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Kommentar zu BDS und RuhrtriennalePeinliches Rumeiern

Julian Weber
Kommentar von Julian Weber

Intendantin Carp lädt eine der israelkritischen BDS-Kampagne nahestehende Band erst ein, dann aus und dann wieder ein. Haltung sieht anders aus.

Hop oder top? Flop! Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp schafft es nicht, die Israel-Boykotteure Young Fathers auszuladen Foto: dpa

E inladen, Ausladen, wieder Einladen. Solche Impulse kennt man von Kindergeburtstagen, bei denen die Kleinen spontane Entscheidungen aufgrund von heftigen Gefühlsturbulenzen treffen und dann ganz schnell wieder verwerfen, wenn die Tränen getrocknet sind. Alles halb so wild!

Dass nun ein Kulturfestival ebenfalls nach diesem Modus operiert, ist dann aber doch bizarr. Am Donnerstag ließ die Ruhrtriennale in einer Pressemitteilung wissen, seine Intendantin Stefanie Carp habe die Ausladung der schottischen Band Young Fathers aus der vorherigen Woche wieder rückgängig gemacht.

Wir erinnern uns: Vergangenen Sommer hatten die Young Fathers von sich aus ihren Auftritt beim Berliner Festival Pop-Kultur abgesagt, mit der Begründung, die israelische Botschaft sei dessen Sponsor. Weitere KünstlerInnen folgten dem Beispiel der Band. Dahinter stand die anti-israelische Lobby BDS, die MusikerInnen zu solchen Boykott-Aktionen anstiftet, um gegen die israelische Palästinenser-Politik zu protestieren. Am 17. Juni hieß es von Seiten der Intendantin Carp noch, die drei Musiker hätten sich nicht eindeutig von der BDS-Bewegung und ihrem Vorgehen distanziert. Damit sei ihr Auftritt in Bochum am 18. August nicht gerechtfertigt.

Von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt

Diese Erklärung erfolgte erst, nachdem Popfans auf der Facebook-Seite der Ruhrtriennale auf die BDS-Sympathie der Young Fathers aufmerksam gemacht hatten und die nordrhein-westfälische Landesregierung damit drohte, die finanzielle Unterstützung für die Ruhrtriennale einzustellen. Carp erklärte nun gestern, sie fühle sich nun von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt. Die einen, die behaupten, wer Israels Regierung kritisiere, sei antisemitisch, und die anderen, von der BDS gesteuerten, die behaupten, wer Israel nicht boykottiere, sei rassistisch.

Young Fathers sagen ab

Die israelkritische Band Young Fathers wird trotz einer erneuten Einladung nun doch nicht bei der Ruhrtriennale auftreten. Das Management der Young Fathers habe das Festival benachrichtigt, „dass die Band die Wiedereinladung der Ruhrtriennale nicht wahrnehmen kann“, teilte die Pressestelle des Kulturfestivals am Freitag in Bochum mit. Der Auftritt war ursprünglich für den 18. August geplant gewesen. (dpa)

Ja, es ist schon ein Wirrwarr, nur wie kommt Stefanie Carp da wieder raus? Mit der Wiedereinladung der Young Fathers. Ihren Sinneswandel begründet sie so: Sie lade ja die Band ein und nicht die BDS-Bewegung. Beifall ließ nicht lange auf sich warten, FAZ-Feuilletonist Patrick Bahners bescheinigte Stefanie Carp für ihre neuerliche Entscheidung Mut. Vielleicht meinte er auch Wankelmut, denn das Rumgeeiere um den Auftritt einer zweifelhaften Band ist einfach nur peinlich.

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Julian Weber
Kulturredakteur
Julian Weber, geboren 1967 in Schweinfurt/Bayern, hat Amerikanische Kulturgeschichte, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie in München studiert und arbeitet nach Stationen in Zürich und Hamburg seit 2009 als Musikredakteur im Kulturressort der taz
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25 Kommentare

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  • Ich finde diese ausufernde Kritik an Israel im höchsten Maße verdächtig. Es ist nicht so das ich sie nicht teilweise nachvollziehen könnte aber es ist nunmal so das die Auseinandersetzungen in der Region aus militärischer Sicht nicht sonderlich erwähnenswert sind. Der Konflikt besteht seit Jahrzehnten und in diesen Jahrzenten hat es quasi zu jedem Zeitpunkt Konflite gegeben die deutlich brutaler, tödlicher und grausamer waren. Dennoch steht dieser Konflikt immer in besonderem Maße im Auge der Öffentlichkeit und politischer Organisationen.

    Die Sympatie gilt dabei in der öffentlichen, bzw zumindest in der veröffentlichten, Meinung ganz klar den Palästinensern. Wie das sein kann ist mir ein Räsel. Die Palästinenser sind schwach, aber das Verhalten der palästinensischen Regierung und der geduldeten Terrororganisationen sind moralisch kaum weniger verwerflich als das Verhalten der israelischen Regierung. Diese "Opfer sind automatisch im Recht" Logik will sich mir einfach nicht erschließen.

    Daran das alle Kritker Israels antisemiten sind glaube ich nicht, viele dieser Menschen sind, in meinem eigenen Umfeld, im Grunde sogar relativ unpolitisch. Oftmals scheint es mir in diesen Fällen wie eine modische Entscheidung gegen Israel zu keilen. Hier scheint es mir nicht selten einfach eine "der Westen ist doof" Einstellung zu sein, die initial zu einer Anti-Israel Haltung führt.

     

    "... von der BDS gesteuerten, die behaupten, wer Israel nicht boykottiere, sei rassistisch."

     

    Ja so langsam bekomme ich das Gefühl "rassistisch" ist einfach eine Sammelbezeichnung für Dinge die bestimmten Menschen politisch nicht gefallen.

  • Wikipedia

     

    Boycott, Divestment and Sanctions (dt. „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, abgekürzt BDS) ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, um ihre 2005 beschlossenen Ziele durchzusetzen: Israel müsse die Besetzung und Besiedlung „allen arabischen Landes“ beenden, den arabisch-palästinensischen Bürgern Israels volle Gleichberechtigung gewähren und den palästinensischen Flüchtlingen und deren Nachkommen die Rückkehr in ihre frühere Heimat und zu ihrem Eigentum ermöglichen. 171 palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen unterzeichneten diesen Aufruf; viele Solidaritätsgruppen und Prominente unterstützen ihn. Manche BDS-Vertreter bestreiten das Existenzrecht Israels und wollen diesen Staat abschaffen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Boycott,_Divestment_and_Sanctions

     

    Es geht doch letzendlich ganz klar um die Vernichtung Israels. Hier eben anders verpackt.

    -

     

    "Die israelkritische Band Young Fathers wird trotz einer erneuten Einladung nun doch nicht bei der Ruhrtriennale auftreten."

     

    Ist auch das beste in der Situation.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Clever wäre gewesen, sich die israelische Botschaft als Sponsoren zu sichern (z.B. mit einem symbolischen Euro). Dann hätte sich die besagte Band wieder selbst ausgeladen und der Rest hätte sein Festival spielen können. Aber das ist jetzt natürlich rückblickende Klugscheißerei...

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Die Idee ist wirklich top.

       

      Wenn der Botschaft das zu teuer wird, kann man sie ja notfalls fürs Sponsoring sponsern. :-)

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @74450 (Profil gelöscht):

      Aber nicht dumm :-)

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Vielleicht sollten ab jetzt alle Festivals von Israel mit einem symbolischen Euro gesponsert werden ;-)

  • Fast hätte er einen objektiven Artikel hingekriegt, bis er sich dann das "zweifelhaft" im letzten Satz nicht verkneifen konnte.

     

    Aber Respekt dafür, die Situation mit

    "Carp erklärte nun gestern, sie fühle sich nun von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt. Die einen, die behaupten, wer Israels Regierung kritisiere, sei antisemitisch, und die anderen, von der BDS gesteuerten, die behaupten, wer Israel nicht boykottiere, sei rassistisch."

    auf den Punkt zu bringen.

  • "Carp erklärte nun gestern, sie fühle sich nun von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt."

     

    Nein aber so was auch, was hatte Frau Carp denn gedacht was passieren würde?

    Die unterlegene Seite gibt einfach auf und sie kann in Ruhe mit ihrer Entscheidung ihr Festival machen?

     

    Dass das ein heißes Thema ist, weiß jeder der nicht hinter dem Mond wohnt.

     

    Und das aller Peinlichste ist auch noch, Young Fathers werden aus terminlichen Gründen trotzdem nicht kommen.

     

    Das hätte ich doch vorher mal abgeklärt, bevor ich die wieder einlade. So hat man es sich mit beiden Seiten verscherzt und gilt allgemein als wankelmütig.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Der Hickhack ist wirklich peinlich.

     

    Aber das BDS nicht irgendeine Menschenrechtsgruppe ist, ist ja auch klar.

     

    Sie ist eher der zivile Arm der Hamas in Europa und den USA.

     

    Sie fordert z.B. ein Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge. Dieser Status wird vererbt. Und so werden aus den eigentlich 60 oder 70000 Betroffenen eben mal 5 Millionen.

     

    Legt man das auf Deutschland um, würde man ein "Rückkehrrecht" für 40 Millionen Menschen fordern. Das wäre das Ende Deutschlands und im Fall Israels ebenfalls das Ende.

     

    Und darum geht es ja auch.

     

    Der Boykott soll dann auch total sein. Jeden Bereich, jede Lebenslage betreffen. Kultur, Wissenschaft, alles.

     

    Israel soll isoliert weren, das sagt BDS ja selbst. Als Paria hingestellt werden.

     

    Kein Gespräch, kein Dialog, nichts.

  • "Young Fathers" haben sich nicht nur, wie der Autor bemerkt, "nicht eindeutig von BDS distanziert", sie unterstützen BDS explizit. Das macht sie nicht zu einer "zweifelhaften Band", sie üben ihr Recht auf freie Meinungsäußerung zu einem kontroversen Thema aus. Was der Artikel in seiner unverhohlenen Voreingenommenheit (BDS-Anhänger sind von einer Lobby "gesteuert", während die Gegenseite natürlich über keinerlei Struktur und Unterstützung verfügt, jedenfalls keine (Israel-)Lobby weit und breit zu sehen) ebenfalls verschweigt: Die Entscheidung, die Musiker wieder einzuladen, wurde damit gerechtfertigt, dass "Young Fathers" sich seit Jahren explizit und glaubwürdig von Antisemitismus distanzieren, ihr politisches Engagement betrifft, wie es bei der überwältigenden Mehrheit der BDS-Aktivisten der Fall ist, die israelische Besatzungpolitik und Menschenrechtsverletzungen. Dass hier Druck von beiden Seiten ausgeübt wurde (auch von anderen Musikern, die sich spontan mit Young Fathers solidarisierten und das Festival zu boykottieren drohten), ist offensichtlich und war vorhersehbar. Insofern ist dem Autor recht zu geben: Der hier öffentlich aufgeführte Eiertanz ist peinlich. Aber die Peinlichkeit begann eben schon mit der kurzsichtigen Ausladung der Band.

    • @Flâneur solitaire:

      Bei uns hat jeder vernünftige Mensch verstanden, dass man Flüchtlinge nicht einfach wieder zurückschicken darf. Der einzig humane Weg ist, diese Menschen dort, wo sie angekommen sind zu integrieren, damit sie sich hier eine Zukunft aufbauen können.

      Nur bei den palästinensischen Flüchtlingen soll das nicht gelten. Niemand fordert die Integration der palästinensischen Flüchtlinge in Aufnahmeländern wie Libanon oder Jordanien, weil man diese Menschen benötigt, um sie als Faustpfand gegen den jüdischen Staat zu missbrauchen.

      Das ist die Mission der BDS.

      Dass der BDS dabei das Wohlergehen der Palästinenser völlig wurscht ist, kann man an Beispielen wie diesen erkennen: https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23295

  • Es gibt keine Pflicht, Israel zu lieben.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Das nicht, aber man sollte sich nicht mit den Hatern einlassen. Das sind ja keine Linken.

       

      Im Zweifel gilt Mr. Yücel:

      https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5036191&s=deniz%2By%C3%BCcel%2Bisrael/

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Dachte ich auch. Dann begann ich vor paar Monaten die Leserkommentare bei Jerusalem Post und Haaretz zu lesen.

        Erschreckend.

        • @agerwiese:

          "Dachte ich auch. Dann begann ich vor paar Monaten die Leserkommentare bei Jerusalem Post und Haaretz zu lesen.

          Erschreckend."

           

          Wenn sie Leserkommentare, sagen wir mal in FAZ und ZEIT, als Maßstab nähmen, würden Sie annehmen müssen, Hitler sitzt noch in der Reichskanzlei. Trolle sind überall wenig, aber laut. Im Übrigen kann man, wie Eva Illouz, aus einer linkszionistischen Perspektive durchaus feststellen, dass Israel schleichend zu einer militarisierten Postdemokratie degeneriert, aber selbst dass erklärt und legitimiert nicht die antisemitischen Haltungen von BDS, einem Sammelbecken von Hamas-Unterstützern, Europäern und Amerikanern in der Tradition des linken Antisemitismus und einer Handvoll fanatisch antizionisitscher Juden, die sich als Entlastungszeugen hergeben.

           

          Im Übrigen sind Künstler eben Künstler und politisch so unterbelichtet wie der Durschschnittsshlub auch, was arg wird, wenn dann noch Sendungsbewusstsein dazukommt.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @agerwiese:

          Mit Leserkommentaren ist es halt so eine Sache. Was schreiben die denn so?

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Da spricht der richtige hahaha