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Kommentar Zuckerberg zu Shoa-LeugnernEin Schlag ins Gesicht

Frederik Schindler
Kommentar von Frederik Schindler

Holocaust-Leugner werden weiterhin nicht von Facebook gesperrt, sagt Mark Zuckerberg. Aus ihm spricht die Angst vor sinkenden Nutzerzahlen.

Nur ein paar der 138.000 Fotografien, die in Yad Vashem zu sehen sind Foto: image/imagebroker

F acebook will Holocaust-Leugnern weiterhin eine Plattform bieten. Das sagte der Gründer und CEO der Plattform, Mark Zuckerberg, dem US-Technikblog Recode. „Das ist zwar sehr beleidigend. Aber viele Menschen verstehen manche Sachen falsch. Ich denke nicht, dass sie absichtlich falsch liegen.“ Es sei nicht richtig, Personen zu sperren, weil sie Sachen „falsch verstehen“ würden. Später fügte er dann hinzu, dass er mit dieser Aussage Holocaust-Leugner nicht inhaltlich verteidigen wollte.

Das ist glaubwürdig. Seine Aussagen stellen allerdings eine massive Relativierung des Problems dar. Dass Zuckerberg selbst jüdisch ist, spielt dabei keine Rolle. Holocaust-Leugner verstehen nicht einfach etwas falsch, sie handeln bewusst und mit voller Absicht. Sie folgen einer Ideologie. Egal ob sie „nur“ die Opferzahlen beschönigen wollen, die Opfer selbst für die Taten verantwortlich machen oder die NS-Gräueltaten ganz abstreiten: Ihr Ziel ist die Verharmlosung und Trivialisierung des beispiellosen Menschheitsverbrechens der Judenvernichtung. Damit soll die antisemitische und rassistische Ideologie des Nationalsozialismus negiert oder gerechtfertigt werden.

Doch über den Holocaust darf es keine Debatte, keine Interpretation geben. Er ist von Historikern in all seinen grausamen Einzelheiten bestens wissenschaftlich recherchiert und dokumentiert. Das Archiv der israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem umfasst eine Sammlung von 58 Millionen Seiten und 138.000 Fotografien. Namen und biografische Daten von Millionen Opfern werden dort gesammelt und aufgezeichnet. Wer diese Fakten ignoriert oder leugnet, lügt und verbreitet abstruse und wahnhafte Verschwörungsfantasien.

Auf der ganzen Welt verletzen und gefährden Antisemiten Juden bereits seit dem Ende des Nationalsozialismus mit der Leugnung des Holocausts. Mit Meinungsfreiheit kann das nicht gerechtfertigt werden. Zuckerberg sollte ehrlich sein und den wahren Grund für sein Unwillen, Holocaust-Leugner zu sperren, offenlegen: Er möchte sie und ihre Anhänger nicht als Nutzer verlieren. Theodor W. Adorno nannte den Antisemitismus einst „das Gerücht über die Juden“. Auf Facebook dürfen antisemitische Gerüchte weiterhin verbreitet werden. Für die Überlebenden der Shoa und ihre Nachkommen ist das ein Schlag ins Gesicht.

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Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
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9 Kommentare

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  • Hier meine Petition gegen die Entscheidung Zuckerbergs. www.change.org/p/m...holocaust-leugnugn

  • In der Strafrechtsvorlesung vor mittlerweile 15 Jahren wurden wir schon darauf hingewiesen, dass die Leugnung des Holocausts in den USA (und den meisten weiteren Ländern außerhalb Deutschlands/Europas/Israels) nicht strafbar ist. Es besteht dort (USA) ein anderes Verständnis der Meinungsfreiheit. Man kann (auch in Deutschland) den Klimawandel leugnen oder den Völkermord der Armenier oder sonstiges, ohne strafbar zu handeln. In Deutschland gibt es (zum Glück) einen gesonderten Tatbestand für die Leugnung des Holocausts, was mit der Geschichte D zusammenhängt. Sofern man die Meinungsfreiheit hoch halten will und hierbei das us-amerikanische (nicht das deutsche) Verständnis zu Grunde legt, ist die Entscheidung zumindest nachvollziehbar.

  • Zuckerberg ist eben pragmatischer Kapitalist und ein Arsch ohne Moral. Lieber läßt er Faschisten auf seiner Plattform agieren, als dass er Verluste in den Einnahmen fürchten müsste.

    • @Hampelstielz:

      Richtig. Zusätzlich ist der sehr sympathische Herr Z. auch ein Opportunist und Heuchler. Wenn es der derzeitigen politischen Stimmung entspricht ist er nur allzu gern dazu bereit gegen "Hate Speech" vorzugehen.



      Das leugnen des Holocaust ist aber ok - fällt ja, zumindest in den USA, unter Meinungsfreiheit.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Hampelstielz:

      Abgesehen davon, dass ich Ihrer Charakterisierung des Herrn zustimmen würde, sollte man vielleicht auch bedenken, dass es in den USA nicht verboten ist, den Holocaust zu leugnen. Eine ähnliche moralische Entrüstung anlässlich der Leugung ist daher auch nicht unbedingt zu erwarten.

  • Zuckerberg ist jüdisch? Er selbst bezeichnet sich als Atheisten. Einmal Jude, immer Jude?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "I don’t believe that our platform should take that down because I think there are things that different people get wrong. I don’t think that they’re intentionally getting it wrong..."

    "Falschliegen" (falsch verstehen) ist eine unzutreffende Übersetzung. "Irren" wäre angemessen gewesen.

  • Haben die keine Presseabteilung? Er kann doch nicht das Leugnen der Shoah als 'Falschliegen' bezeichnen.



    Nunja, falsch liegt man jedenfalls nicht, wenn man diesem Verein den Rücken kehrt. Oder besser noch: Ihm nie zugewandt war.

  • "Doch über den Holocaust darf es keine Debatte, keine Interpretation geben. Er ist von Historikern in all seinen grausamen Einzelheiten bestens wissenschaftlich recherchiert und dokumentiert. Das Archiv der israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem umfasst eine Sammlung von 58 Millionen Seiten und 138.000 Fotografien"

    Na ja, zu meiner Schulzeit (70er Jahre) waren es 4 Millionen in Ausschwitz alleine...