Kommentar zu Flüchtlingsinitiativen, die Senatsinteressen verfolgen: Integrationstipps vom Establishment
Das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen hat einen Brandbrief geschrieben. Die Interessen der Flüchtlinge sind ihnen aber offenbar egal – sie wollen lieber Kosten sparen

Nicht, weil im Bereich der Integration nicht sehr viel zu verbessern oder in Sachen Flüchtlingsunterbringung seitenweise Kritikpunkte aufzulisten wären. Sondern weil sich bei keiner der Forderungen erkennen lässt, inwiefern sie eine Verbesserung für die Geflüchteten wären.
Da beklagt das Bündnis etwa „ausufernde Kosten“ beim Catering und der Security in den Flüchtlingseinrichtungen, ohne mit einem Wort besseres Essen und statt Sicherheitsleuten mehr SozialarbeiterInnen oder Hilfspersonal zu fordern. Ein „Personal- und Kostenmanagement“ solle eingeführt werden und mehr „Integrationsstandards“: Zu selten würde etwa von den Unterkunftsbetreibern eine „Annäherung“ der Flüchtlinge an „ein westliches Rollenverständnis“ gefordert.
Das Bündnis schreibt allen Ernstes: „Wir erwarten, dass Einrichtungen für Geflüchtete in Zukunft nach unternehmerischen Gesichtspunkten geführt werden“. Noch mehr Profit-Logik in sozialen Einrichtungen also?
Vor solchem Inhalt wird der Name „Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen“ leider zu einer Unverschämtheit. Denn wer spricht, wer fordert hier eigentlich was? Nicht für oder mit Flüchtlingen wird politisch gekämpft, sondern aus der Position der zumeist weißen HelferInnen gesprochen: der Etablierten, vermutlich tatsächlich unter anderem UnternehmensberaterInnen, die ihre Berufserfahrungen in ihr neues Hobby, die Flüchtlingshilfe, einbringen.
Dass HelferInnen sich organisieren, ist gut. Und selbstverständlich ebenso, dass Menschen mit starken Deutschkenntnissen und Ressourcen Flüchtlinge unterstützen, aktiv und politisch laut zu werden und auch für sie ihre Stimme erheben. Katastrophal hingegen ist es, wenn sich die HelferInnen stattdessen den Kopf für den Staat zerbrechen, wie der sparen und Flüchtlinge effizienter unterbringen kann.
Gut ist an dem offenen Brief nur eines: Dass er deutlich macht, wie wichtig echte Selbstorganisierung von Geflüchteten ist.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!