oder Ressentiments gegenüber anderen Volksgruppen und Religionen vermeidet. Das macht den Unterschied.

Man darf nicht jeden, der es falsch findet, dass Angela Merkel 2015 die Dublin-Regelungen ausgesetzt hat, zum Rechtsextremen stempeln. Das ist selbst totalitär – und es macht jede politische Diskussion über die Regierungspolitik in der Flüchtlingsfrage unmöglich. Merkels Handeln war humanitär, es war in vielerlei Hinsicht riskant, aber auf keinen Fall alternativlos.

Wenn Tauber jetzt also behauptet, Lindner klinge in seiner Kritik an Merkel wie AfD-Mann Alexander Gauland, dann richtet er gleich mehrfach Schaden an. Er verharmlost die AfD, eine teilweise völkische Partei, von der viele ihrer Mitglieder eine andere Republik wollen.

Er treibt konservative Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik in die Arme der Rechtsextremen. Vor allem aber vergiftet er ausgerechnet im Wahljahr den Boden der politischen Auseinandersetzung zwischen den demokratischen Parteien, zu denen die FDP zweifellos gehört, nicht aber die AfD.

Nicht jede Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung kommt von rechts außen

Wenn wir nach Trumps hetzerischem US-Wahlkampf vermeiden wollen, dass auch der Bundestagswahlkampf zur Schlammschlacht wird, dann muss man vom Generalsekretär der CDU erwarten, dass er nicht herumtrollt, als sei er selbst ferngesteuert. Eine Entschuldigung ist fällig.

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Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
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17 Kommentare

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  • "Aber all das tut Lindner, anders als übrigens die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, indem er sorgfältig jeden völkischen Unterton oder Ressentiments gegenüber anderen Volksgruppen und Religionen vermeidet."

    selten einen so hinterhältigen, jedes beweises abholden tritt unter die gürtellinie gelesen - ein starkes indiz für die these, dass linke, sobald sie erfolgreich zu werden drohen, zuallererst von sogn. "linken" (??) gemobbt werden, auf dass sich bloß nix linkes je durchsetzen kann (s. auch den unsäglichen artikel direkt zu sarah w. und die afd).

     

    für meine begriffe weiß sarah w. sehr wohl was sie sagt, und differenziert immer wieder bis an die schmerzgrenze, um solchen übelwollenden missinterpretationen möglichst keine angriffsfläche zu geben - aber wer mit dreck werfen will, wird das auch tun.

     

    was ist bloß aus der taz geworden..

    erwartet ihr echt, dass man als linker für diesen neoliberalen mist freiwillig zahlen will ??

    • @tom-pex:

      Bitte? Mitverantwortung für den Terroranschlag und unkontrollierte Grenzöffnung sind etwa nicht AfD-Speak sondern "differenziert bis an die Schmerzgrenze"?? TOM-PEX belieben wohl zu scherzen, das überschreitet aber jetzt deutlich meine Scherzgrenze! Offensichtlich ge-coached vom berüchtigten Populisten Oskar versucht sie sich jetzt am kontrollierten Tabubruch und steht damit zumindest auf einer Stufe mit Söder und Seehofer, da gratuliere ich aber! Natürlich gibt es eine Alternative zu Merkels Politik, aber die liegt bestimmt nicht darin, "die Grenzen hoch" zu polemisieren, sondern das schrottreife Dublin Abkommen kontrolliert abzuschaffen statt es unkontrolliert auszusetzen. Aber dazu müsste man ja Differenzieren und Erklären und das lässt man in Zeiten der AfD-Erfolge ja jetzt wohl lieber ganz. Kein Wunder, wenn am Ende immer mehr Wähler sich für das Original statt für die Kopie entscheiden.

    • @tom-pex:

      Lindner steht seit Jahren für die Forderung der FDP nach einer generellen Abschaffung des Asylrechts. Kriegsflüchtlinge sollen nur noch den Duldungsstatus erhalten und sobald irgendwie "vertretbar" abgeschoben werden können. In welche unsäglich entwürdigenden Zustände das führen kann, sieht man an der aktuellen nur noch unter materiellen Gesichtspunkten stattfindenden Diskussion über sogenannte "sichere Herkunftsländer".







      Angesichts der gerade stattfindenden Debatte über die Neuordnung der Sicherheitsbehörden im Nachgang zum Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt nannte Lindner die Bundesregierung expressis verbis ein "Sicherheitsrisiko" für Deutschland. Diese Anschuldigung geht meines Erachtens weit über Wagenknechts vorsichtig formulierte "teilweise Mitschuld" hinaus, auch wenn sie diese nicht stichhaltig begründen kann.







      Leider fehlt Herrn Stieber jegliche kritische Distanz gegenüber Herrn Lindner und ein Mindestmaß an journalistischer Aufrichtigkeit bei der Analyse von Frau Wagenknecht. [...]

       

      Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen. Danke, die Redaktion

      • @cursed with a brain:

        Na? Auch gerade "hart aber fair" mit Plasberg im TV verfolgt?

         

        Christian Lindner outet sich als der Opportunist der er ist. Wenn die FDP wieder in Ministersesseln Platz nehmen will, so wird das nur über die CDU als Koalitionspartner gehen, eine "Ampel-Koalition" mit SPD und Grünen wird ja strikt Absage erteilt, und andere Mehrheiten sind auf absehbare Zeit Wunschdenken.

         

        Was nacht also der "feine Herr Lindner? Er redet Onkel Kauder nach dem Mund, nimmt Frau Merkel in Schutz und findet "persönliche Vorwürfe in Sachen Schuld und Mitverantwortung ein Kennzeichen schlechten politischen Stils". Nur um dann wenige Minuten später dem Innenminister von NRW die persönliche Schuld dafür anhängen zu wollen, dass der Attentäter Amri überhaupt nach Berlin gelangen konnte, so als hätte dieser Innenminister alle "potentiellen Gefährder" in seinem Bundesland persönlich rund um die Uhr zu bewachen. Aber der innenminister ist ja auch von der SPD, und an die muss man sich als Liberaler ja nicht ranschleimen, wenn man sich wieder Hoffnungen auf's Mitregieren in Berlin machen will.

         

        Euer vermeintlicher "Pauschalisierungs"-Vorwurf richtet sich selbst.

         

        Danke für das Gespräch? Danke für Nichts! ihr neoliberalen Nebelwerfer.

  • "Man darf nicht jeden, der es falsch findet, dass Angela Merkel 2015 die Dublin-Regelungen ausgesetzt hat, zum Rechtsextremen stempeln. Das ist selbst totalitär – und es macht jede politische Diskussion über die Regierungspolitik in der Flüchtlingsfrage unmöglich."

     

    Es bedurfte erst der Kölner Silvester Nacht 2015, um über Merkels "humanitäre Tat" offen reden zu dürfen. Und was Maas zusammen mit Fr. Kahane nun abzieht, erinnert mich an ganz dunkle Zeiten.

  • "Merkels Handeln war humanitär, es war in vielerlei Hinsicht riskant, aber auf keinen Fall alternativlos."

     

    Wie wir inzwischen wissen, hat Merkel Hunderttausende junger Männer mit der überwiegenden Perspektive Dauerarbeitslosigkeit ins Land geholt.

     

    Die Konsequenz kann doch nur sein, dass kein Flüchtling mehr ins Land kommt, dessen Integration=Aussicht

    auf Arbeitsaufnahme vor der Einreise geklärt ist.

     

    Das schlimme ist, dass eine ehrliche Diskussion aus pc nicht stattfindet.

  • Lieber Herr Stieber, Ihr Kommentar hat mich sehr gefreut. Vielleicht tut sich das Team Merkel noch ein wenig schwer mit ihrem Alptraum, in der kommenden Bundesregierung nicht nur Seehofer und die Grünen, sondern oh Schreck auch noch die Lindnertruppe am Hals zu haben. Da müssen die Unionierten halt durch. Alles besser als nochmal die Groko.

  • Gut, dass die Gefahr so langsam erkannt wird.

     

    Wenn man alle legitimen Kritiker der aktuellen Politik auf die Stufe der AfD stellt, dann steht am Ende die AfD auf der Stufe der legitimen Kritik.

    Im Extremfall: Wenn alle Nazis sind ist niemand ein Nazi.

     

    Ich beobachte das bei mir selbst. Früher habe ich mich mit Menschen, denen das Etikett Rechtspopulismus o.ä. anhaftete gar nicht auseinandergesetzt. Heute schon.

  • Fazit des Artikels. Kritik von Lindner ist gut. Kritik Wagenknecht ist schlecht, weil angeblich völkisch.

     

    Allerdings sind die Kritikpunkte fast gleich. Der Unterschied ist nur, dass W. die Grenzen nicht dicht machen will.

     

    Was ist nur aus der TAZ geworden?

    • Benno Stieber , Autor des Artikels, taz-Korrespondent BaWü
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Das stimmt nicht. In der FDP hat zum Beispiel nie jemand von mißbrauchtem Gastrecht gesprochen oder Merkel für Terroranschläge verantwortlich gemacht.

      • @Benno Stieber:

        Nur so nebenbei. Wenn jemand vorgibt, Schutz zu suchen, um sich die Gelegenheit zu verschaffen Terroranschläge zu begehen, so kann man durchaus von einem Missbrauch des Gastrechtes sprechen. Und ja, wenn es eine Regierung nicht auf die Reihe bekommt, einen Mann, dessen Gefährlichkeit den Behörden bekannt ist, an einem Anschlag zu hindern, so hat die Regierung ihre Arbeit nicht richtig gemacht. Besonders die Person, die dem Ganzen vorsteht.

         

        Was mich am Umgang (auch der TAZ) mit dem Thema besonders ärgert, ist, dass Frau W., die gegen alle Beschränkungen des Asylrechts, die die Groko in den letzten Jahren beschlossen hat, mit aller Kraft eingetreten ist, immer wieder massiv angegriffen wird. Dabei fordert sie nur, dass die Regierung ihre Arbeit tut und Gesetze durchsetzt.

         

        Diejenigen, die die Grenze immer dichter machen oder, wie Herr Lindner, dichter machen wollen, werden dagegen in Schutz genommen.

         

        Hier wird mit sehr verschiedenem Maß gemessen. Wobei das Maß, besonders für eine Zeitung die als links gilt, etwas merkwürdig ist.

      • @Benno Stieber:

        "...nie jemand von mißbrauchtem Gastrecht gesprochen..."

         

        Na dann recherchieren Sie mal...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Aber all das tut Lindner, anders als übrigens die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, indem er sorgfältig jeden völkischen Unterton oder Ressentiments gegenüber anderen Volksgruppen und Religionen vermeidet. Das macht den Unterschied"

       

      Sollte die TAZ lieber die rassistische Kritik bevorzugen?

      • @IL WU:

        Warum? Die Kritik von W. wird, als rassistisch verunglimpft. Wahrscheinlich, weil sie eine der wenigen Personen in der dt. Politik ist, die nicht irgendwelche ideologischen Gäule reitet, sondern wenigstens versucht objektiv zu sein.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Eine Politikerin der Linkspartei reitet keine ideologischen Gäule?

           

          Selten so gelacht bei den TAZ-Kommentaren.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Kubicki: Taubernuss

     

    Der könnte einem schon fast schon sympathisch werden.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Er sollte besser nicht jeden Kritiker Merkels gleich zum Rechtsextremen stempeln."

    http://www.taz.de/Kommentar-Wagenknecht-und-die-AfD/!5368997/