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Ukraine-Verhandlungen in Mar-a-LagoFrieden in weiter Ferne

Ulrike Herrmann

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Ulrike Herrmann

Manche „Deals“ sind so schlecht, dass man sie lieber ausschlagen sollte. Dazu gehört ein Ukraine-Deal ohne echte Sicherheitsgarantien.

Welche Sicherheiten bekommt die Ukraine? Zerstörte Frontstadt Kostjantyniwka im November 2025 Foto: Oleg Petrasiuk/Ukrainian 24th Mechanized brigade via dpa

B ei den Ukraine-Verhandlungen heißt das zentrale Wort stets: „Sicherheitsgarantien“. Sie sollen dafür sorgen, dass Russland nach einem Frieden oder Waffenstillstand nicht erneut angreift. Doch ausgerechnet beim Thema „Sicherheitsgarantien“ gab es keine Fortschritte, als sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump in Mar-a-Lago trafen. Das ist ein ganz schlechtes Zeichen.

Denn ohne langfristige Sicherheitsgarantien ist jeder Frieden in der Ukraine sinnlos – schon aus ökonomischen Gründen. Man stelle sich vor, dass die Waffen in der Ukraine schweigen und zugleich klar ist, dass Putin das Land bald wieder attackieren könnte. Dann würde niemand in der Ukraine investieren – die Ukrainer genauso wenig wie der Westen. Denn das Geld wäre ja futsch, falls ein neuer Krieg ausbricht. Also würde die Ukraine nicht wieder aufgebaut, hätte keine Perspektiven. Viele junge Ukrainer würden ihre verarmte Heimat verlassen, um diesem Elend und der dauernden Gefahr zu entkommen. Falls Putin dann angreift, gäbe es fast niemanden mehr, der die Ukraine noch verteidigen könnte. Putin hätte den Krieg gewonnen, ohne dass er überhaupt Soldaten schicken muss.

Trump scheint diese ökonomischen Mechanismen nicht zu verstehen – Putin schon. Er verwahrt sich vehement gegen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Militärisch will er sich damit alle Optionen offenhalten, aber zugleich auch erreichen, dass kaum investiert wird, sodass das Nachbarland zerstört und rückständig bleibt. Die Ukraine soll zur leichten Beute werden.

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Auch für die Europäer wäre diese ökonomische Eigendynamik gefährlich: Ohne knallharte Sicherheitsgarantien wäre klar, dass die russische Armee irgendwann an Polens Ostgrenze steht. Um sich gegen diese Bedrohung zu verteidigen, müsste Europa enorm aufrüsten – was sehr teuer würde.

Manche „Deals“ sind so schlecht, dass man sie lieber ausschlagen sollte. Dazu gehört ein Ukraine-Deal ohne echte Sicherheitsgarantien. Das wäre kein Frieden, sondern ein zerstörerisches Warten auf den nächsten Krieg. So bitter es ist: Für die Ukraine und Europa ist es momentan die beste Option, den jetzigen Krieg fortzusetzen – statt wehrlos auf die nächste Runde zu warten. Zumindest ökonomisch ist das kein Problem.

Europa ist reich genug, um Schulden aufzunehmen und Kyjiw zu unterstützen. Das Verhandlungsgeschehen in Mar-a-Lago und an diversen Telefonen mag verwirrend wirken. Aber eigentlich ist es übersichtlich: Erst wenn die Ukraine bei dem Wort „Sicherheitsgarantie“ zufrieden nickt, kann dieser Krieg vorbei sein.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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