piwik no script img

Konflikt zwischen Indien und PakistanEskalierende Atommächte

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Bisher ließen sich die Spannungen zwischen Indien und Pakistan als „verwalteter Konflikt“ bezeichnen. Doch jetzt dreht sich die Eskalationsspirale.

Nach dem indischen Angriff auf die Stadt Muridke in der Nähe von Lahore in Pakistan Foto: dpa

D ie Gefahr einer militärischen Eskalation ist im jahrezehntealten Kaschmir­konflikt zwischen Indien und Pakistan derzeit so groß wie schon sehr lange nicht mehr. Zwei Kriege und regelmäßige Scharmützel haben sich die verfeindeten Nachbarn bereits um das umstrittene Territorium geliefert. Jetzt droht neuer Krieg – erstmals mit dem Potenzial eines Atomkrieges.

Noch balancieren beide Seiten zwischen erklärter Zurückhaltung und demonstrativer Härte. Dabei herrscht jeweils eine Rhetorik, die Vergeltung und das Festhalten am eigenen Narrativ geradezu erzwingt. Alles andere würde als Gesichtsverlust und Verrat an der Nation erscheinen. Bisher ließen sich die Spannungen zwischen den beiden Staaten stets noch als „verwalteter Konflikt“ bezeichnen. Doch jetzt dreht sich die Eskalationsspirale.

Aus Sicht Indiens, das Pakistans Militär die Verantwortung an dem Terrorangriff auf Touristen am 22. April gibt, kann Delhi nicht hinter seine Reaktion beim letzten Angriff dieser Art 2019 zurückfallen. Doch statt wie damals nur eine mutmaßliche Terroristenbasis im pakistanischen Teil Kaschmirs anzugreifen, waren es jetzt sieben solcher Ziele, davon mehrere außerhalb Kaschmirs.

Schon die erstmalige Suspendierung des Indus-Wasservertrages, der bisher alle Spannungen überlebt hat, war eine Eskalation. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass Delhi zunächst betonte, in Pakistan ja nur „terroristische“ und nicht militärische Ziele angegriffen zu haben.

Die USA als Vermittler fallen aus

Mit dem am Donnerstag von Delhi vermeldeten Angriff auf pakistanische Flugabwehrsysteme gilt dies ohnehin nicht mehr. Pakistan hat Vergeltung angekündigt, die mangels „terroristischer“ Ziele in Indien letztlich nur Angriffe auf Militäreinrichtungen sein können. Wie wird dann Indien darauf reagieren? Bisher konnte gehofft werden, dass beide Seiten einen gesichtswahrenden Weg finden, entsprechend ihrem die angeblichen eigenen Erfolge betonenden Narrativ einen Sieg zu verkünden. So lief es mehrfach in der Vergangenheit.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

2019 hatten die USA noch beide Seiten drängen können, es mit solchen Narrativen getan sein zu lassen. Doch jetzt steht die US-Regierung unter Donald Trump nicht nur Indiens Premier Modi demonstrativ nahe, während sie das Interesse an Pakistan nach dem Afghanistan-Debakel verloren hat. Umgekehrt ist China wegen seiner Nähe zu Islamabad in Delhi ein rotes Tuch.

Es ist eine besondere Ironie, dass derzeit ausgerechnet der Iran einen Vermittlungsversuch gestartet hat. Ob Teherans Einfluss ausreicht, dürfte fraglich sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!