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Kommentar schwarz-rote SondierungDie Basis wird sauer

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Mindestlohn, Spitzensteuersatz, kein Betreuungsgeld: Bei der SPD gibt es Forderungen, die für die einen Genossen verhandelbar sind. Für andere nicht.

Andrea Nahles will, dass es beim zweiten Gespräch mit der Union „ans Eingemachte“ geht. Bild: dpa

B ei dem zweiten Sondierungstreffen von Union und SPD, das hat Generalsekretärin Andrea Nahles vorab klargemacht, werde es „ans Eingemachte gehen“.

Fragt sich, was für eine unterlegene 25-Prozent-Partei wie die SPD das „Eingemachte“ ist. In der medialen Außenwirkung jedenfalls ist es mal dies und dann wieder jenes. Gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn? Unbedingt. Betreuungsgeld? Vielleicht. Erhöhung des Spitzensteuersatzes? Wohl eher nicht mehr. Man hat ja gesehen, wie die Grünen für ihr Steuerkonzept bluten mussten.

Es ist ein gewagtes Spiel, das die SPD hier spielt. Laviert sie zu viel, geht ihr die Basis von der Fahne. Und die wird gerade richtig sauer.

Selbstredend kann jeder Parteiflügel, jeder Landesverband und auch jedes Mitglied der Parteiführung Inhalte über Bande spielen. Es gibt Forderungen, die für die einen verhandelbar und für die anderen sakrosankt sind. Zudem muss das, was einem wichtig ist, in der öffentlichen Debatte gehalten werden. Aber die Kakophonie ist für die Mehrzahl der Genossen zu aufdringlich.

Am Ende aber kommt es auf deren Votum an. In ihre Hände hat sich die Parteiführung schließlich begeben, als sie zusagte, über das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen mit der Union dürfte jedes einzelne Mitglied abstimmen. Das Resultat, so hat es Parteichef Gabriel versprochen, sei „bindend“.

Was ist aber mit der Lohnangleichung in Ost und West, werden sie sich in den Ortsvereinen fragen. Was mit dem höheren Spitzensteuersatz? Und wieso redet eigentlich niemand mehr von der versprochenen Solidarrente? Auch unter den Mitgliedern sind die Interessenlagen verschieden. So ein lapidares „Nein“ ist auf dem Stimmzettel leicht angekreuzt. Zu viele davon wären der Misstrauensantrag der Basis an ihre Führung.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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25 Kommentare

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  • @Fritz:

    Lach, Sie werden es nie begreifen. Weder in Köln, noch in München ...

  • F
    Fritz

    "Fragt sich, was für eine unterlegene 25-Prozent-Partei wie die SPD das „Eingemachte“ ist." Dem möchte ich nur hinzufügen, dass der Wähler klar eine SPD-Regierung abgelehnt hat. Wenn die SPD jetzt blindlings in eine Regierung mit der CDU taumelt, dann wird sie dafür abgestraft, vollkommen egal, was in Umfragen steht.

     

    Umfragen sind nur das, was momentan gefragt wird. Und darauf sollte die SPD nichts geben - außerdem hat die Autorin recht: Die Details sind plötzlich extrem wichtig - bei Koalitionsverhandlungen wird aber eine Mitte ausgelotet, zumal die CDU sich mit ihrer Politik bestätigt fühlt. Mir fällt nur ein: Gute Nacht SPD - so einfach wird das nicht.

  • G
    gast

    Interessant dazu auch der Artikel von Wolfgang Lieb in den NachDenkSeiten:

     

    "SPD: Inszenierte Mitgliederbeteiligung statt einer Aufarbeitung der Wahlniederlage"

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=18914

    • @gast:

      Der Artikel bringt es auf den Punkt.

  • F
    frust

    Sobald man den Stimmzettel ankreuzt ist man schon beschissen.Marktfonform(Merkel) heißt:

    Der Markt bestimmt die Energiekosten, bestimmt die Mietpreise,bestimmt die Verbraucher-Preise und damit die steigenden Ausgaben.Was bestimmen eigentlich die Regierungen? Können die überhaupt noch was bestimmen, oder sind die nur noch ein notwendiges Übel? Steigen die Ausgaben, müssen auch Einnahmen und Renten steigen. Seit der "kapitalistische Faschismus" das Sagen hat kehrt sich für den Lohnabhängigen und Rentnern alles ins Negative.

  • W
    Wolfgang

    Betr.: "Mindestlohn" gegen Lohnarmut und Altersarmut

     

    Die SPD fordert einen Armutslohn von 8,50 Euro-Std. brutto.

     

    Bemerkung: Wer über 40 Arbeitsjahre nicht konstant mtl. über 2200,- Euro brutto verdient, dem bleibt im Rentenalter nicht mehr als die gesetzliche Sozialhilfe (Grundsicherung).

     

    Laut Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums, bekommen ab 2030 selbst Beschäftigte, die heute 2500,- Euro brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, nur eine gesetzliche Rente in Höhe der Grundsicherung (analog Sozialhilfe) von mtl. 688,- Euro.

     

    Merke: 2500 Euro brutto im Monat bzw. einen durchschnittlichen Stundenlohn von 15 Euro, über 35 Jahre (konstant) in Vollzeitarbeit, entspricht einer Altersrente von 700 Euro.

     

    Auch der DGB fordert einen "Mindestlohn" von nur 8,50 Euro-Std. brutto.

     

    Erinnerung: Im Jahr 2010 bekam die Familie Quandt vom BMW-Konzern eine Jahresdividende in Höhe von 648.000.000 Euro (648 Mio., - ohne persönliche Leistung und Wertschöpfung). Anmerkung: Auch die mögliche Steuer wäre ein Ergebnis der Mehrwertschöpfung der Mitarbeiter (einschließlich der weltweit Unterbezahlten) des Konzerns. *

     

    * Allerdings, dies wäre für die christlichen Spezialdemokraten und Hundts "Sozialpartner" kein Thema.

     

    Aufwachen, brave Lohnsklaven und deutsche Michels der Wertschöpfung! (?)

  • S
    Sören

    Am Ende wird entscheidend sein, welchen Gesamteindruck der Koalitionsvertrag macht, und wie geschickt die Partei-Führung darin ist, ihn zu verkaufen. Sigmar Gabriel hat sicher das rhetorische Talent, was man braucht, um auch unerfreuliche Kompromisse an den Mann zu bringen.

     

    Der Eindruck täuscht, dass das Betreuungsgeld so wichtig ist. Aber dies ist einer der wenigen Punkte, wo Union und SPD wirklich weit auseinanderliegen (dafür/dagegen). Anders als bspw. beim Mindestlohn, für den Beide in verschiedenen Varianten sind. Deswegen wird es von den Parteien immer wieder ins Spiel gebracht.

     

    Insgesamt gibt es aber kaum Felder, auf denen Union und SPD hoffnungslos auseinander liegen. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass eine neue Regierung recht bald steht. Aber es ist zu bezweifeln, dass in allen Bereichen vernünftige, große Kompromisse gefunden werden. Es wäre erfreulich, wenn die Große Koalition ihre riesge Mehrheit zumindest für eine Reform der Bund-Länder-Beziehungen und der Finanzverteilung nutzen könnte.

  • UF
    Ulrich Frank

    Es würde nicht verwundern wenn die "SPD"-Spitze plötzlich vergäße daß sie die Basis zur Entscheidung heranziehen wollte...

  • Warum wird eigentlich nicht der gesetzliche Mindestlohn mit einer gemeinsamen Mehrheit-SPD, GRÜNE, LINKE- vor der Regierungsbildung durchgesetzt?

    • @jaul:

      Weil der Zweck eben nicht die Mittel heiligt und so ein "wildes" Gesetzgebungsverfahren hieße, sich effektiv auf Rot-Rot-Grün - oder Neuwahlen - festzulegen. Die Union würde nicht mit Jemandem koalieren, der ihr vorher so eine Kröte reingewürgt hat. Da diese Folgen auch recht offensichtlich sind, würden alle Beteiligten dafür auch kräftig an der Urne bluten müssen (mit Ausnahme der Linkspartei, deren Klientel das mit dem Zweck und den Mitteln zumindest wirtschaftspolitisch wohl auch gerne mal anders sieht).

      • N
        Normaler
        @Normalo:

        Grundsätzlich gilt, der Zweck heiligt nicht die Mittel. Das heißt aber lediglich, daß ein guter Zweck nicht jedwedes Mittel zulässt... es ist letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Und die "bittere Kröte" einen möglichen zukünftigen Koalitionspartner zu verärgern, um im Gegenzug ein so wichtiges Anliegen wie einen verbindlichen Mindestlohn zu verabschieden wäre durchaus in Ordnung, ja wünschenswert, gewesen. Das war schließlich das zentrale Wahlversprechen der SPD und hätte der Stammwählerschaft der Sozialdemokraten wahrscheinlich mehr gedient als alle Gesetze einer Große Koalition. An dieser Stelle muss auch trotz gewisser Animositäten erwähnt werden, dass kurz nach der BTW dieLinke genau dies der SPD vorgeschlagen hat: schonmal mit der aktuell verfügbaren Mehrheit links der Union einen Mindestlohn zu verabschieden. Die Anwort der SPD daraufhin war jedoch, man wolle sich von derLinken keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie erteilen lassen. Nunja. Die Wähler hätten es ihnen gedankt. Schade.

  • C
    Celsus

    Wirklich gespannt bin ich, was da beim Mindestlohn rauskommt. Hat doch die CDU-Führung zwischendurch doch selber Signale ausgesendet, für einen Mindestlohn zu sein und das dann wieder kassiert. Am Ende haben die in der CDU-Führung mehr Anhänger des Mindestlohnes als in der SPD-Führung!

     

    Die SPD hat gegenüber den Grünen ja in der damaligen Bundesregierung einen Mindestlohn abgelehnt. Und schon damals mischten dort Steinmeier und Gabriel mit!

     

    Wenn jetzt kein Mindestlohn herausgehandelt wird, liegt das am mangelnden Gesick und/oder mangelnden Willen der SPD.

  • G
    Gastname

    Auch die Bürgerversicherung wird wahrscheinlich nicht kommen, wenn Schwarz-Rot regieren sollte... Dann kann man sich das eigentlich auch sparen. Sollen doch die Grünen den Steigbügelhalter machen!

  • Das Wahlergebnis ist eindeutig

    -

    das die Sozialdemokraten ihre Wähler echauffieren, ja sie bringen sie um den versprochenen POLITIKWECHSEL durch Rot-Rot-Grün !!!

    -

    Ganz normal muss die SPD die Regierung bilden, mit ihren VOM VOLK GEWÄHLTEN Koalitionspartenern Grün/Linke.

    -

    Gabriel ist der Sklave des Seeheimer Kreises !!

    -

    GUTE LÖHNE UND GUTE RENTEN sind das Wichtigste.....die PRIVATE RIESTER-RENTE muss abgeschafft werden, da sie nicht krisenfest ist (siehe USA)!!!

  • Wie kommt die SPD eigentlich darauf, dass sie an der Regierungsbildung beteiligt sein müsste?

    "Die SPD macht sich in jede Hose, die man ihr hinhält".

    (Dieter Hildebrandt)

  • Vor lauter Gerede um den Spitzensteuersatz (einst von Schröder gesenkt) wäre es doch mal schön zu wissen, was damit finanziert werden soll.

     

    Geld einnehmen ist ja kein Selbstzweck für einen Staat.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Herr Streinbrück hat in seiner Zeit das Betreuungsgeld als "Zuckerle für CSU" eingestuft. Mittlerweile hat man den Eindruck, mit dem Wegfall von 100 Euro Familienleistung steht und fällt die Regierbarkeit dieses Landes. Aufwachen SPD, der Wahlkampf ist vorbei, ab jetzt sollte nur noch das "WIR" entscheiden, und nein, damit ist nicht die Partei gemeint...

  • Die SPD läßt sich hoffentlich nicht durch Schnäppchenjägereien zu einer Koalition mit der CDU ein. Im obigen Artikel ist das Wichtigste bereits gesagt.

     

    CDU-CSU alleine ! Und sonst gar nichts !

    In vier Jahren ist diese Republik etwas weiser ( ... hoffentlich ).

    • @Pink:

      Aber Du kennst doch das Mantra: "Wir brauchen eine stabile Regierung". Das beten doch alle nach.

       

      Gut muss sie ja nicht sein, Hauptsache "stabil" ;-)

       

      Wobei ... angesichts des Fraktionszwangs, bei dem die Parteimitgliedschaft darüber entscheidet, ob ein Argument gut oder schlecht ist, kann man auch verstehen, dass niemand in einer Minderheitsregierung darauf setzen will, von Entscheidung zu Entscheidung Teile des oppositionellen Lagers ins eigene Boot zu holen.

      • @Viccy:

        Welchen Mantras Du anhängst, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß auch nicht, wen Du mit "alle" meinst.

         

        Ich pflege meine Auffassungen aufgrund meiner Lebenserfahrung und meines Wissens zu diskutieren.

         

        Im übrigen muss man nicht über jedes Stöckchen springen, was einem hingehalten wird.

        • @Pink:

          :-)

           

          Wenn Du Dein Wissen auch als Talkshows beziehst (Jauch, Illner z.B.), müsstest Du das Mantra von der Stabilität eigentlich gerade in letzter Zeit mehrfach vernommen haben. Ob ich persönlich dem anhänge oder nicht, wenn es eine Minderheitsregierung gibt, spende ich Dir 20 Euro per paypal.

    • F
      FaktenStattFiktion
      @Pink:

      Die Republik wird weiser sein, da die AfD nach der nächsten Wahl mit im Parlament sitzt.

      • @FaktenStattFiktion:

        Aber nur dann mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn diese Wahl nicht in ein paar Jahren, sondern in ein paar Monaten stattfindet.

      • @FaktenStattFiktion:

        Lach ... träum weiter ...

  • A
    augustvonderspd

    Wenn die Basis mutig wäre - dann wäre jetzt der Zeitpunkt, die SPD zu verlassen und sich der WASG anzuschließen. Die mittlerweile eben DIE LINKE heißt.

     

    Aber Mut und SPD... das sind zwei Pa(a)r(teien) Stiefel.