piwik no script img

Polnisch-irischer JustizstreitHigh Court sagt „Nie“

Polen forderte, dass Irland einen mutmaßlichen Drogenschmuggler ausliefert. Ein irisches Gericht weist das ab. Der Fall geht an den EuGH.

Nächste Instanz: der Europäische Gerichtshof in Luxemburg Foto: dpa

Dublin taz | Ein irisches Gericht hat die Auslieferung eines Polen gestoppt und den Fall an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verwiesen. Richterin Aileen Donnelly begründete die Entscheidung des Dubliner High Court am Dienstag mit dem Verweis auf die „absichtliche, kalkulierte und provokante Demontage der Unabhängigkeit der Justiz in Polen“.

Der polnische Staatsbürger Artur Celmer wird beschuldigt, Drogen geschmuggelt zu haben. Der 31-Jährige wurde mit europäischem Haftbefehl gesucht und im Mai 2017 in Irland festgenommen. Die „immensen legislativen Veränderungen in Polens Rechtssystem“ stellten das gegenseitige Vertrauen infrage, das die europäischen Haftbefehle untermauere, sagte Donnelly. Da Polen die gemeinsamen europäischen Werte offenbar nicht länger akzeptiere, müsse der Europäische Gerichtshof die Sache klären.

Bereits im April vorigen Jahres hatte der Verband der Richter in Irland, eine Art Gewerkschaft, in einer öffentlichen Erklärung seine „schwerwiegende Besorgnis“ über die polnische Justizreform ausgedrückt. Rechtliche Folgen hatte diese Erklärung nicht. Das Urteil vom Dienstag ist dagegen von anderem Kaliber. Mehr als 50 polnische Auslieferungsanträge sind derzeit vor irischen Gerichten anhängig. Sie werden aufgrund des Urteils vorerst auf Eis gelegt.

Der polnische Vizejustizminister Marcin Warchoł sagte, Irland verzögere „die Bestrafung eines schwerkriminellen Drogen-Mafiosi, der in ganz Europa gesucht“ werde. Er bezeichnete die irische Besorgnis über die polnischen Justizreformen als heuchlerisch. Schließlich würden die Richter am höchsten Gerichtshof in Irland vom Präsidenten auf Vorschlag der Regierung ernannt, sagte er.

Polen hat bis Dienstag Zeit zu handeln

„Es ist ein trauriger Tag für Polen“, meinte die Anwältin Kamila Gasiuk-Pihowicz von der Oppositionspartei Nowoczesna. „Wir waren führend bei der Demokratisierung in diesem Teil von Europa, aber nun müssen wir uns schämen, von solchen Leuten regiert zu werden.“

Die EU-Kommission hatte im Dezember ein Strafverfahren gegen Polen beantragt, weil Warschau die Unabhängigkeit der Justiz gefährde. Polen hat bis kommenden Dienstag Zeit, zu handeln. Theoretisch könnte das Strafverfahren zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Dazu wird es nicht kommen, weil Ungarn, wo es um die Unabhängigkeit der Justiz noch schlechter bestellt ist, Polen unterstützt, weshalb die notwendige Einstimmigkeit nicht zustande kommt.

Problematischer für Polen dürfte die Überprüfung des Falls durch den Europäischen Gerichtshof sein, da man dessen Urteil nicht ignorieren könnte. Sollten die Richter Donnellys Einschätzung teilen, würde das bedeuten, dass Polen offen gegen EU-Recht verstößt. Dann wären Sanktionen fällig. Der Juraprofessor Marcin Matczak von der Universität Warschau sagte: „Ich hoffe, der Celmer-Fall wird das Ende der Demontage der Rechtsstaatlichkeit in Polen einläuten.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Schlawiner und juristische Kaste...

    Der Beitrag von Agerwiese entspricht in Kritik und Wortwahl durchaus dem, was man von der polnischen regierung hört und liest. Ob die Kritik stimmt, ist einem Durchschnittsleser wie mir auch mit der deutschen Übersetzung eines polnischen Satzes von Paweł Kuczma nicht ersichtlich, da ich den Zusammenhang nicht prüfen kann. Gebe ich "Marcin Matczak" und "Recht" in die Suchmaschinen ein, finde ich wenig Negatives ü+ber den Mann.

  • "Der Juraprofessor Marcin Matczak von der Universität Warschau sagte: „Ich hoffe, der Celmer-Fall wird das Ende der Demontage der Rechtsstaatlichkeit in Polen einläuten."

     

    Matczak ist ein Schlawiner und einer von der juristischen Kaste, der schon mal die Legislative unter die Obhut der Judikative stellen wollte, weil sich "der Gesetzgeber aufgrund von relativ häufigen Wahlen so oft wechselt und die Gerichtsbarkeit könnte die Kotrolle über alle Aspekte des Rechts übernehmen und so für gesetzliche Kontinuität sorgen" (Paweł Kuczma, O aktywizmie sędziowskim, „Zeszyty Naukowe Uczelni Jana Wyżykowskiego. Studia z Nauk Społecznych”, 9, 2016, s. 195.)

     

    Sind das echt Leute, die Demontage der Rechtsstaatlichkeit beklagen?