Merz' Sprache: Wenigstens ehrlich
Die Sprache des Kanzlers ist erfrischend verständlich. Aber es wäre gut, wenn es von ihm ähnlich klare Aussagen zu anderen Iran-Themen gebe.

F riedrich Merz hat die Angriffe Israels auf den Iran in einem Interview als „Drecksarbeit“ bezeichnet. Als Arbeit also, die schmutzig ist, aber gemacht werden muss. Der Aufschrei, der darauf folgte, ist zunächst einmal nachvollziehbar. Denn die Angriffe treffen nicht nur Generäle des Regimes und Atomanlagen, sondern Hunderte Zivilisten. Trotzdem ist es falsch, Merz zu unterstellen, er würde die iranischen Opfer mit seiner Aussage verunglimpfen. Viel eher betont die Metapher der „Drecksarbeit“ doch, dass man sich bei dieser schmutzig macht, also moralisch nicht einwandfrei handelt.
Und was wäre gewonnen, wenn Merz gescholzt hätte? Wenn er, um die Haltung seiner Regierung zu erklären, Sätze gesagt hätte, die man schon beim Zuhören wieder vergisst? Der Völkerrechtsbruch wäre nicht kleiner, das Leiden der zivilen Opfer im Iran nicht leichter zu ertragen.
Merz’ Vorgänger Olaf Scholz, aber auch die ehemalige Außenministerin Annalena Baerbock sprachen oft in solchen nichtssagenden Sätzen, auch wenn sie zu Israels Krieg in Gaza Stellung nahmen. Aber auch viele andere Politiker verfolgen das Ziel, mit ihren Sätzen möglichst wenig zu sagen. An dieser Verscholzung der politischen Sprache haben auch Medien ihren Anteil. Jede konkrete Aussage eines Politikers bietet auch einen Angriffspunkt. Das führt zu einer paradoxen Situation: Alle wünschen sich Politiker, die in klaren Worten sprechen. Und wenn sie es dann tun, ist es auch nicht richtig.
Bürger aber haben ein feines Gespür dafür, wenn Realität und Sprache auseinanderklaffen. Merz hat sich vorgenommen, in verständlichen Worten über seine Politik zu sprechen. Und anders als seine politischen Versprechen scheint er dieses bisher zu halten.
Besser kritisierbar

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Das bedeutet nicht, dass man Merz’ Aussage über die „Drecksarbeit“ deshalb richtig finden muss. Es bedeutet nur, dass Politik, wenn sie verständlich ausgedrückt wird, auch besser zu kritisieren ist. Mit dem Wort „Drecksarbeit“ schnurrt das Dilemma, in dem sich die deutsche Nahostpolitik befindet, zu einem Wort zusammen. Ja, man will Israel gegen eine mögliche nukleare Bedrohung unterstützen. Ja, das iranische Regime ist eine Terrorherrschaft. Und trotzdem bleiben die Bombardierungen völkerrechtswidrig.
Es wäre zu wünschen, dass die Debatte über den Umgang mit Iran nun so klar bliebe. Als Nächstes sollte Merz dann erklären, warum die Sanktionen gegen das Regime nicht durchgesetzt und die Revolutionsgarden nicht als Terrororganisation gelistet werden, aber noch bis Kriegsausbruch in den Iran abgeschoben wurde. Besser wäre, es bliebe nicht bei klaren Worten.
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