Kommentar von Klaus Hillenbrand über den Umgang mit der AfD im Bundestag: Gar nicht erst ignorieren
Der Impuls ist verständlich, aber es macht keinen Sinn, gegen die Anwesenheit der AfD im Deutschen Bundestag zu protestieren. Schließlich ist es unstrittig, dass diese Herrschaften vom Volk gewählt worden sind. Es ist zwar ausgesprochen unappetitlich, wer da in die Volksvertretung einzieht, aber es entspricht dem Willen der Wähler, dass es so ist, wie es ist.
Aber selbstverständlich kann und muss gegen den Einzug xenophober und völkischer Positionen in das deutsche Parlament protestiert werden. Mit der AfD droht eine Verschiebung der Debattenkultur inner- wie außerhalb des Bundestags nach rechts. Dagegen zu demonstrieren, heißt auch, deutlich zu machen, dass dieser Weg zurück weder mehrheitsfähig noch in irgendeiner Form akzeptabel ist. Und dieser Protest bedeutet noch lange nicht, auf jede Provokation einzugehen, die die AfD-Abgeordneten künftig bereithalten, um ihre Thesen gesellschaftsfähiger zu machen. Denn dann betrieben wir das Geschäft dieser Truppe.
Die AfD ist, das kann nicht oft genug betont werden, kein Haufen von Nazis, auch wenn einige ihrer Mitglieder mit braunen ideologischen Versatzstücken arbeiten und eine bemerkenswerte Affinität zu Neonazis an den Tag legen. Diese Tatsache festzustellen, heißt gewiss nicht, Entwarnung zu geben – im Gegenteil. Erst die Verquickung nationalsozialistischen Gedankenguts mit der Sehnsucht nach Adenauer’scher und Ulbricht’scher Ordnungspolitik, garniert mit völkisch anmutenden Vorstellungen nationaler Reinheit, hat diese Partei über den Kreis eingefleischter Rechter hinaus wählbar gemacht. Erst dadurch wird es auch schwierig werden, sie wieder loszuwerden.
Die AfD als Nazis zu titulieren, sorgt zwar für ein schönes Bauchgefühl, denn wer wäre sich nicht darin einig, dass der Kampf gegen solche Leute mit allen Mitteln legitim ist? Doch diese Art der Auseinandersetzung ist auch taktisch unangemessen, weil die mit solchem Branding versehene AfD so eine ihrer beliebtesten Ausflüchte angeboten wird: die der verfolgten Unschuld.
Das heißt: Solange AfD-Anhänger keine Gesetze übertreten, genießen diese dieselben Rechte wie alle anderen Menschen. Wenn sie das Recht auf einen Ausschussvorsitz haben: sollen sie ihn bekommen. Aber wenn ihre Abgeordneten rassistische Ressentiments bedienen, gebührt ihnen Protest in- wie außerhalb des Bundestags. Und wenn sie hohle Sprüche klopfen: Auch Ignorieren kann ein sinnvolles Mittel im Kampf gegen die Dummheit sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen