Kommentar akute Kältehilfe: Hamburg steht ganz gut da
Eine Straßen- oder U-Bahn zu einer Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose umzufunktionieren, geht tatsächlich am Problem vorbei.
E s ist kalt, seit Tagen liegt die Temperatur weit unter Null, und wer kein Zuhause hat, hat mehr Probleme als sonst. Soviel ist klar. Die Frage ist aber: Ist es tatsächlich nötig, den Hamburger Obdachlosen nach dem Bremer Modell die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen? Nein. Denn – so ungewohnt es klingen mag – die Stadt steht bereits ganz gut da, was die akute Hilfe gegen Kälte betrifft.
Darüber hinaus: Wer aus dem Umsonst-Fahren eine groß angelegte Kampagne macht, stigmatisiert die Obdachlosen. Das öffentliche Verkehrsnetz ist dazu da, die Menschen von A nach B zu befördern. Eine Straßen- oder U-Bahn zu einer Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose umzufunktionieren, geht tatsächlich am Problem vorbei.
Man kann daran zweifeln, ob diejenigen, die sich aus bestimmten Gründen dem Besuch einer Tagesaufenthaltsstätte verweigern, stattdessen lieber U-Bahn fahren würden. Und wer grundsätzlich kein Problem mit Sammelunterkünften hat, wärmt sich dort sicher lieber auf als in der U-Bahn – in der im Zweifel auch eine Erlaubnis, umsonst zu fahren, nicht vor unangenehmen Blicken schützt.
Es reicht völlig aus, als Kontrolleur im entscheidenden Moment ein Auge zuzudrücken. Ein Vorstoß wie in Bremen mag in der Not begrüßenswert sein. Wenn aber, wie in Hamburg, keine akute Not herrscht, gilt es, lieber langfristige Perspektiven zu entwickeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken