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Kommentar ZivilschutzkonzeptAlkohol und Apokalypse

Katrin Gottschalk
Kommentar von Katrin Gottschalk

Die Zeit, in der wir uns existenzielle Krisen im eigenen Land nicht vorstellen konnten, scheint vorbei zu sein. Was macht dieser Zustand mit uns?

Am Ende bleibt nur noch der Schnaps Foto: Hindemitt/photocase.de

M anche posten bei Twitter GIFs von süßen Hamstern, die sich Möhrchen in den Mund schieben. Einer schlägt „Lichtnahrung“ zum Überleben vor, besseres Karma inklusive. Ein anderer rechnet nach: 6 Weizenbier = 1 Mahlzeit, also ergeben 90 Biere 5 Tage Vorrat. Alkohol und Apokalypse, genau mein Humor.

Die Bundesregierung befasst sich am Mittwoch mit einem überarbeiteten Zivilschutzkonzept, das dazu rät, sich für einen Katastrophenfall besser vorzubereiten. Das nimmt in der Netzöffentlichkeit niemand ernst. Bunker und Vorrat gab’s im Kalten Krieg. Die „Prepper“, also Leute, die in ihrem Privatbunker Konserven sammeln, waren bisher vor allem die Verrückten am Rande, über die hier und da mal geschrieben wurde.

Aber jetzt sollen wir uns alle vorbereiten. Wie albern! Und vor allem: Wohin mit dem Zeug? Vorratskeller, das hatten die Großeltern, das haben vielleicht noch die Eltern, aber ganz sicher ist die Kammer in der Berliner Altbauwohnung längst zu einem Schlafplatz für Airbnb-Gäste umfunktioniert worden.

Jetzt soll da also wieder Trinkwasser und Dosenfutter rein. Warum gerade jetzt? Parallel zu der „Konzeption zivile Verteidigung“ wurde auch das Weißbuch zur Sicherheitspolitik überarbeitet, das unter anderem Bundeswehreinsätze im Inneren vorsieht. Steht der Krieg also vor der eigenen Haustür? Und müssen wir uns deshalb darauf vorbereiten, diese nicht mehr öffnen zu können?

6 Weizenbier = 1 Mahlzeit, also ergeben 90 Biere 5 Tage Vorrat

Die Zeit, in der wir uns existenzielle Krisen im eigenen Land nicht vorstellen konnten, scheint vorbei zu sein. Die Zahl der Anträge auf Waffenscheine geht nach oben. Jetzt auch bald der Verkauf von Mineralwasser. Übertrieben! Andererseits: Beim Amoklauf in München waren die Bewohner_innen einige Stunden angehalten, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Ein paar Stunden – so schnell kann es gehen. Ausnahmezustand. Und dann?

Besonders gefährdet seien wir durch Computerviren oder Sabotage, heißt es. Ja, genau. Wenn ich mir gerade vorstelle, dass ich plötzlich nicht mehr auf mein Bankkonto zugreifen könnte, würden mich meine derzeit 2,95 Euro in der Geldbörse nicht einmal über den restlichen Tag retten. Würde aus meinem Wasserhahn kein Tropfen mehr fließen, säße ich sofort auf dem Trockenen. Bis auf ein paar Schnäpse. Die kann ich dann allerdings sehr gut gebrauchen. Prost!

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Katrin Gottschalk
Vize-Chefredakteurin
Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.
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6 Kommentare

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  • 3G
    34970 (Profil gelöscht)

    Verstehe die (deutsche)Welt nicht. Es gab doch schon lange so ein Konzept. Nun wurde das geupdated. Und nu? Warum sollte ich mir jetzt mehr Gedanken machen als vorher? Und angenommen ich tus doch, hier mal meine Frage: Sollten sich nicht lieber die Gedanken machen die Vorgesorgt haben wie sie ihre Vorräte vor anderen (mir Beispielsweise...) beschützen? Ich mein wir reden doch vom Ernstfall oder? Was denkt ihr denn wie der aussähe? Campingurlaub aufm Zimmer und nach 10 Tagen ist alles wieder gut? Im ERNSTFALL??? Wacht doch endlich auf. Kein Mensch kann genug für diesen Fall horten. Oder überblicken was uns dann blüht.

    • @34970 (Profil gelöscht):

      Jaja, wir vernehmen die Botschaft: Kauft Euch lieber Waffen statt Reis.

       

      *gähn*

      • 3G
        34970 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Nö. Das scheint mir nur deine Animosität zu sein die du auf mich projezierst.

    • @34970 (Profil gelöscht):

      "Ernstfall" meint nicht den grossen Ernstfall. Es reicht ein grösserer Schneesturm, der die Stromversorgung für 14 Tage zusammenbrechen lässt.

      Die Supermarktkassen gehen nicht mehr. Im Supermarkt ist auch kein Licht. Die Benzinpumpen an den Tankstellen sind ausser Betrieb. Batteriebetriebene Analogradios gibt es auch kaum noch, so dass auch die Information schwierig wird. Das Telefon hat auch kein eigenes Notstromnetz mehr. Die Handy-Akkus sind bald alle - ebenso die Notstromversorgung der Handyfunkstationen. An das Bankkonto kommt man nicht mehr und auch die Kreditkarten funktionieren natürlich nicht mehr. An manchen Supermärkten wird es vielleicht Notverkäufe geben, wo wenige Waren manuell abgegeben werden. Andernorts werden die Menschen in ihrer Not vielleicht die Läden plündern. Das wird allerdings auch schnell vorbei sein, da Nachschub ohne Diesel auch nicht möglich ist. Fliessendes Wasser gibt es nicht und die Leute sind froh, dass sie auf ihren Balkonen mit ihren Holzkohlegrills den Schnee zum Trinken schmelzen können.

  • Das ist ganz anders: Viele der postmodern Sozialisierten haben sich in der Just-in-Time-Welt vorzüglich eingerichtet, halt moderne Jäger und Sammler mit ewig leerem Kühlschrank, die von Müsli, Pizza und Döner leben. Das ist auch ein Bekenntnis zur Zivilisation, nämlich die praktizierte Überzeugung, dass auch morgen noch der Strom aus der Steckdose, die Sozialkontakte aus dem Internet und das Essen vom Italiener oder Türken kommt. Und klar, das bißchen was wir essen, können wir auch trinken.

     

    Gleichzeitig ist da aber auch das mulmige Gefühl, das man schonmal bekommt, wenn man an einem Samstagabend mit Grippe oder Kater darniederliegt, der Kühlschrank immer noch leer ist und der Pizzadienst Sommerpause hat. Oder wenn mal das Handy kaputt und der DSL-Anschluss zuhause ausgefallen ist und man plötzlich merkt, dass man so rein physikalisch gesehen in dieser altmodischen Wirklichen Welt verdammt auf sich gestellt ist.

     

    Und ja: Ein raffinierter Angriff mit Viren und Sabotage von wem auch immer mit Ausfall der Kommunikationsnetze und Peng. Die Supermärkte haben ohne ständige Lieferungen kaum genug für den laufenden Tag und ohne Computer kriegen sie nix. Ohne Steuerung kein Strom, ohne Strom keine Pumpen (Wassertürme sind out), ohne Pumpen kein Wasser. Ohne Computer und Daten kriegen wir auch kein Geld und können auch nicht mit Karte bezahlen.

     

    Und das muss ja noch nicht einmal ein Angriff sein: Am 23. Juli 2012 gab es einen Sonnensturm, der stark genug war, dass sämtliche Digitaltechnik ruiniert gewesen wäre, wenn er die Erde getroffen hätte, die sich an diesem Tag glücklicherweise an einem anderen Punkt ihrer Bahn befunden hat. Inzwischen wissen wir, dass so etwas durchaus häufiger passiert - wir haben es in unserer Geschichte nur noch nie gemerkt, denn bis vor ein paar Jahrzehnten gab es keine Technik, die davon betroffen gewesen wäre.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      " ... ohne Strom keine Pumpen (Wassertürme sind out), ohne Pumpen kein Wasser ..."

      Nein, Wassertürme sind nach wie vor in (eine Frage der Topografie).

      Bloß bekommt man dorthin kein Wasser ohne Pumpe.