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Kommentar „jüdische Täter“Umdeutung des Massenmords

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Polens Ministerpräsident spricht von „jüdischen Tätern“. Das ist durch nichts belegter Unsinn und ebnet den Weg zur historischen Lüge.

Der Eingang zum KZ Auschwitz-Birkenau in Südpolen Foto: ap

E s war nur ein Satz, ein einziger Satz. Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich aufgrund des neuen Holocaustgesetzes künftig strafbar machen würde, wenn er darüber schriebe, wie seine Eltern von Polen an die Nazis ausgeliefert wurden, antwortete Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiec­ki: „Natürlich wird das nicht strafbar sein, wenn man sagt, dass es polnische Täter gab, so wie es jüdische Täter, russische, ukrainische und nicht nur deutsche Täter gab.“

Mit diesem einen Satz entlarvt der polnische Regierungschef die Behauptung, sein Land wolle mit der Strafandrohung gegen Personen, die Polen in Zusammenhang mit dem Holocaust als Täter benennen, lediglich der historischen Wahrheit Genüge tun, als billige Propaganda. Es gab von 1939 bis 1945 keinen polnischen Staat, wie sollte der also in den Holocaust verstrickt sein? Wer sollte angeklagt werden?

Polen haben unendlich unter der deutschen Okkupation gelitten. Es gab dennoch christliche Polen, die Juden – die übrigens auch polnische Staatsbürger waren – bei den Nazis denunzierten, die sie beraubten und ermordeten, genauso wie andere christliche Polen Juden in größter Not halfen, sie versteckten und ihnen so das Leben retteten. Polen stellen unter den von der israelischen Gedenkstätte Jad Vaschem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrten Judenrettern die mit Abstand größte Gruppe.

Aber was sagt Morawiecki? Er macht aus verfolgten Juden Täter, so wie eben Ukrainer, Polen oder Russen. Er stellt die Opfer damit in eine Linie mit ihren Mördern. Das ist nicht einfach nur durch nichts belegter historischer Unsinn. Mit diesem Satz öffnet der Regierungschef die Tür zum Revisionismus, zu einer Umdeutung des Massenmordes: Wenn die Opfer genauso schuldig sind wie Täter, sind sie dann noch Opfer?

Geschichte ist keine statische Angelegenheit, sondern lebt von ihrer Interpretation. So wie Morawiecki das interpretiert, was geschehen ist, ebnet er einen Weg zur historischen Lüge.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Umdeutung des Massenmords"

     

    Also wenn jemand den Massenmord umdeutet, dann doch jene, die Polen eine Mitschuld oder Mitverantwortung am Holocaust geben wollen!

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Überlegungen sind noch kein n Verbrechen. Und wenn diese 1936 stattfanden ist das noch lange keine Kollaboration mit einem Besatzer von 1939-45. Und Sie scheinen das Gesetz wirklich nicht begriffen zu haben. Auch wenn es unnötig und überzogen ist, es geht nicht darum individuelle Einzeltäter zu unterschlagen.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Morawecki hat gar nicht gesagt, dass es jüdische Täger gab. Er hat nur gesagt, es nicht strafbar zu sagen, dass es polnische Täter oder jüdische Täter gab. Das ist unglücklich formuliert. Mehr nicht. Kein Grund so ein Theater darum zu machen.

  • Der Autor des Films "Shoah", Claude Lanzmann beschreibt in einer Sequenz seines Films: "Der Letzte der Ungerechten", wie die polnische Regierung 1936 Überlegungen anstellte, alle Juden des Landes nach Madagaskar zu deportieren. Diesen Plan habe der polnische Außenminister mit seinem Nazi-Kollegen Ribbentrop besprochen. Würde die Regierung in Warschau auch gegen Lanzmann vorgehen? (https://www.arte.tv/de/videos/079410-000-A/der-letzte-der-ungerechten/) - Sequenz dauer 3 Minuten ab 1 Stunde 34 Minuten des Films.

  • Viel befremdlicher ist imo, dass er zum einen Nationalitäten aufzählt und dann "jüdische" nennt, als hätten die keine Nationalität gehabt bzw als wäre "jüdisch" ein Gegensatz zur Nationalität.

     

    Ich glaube, die polnische und die iranische Regierung verstehen sich sehr gut.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      "Ich glaube, die polnische und die iranische Regierung verstehen sich sehr gut."

       

      Da habe ich so meine Zweifel. Präsident Duda hat beim Besuch in Yad Vashem deutlich gesagt, dass die 3 Millionen ermordeten polnischen Juden polnische Staatsbürger waren. Diesen Standpunkt hat Morawecki erst kürzlich bei einem offiziellen Statement bekräftigt: https://www.youtube.com/watch?v=R9bS9z5OiWY

    • @Age Krüger:

      Schlagen Sie nach - die Juden bestehen auf diese Unterscheidung.

  • Hannah Arendt:

     

    "Eichmann in Jerusalem"

     

    Zumindest der taz-Autor sollte das Buch gelesen, die damalige Kontroverse um eben dieses Buch und die Autorin zu dem hier in Rede stehenden Thema einordnen können.

     

    Wobei Arendt sich nach meinem Wissen zumindest teilweise auf die Untersuchungen von Raul Hilberg stützt.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...die Opfer waren Russen, Polen, Ukrainer, Deutsche, Franzosen, Italiener, Engländer etc. pp.