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Kommentar zu DieselmotorenBetrug und Selbstbetrug

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Wenn es um die Autobauer geht, reagiert die Regierung wie immer: schweigen und schützen. Mit der Kumpanei muss Schluss sein.

Alles halb so wild mit dem Diesel, hieß es lange Foto: dpa

E s ist nicht schön, wenn Illusionen platzen. Die Vorstellung, der Dieselmotor sei ein Klimaschützer, weil er vergleichsweise wenig Treibstoff verbraucht, war eine solche Seifenblase. Jetzt zeigen Messungen der deutschen Behörden, was alle ahnten und Kritiker schon lange monierten: Diesel verbraucht viel mehr Kraftstoff und spuckt viel mehr vom Klimagift Kohlendioxid aus, als Hersteller und Behörden uns lange vorgemacht haben.

Vom „Sparschwein“ Diesel bleibt nicht viel übrig – bei den neuen schweren Wagen liegt der Verbrauch manchmal sogar über den Benzinern. Das „Dreckschwein“ Diesel wird dagegen vor allem mit dem ungelösten Problem Stickoxid immer problematischer. Bald werden viele Städte diese Autos aussperren. Ob die Dieseltechnik, auf die vor allem deutsche Autobauer gesetzt haben, eine Zukunft hat, ist sehr fraglich.

Die Regierung, vor allem CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, reagiert wie immer, wenn es um die Autobauer geht: schweigen und schützen. Statt die Konzerne zur Einhaltung der Gesetze zu zwingen, bekommen diese die volle Nachsicht der Behörden. Einer der wichtigsten deutschen Industrien nicht am Lack zu kratzen, ist so nachvollziehbar wie kurzsichtig. Denn die schützende Hand der Politik verschont die Autobauer mit Anforderungen an Effizienz, Klimaschutz und Innovation, die auf dem Weltmarkt gefragt sind. Vielleicht sind die großen Konzerne in Stuttgart, Wolfsburg und München bald nur noch Verkaufshäuser von Mobilen, die im Silicon Valley und in China gebaut werden. Sollte in zehn Jahren die deutsche Autoindustrie so scheitern wie derzeit die Stromkonzerne, ist dafür auch die Bundesregierung verantwortlich.

Schon deshalb muss Schluss sein mit der Kumpanei zwischen Politik und Autobauern. Testergebnisse müssen öffentlich sein, Regeln müssen für alle gelten. Auch ein Verkehrsminister bekommt sein Gehalt von den Bürgern, nicht von den Autokonzernen. Beim ersten Dieselskandal ums Stickoxid haben alle das Problem geahnt. Aber kein Verantwortlicher wollte sehen, wie VW betrog. Bei diesem Skandal gibt es die Beweise schwarz auf weiß. Wenn das keine Konsequenzen hat, folgt auf den Betrug: der Selbstbetrug.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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