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Kommentar von Christian Jakobzur Festsetzung deutscher Flüchtlingsretter in ItalienWer rettet, wird plattgemacht

Die Justiz dient politischen Zwecken: Abschreckung durch Kriminalisierung

Was für ein Zufall: Seit einem Jahr ermittelt die italienische Justiz gegen unbekannt wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Dann sollen sich die Verdachtsmomente gegen die deutsche NGO „Jugend Rettet“ plötzlich so weit erhärtet haben, dass ihr Schiff beschlagnahmt wird – und das genau einen Tag nach dem großen Streit mit dem Innenminister?

Am Montag hatten sich „Jugend Rettet“ und vier andere NGOS geweigert, einen Verhaltenskodex zu unterschreiben. Den hatte die Regierung sich ausgedacht, um sie an ihrem Tun zu hindern. Am Dienstag stellt ein Richter einen Durchsuchungsbefehl aus. Am Mittwoch kommen Polizei und Staatsanwaltschaft, verhören die Crew und beschlagnahmen das Schiff. Die Indizien, die die Behörden dafür am Donnerstag vorgelegt haben, sind dürftig. Doch: Wem die NGOs sowieso suspekt waren, der wird sich jetzt bestätigt fühlen.

Eine Justiz, die so handelt, ist keine unabhängige. Sondern, im Gegenteil: eine Justiz, die sich ganz offen in den Dienst der Regierung stellt, die die Strafverfolgung für einen politischen Zweck hergibt. Und dieser lautet: Abschreckung durch Kriminalisierung. Knapp 100.000 Menschen sind in diesem Jahr im dem Mittelmeer gerettet und nach Italien gebracht worden, etwa 40 Prozent durch NGOs. Italien will, dass das aufhört. Auch wenn das bedeutet, dass noch mehr Menschen ertrinken.

Nachdem der Rechtsblock um Silvio Berlusconi 2013 die Macht an den Sozialdemokraten Enrico Letta abgegeben hat, hat Italien einen anderen Kurs gefahren. Es hat Menschen gerettet und Flüchtlinge aufgenommen. Und es ist dabei von der EU konsequent allein gelassen worden. Jetzt verfällt das Land wieder in die Verhaltensmuster der Berlusconi-Ära.

Mit den Mitteln der Justiz gegen Seeretter vorzugehen – angewandt hat es diese Methode schon einmal, unter anderem bei der Organisation Cap Anamur. Auch ihr gleichnamiges Schiff war zum Retten im Mittelmeer unterwegs. Es wurde 2004 festgesetzt, beschlagnahmt, die Besatzung musste ins Gefängnis und wurde angeklagt. Ähnlich erging es tunesischen Fischern. Sie wurden am Ende freigesprochen. Aber der Weg dahin war eine Botschaft an alle, die Flüchtlinge gerettet und nach Italien gebracht haben. Sie lautete, und lautet auch jetzt: Wer weitermacht, wird plattgemacht.

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