Kommentar überhöhte Dispozinsen: Kein Mittel gegen Wucher
Die Banken verdienen gut, wenn die Kunden ihren Dispokredit einsetzen. Eine Warn-Email über ein Minus auf dem Konto wird daran nichts ändern.
D ie Unruhe in der Bankenbranche ist deutlich zu spüren: Nachdem einige Banken die zusätzlichen Zinsen für geduldete Überziehungen über den Dispo hinaus gestrichen haben, steht wieder der Dispo selbst im Fokus. Verbraucher sollen künftig eine Nachricht von der Bank bekommen, wenn ihr Konto länger im Dispo steckt, lautet die Forderung aus der Branche. Und geht damit konform mit der Bundesregierung, die eine Warnpflicht bei überzogenen Konten einführen will.
Die Reaktion ist typisch, wenn es um den vermeintlichen Schutz von Verbrauchern gehen soll. Um eine verbindliche verbraucherfreundliche Regelung zu vermeiden, gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung. Oder eine App. Im Fall des Dispozinses wird selbst diese Logik noch mal übertroffen: Eine Benachrichtigung tritt an die Stelle einer gesetzlichen Deckelung der teilweise exorbitanten Zinssätze.
Ja, was glauben Politik und Banken da eigentlich? Dass die große Masse der Dauer-Disponutzer aus Dummheit oder Nachlässigkeit ständig in den Miesen ist? Dass die Betroffenen nur eine kleine Erinnerung bräuchten und schon fiele ihnen ein, dass sie für 1.000 Euro im Dispo jährlich locker hundert Euro Zinsen zahlen? Das Gegenteil ist der Fall: Gerade Bankkunden, die dauerhaft im Dispo leben, finden häufig nicht aus eigener Kraft wieder heraus, sei es aus Mangel an finanziellen Mitteln oder aus Mangel am wirtschaftlichen Umgang damit. Und schließlich ist es ein Kreislauf: Geld, das in die Tilgung fließen könnte, also darein, wieder aus dem Dispo herauszukommen, geht stattdessen für Zinsen drauf.
Die Banken verdienen gut daran. Ein Interesse, das zu ändern, haben sie nicht, und das wird sich mit einer verpflichtenden Nachricht an die Kunden mit Konto im Minus auch nicht ändern. Nur lässt sich die Verantwortung damit noch ein Stück weiter auf die Kunden abschieben.
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