Kommentar Zuckerberg zu Shoa-Leugnern: Ein Schlag ins Gesicht
Holocaust-Leugner werden weiterhin nicht von Facebook gesperrt, sagt Mark Zuckerberg. Aus ihm spricht die Angst vor sinkenden Nutzerzahlen.
F acebook will Holocaust-Leugnern weiterhin eine Plattform bieten. Das sagte der Gründer und CEO der Plattform, Mark Zuckerberg, dem US-Technikblog Recode. „Das ist zwar sehr beleidigend. Aber viele Menschen verstehen manche Sachen falsch. Ich denke nicht, dass sie absichtlich falsch liegen.“ Es sei nicht richtig, Personen zu sperren, weil sie Sachen „falsch verstehen“ würden. Später fügte er dann hinzu, dass er mit dieser Aussage Holocaust-Leugner nicht inhaltlich verteidigen wollte.
Das ist glaubwürdig. Seine Aussagen stellen allerdings eine massive Relativierung des Problems dar. Dass Zuckerberg selbst jüdisch ist, spielt dabei keine Rolle. Holocaust-Leugner verstehen nicht einfach etwas falsch, sie handeln bewusst und mit voller Absicht. Sie folgen einer Ideologie. Egal ob sie „nur“ die Opferzahlen beschönigen wollen, die Opfer selbst für die Taten verantwortlich machen oder die NS-Gräueltaten ganz abstreiten: Ihr Ziel ist die Verharmlosung und Trivialisierung des beispiellosen Menschheitsverbrechens der Judenvernichtung. Damit soll die antisemitische und rassistische Ideologie des Nationalsozialismus negiert oder gerechtfertigt werden.
Doch über den Holocaust darf es keine Debatte, keine Interpretation geben. Er ist von Historikern in all seinen grausamen Einzelheiten bestens wissenschaftlich recherchiert und dokumentiert. Das Archiv der israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem umfasst eine Sammlung von 58 Millionen Seiten und 138.000 Fotografien. Namen und biografische Daten von Millionen Opfern werden dort gesammelt und aufgezeichnet. Wer diese Fakten ignoriert oder leugnet, lügt und verbreitet abstruse und wahnhafte Verschwörungsfantasien.
Auf der ganzen Welt verletzen und gefährden Antisemiten Juden bereits seit dem Ende des Nationalsozialismus mit der Leugnung des Holocausts. Mit Meinungsfreiheit kann das nicht gerechtfertigt werden. Zuckerberg sollte ehrlich sein und den wahren Grund für sein Unwillen, Holocaust-Leugner zu sperren, offenlegen: Er möchte sie und ihre Anhänger nicht als Nutzer verlieren. Theodor W. Adorno nannte den Antisemitismus einst „das Gerücht über die Juden“. Auf Facebook dürfen antisemitische Gerüchte weiterhin verbreitet werden. Für die Überlebenden der Shoa und ihre Nachkommen ist das ein Schlag ins Gesicht.
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