piwik no script img

Kommentar Zuarbeit türkische GerichteEinbürgern statt ausweisen

Die deutsche Öffentlichkeit empört sich über die Inhaftierung von Deniz Yücel. Gleichzeitig will Hamburg einen Erdogan-Kritiker abschieben.

Deniz Yücel ist noch immer nicht frei, da will Hamburg einen Journalisten abschieben. Foto: dpa

Hamburg taz | Es ist schon grotesk: Da versucht die Bundesregierung seit Monaten, die beiden JournalistInnen Deniz Yücel und Meșale Tolu aus den Fängen der türkischen Justiz loszueisen – und Hamburg hat nichts besseres zu tun, als den nächsten Journalisten ans Messer zu liefern.

Denn nichts anderes ist es ja: Wenn Deniz Yücel für das, was er geschrieben hat, im Gefängnis schmoren muss, dann ist die Gefahr für einen wie Adil Yiğit erst recht hoch, der sich im Grenzbereich von Aktivismus und Journalismus bewegt und aus seiner Sympathie für die kurdische Sache keinen Hehl macht. Das Regime von Präsident Erdoğans AKP kritisiert er vehement.

Und die gerade vor dem Europäischen Gerichtshof wieder verdächtig laut beschworene Unabhängigkeit der türkischen Justiz ist nicht mehr als eine Behauptung: In einem ordentlichen Rechtsstaat wäre ein Verfahren gegen Deniz Yücel nach den öffentlichen Vorverurteilungen durch den allmächtigen Präsidenten Erdoğan nicht mehr möglich.

Die türkische Justiz müsste noch nicht einmal auf Yiğits Vergangenheit in einer militanten, linksradikalen Splittergruppe rekurrieren, um gegen ihn vorzugehen. Und das sollten auch deutsche Behörden nicht. Seine Strafe dafür hat er lange verbüßt und er ist seither unbescholten. Fragt sich, warum die Hamburger Ausländerbehörde ihm geraten hat, seinen sicheren Flüchtlingsstatus aufzugeben – und dann nicht zumindest im selben Atemzug auch dazu, die Einbürgerung in Deutschland zu beantragen? Schwer vorzustellen, dass da nicht Geheimdienste die Finger im Spiel hatten.

Aber es ist ja nie zu spät: Bürgert Adil Yiğit ein! Sorgen um seinen Lebensunterhalt muss sich niemand machen: Der Mann macht eine sozialpädagogische Fortbildung – also in einem der größten Mangelberufe in der Stadt. Und er kennt sich mit türkischstämmigen Jugendlichen aus, unter anderem auch mit islamistischer Radikalisierung. Noch Fragen?

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Noch Fragen; ja: Erfüllt Herr Adil Yiğit die Voraussetzungen der Einbürgerung (u.a. Sprachkentnsse, Dauer des inländischen Aufenthaltes und notwendige Höhe des dauerhaften Einkommens)?

     

    Worin äußert sich die Kritik von Herrn Adil Yiğit?

     

    Wenn er den unbescholten ist, welche Gründe gibt es für ein Asyl?

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    "Und er kennt sich mit türkischstämmigen Jugendlichen aus, unter anderem auch mit islamistischer Radikalisierung. Noch Fragen?"

     

    Ja: wie haben wir uns diese Probleme eigentlich ursprünglich eingebrockt? Durch zuviel oder zuwenig Zuwanderung & Einbürgerung? Müssen alle menschenrechtlichen Probleme der Welt in Deutschland gelöst werden?

  • Wo sollen hier denn nun auf ein Mal die Geheimdienste herkommen?

     

    In dem vorangegangenen Artikel zu Adil Yiğit war zu lesen, dass die Dame vom Bezirksamt meinte, der Fall sei ja noch gar nicht abgeschlossen, Herr Yiğit könne ja noch andere Gründe für eine Aufenthaltsgenehmigung vorbringen. Es scheint also gar keine Abschiebung geplant.

     

    "Schwer vorzustellen, dass da nicht Geheimdienste die Finger im Spiel hatten."

    Wozu die Verschwörungstheorie?