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Kommentar Zentralafrikanische RepublikUnverzeihliches Verhalten der UN

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Vereinten Nationen schaffen es immer wieder, sich in Misskredit zu bringen. Die Tatenlosigkeit im Falle Zentralafrikas ist nicht hinnehmbar.

Der Skandal sollte aber auch ein überfälliges Schlaglicht auf einen viel zu wenig beachteten Umstand lenken: die Tausenden französischen Eingreiftruppen in Afrika. Foto: ap

D ie Vereinten Nationen gelten gemeinhin als Inbegriff des Guten. Sie bringen die Völker der Welt zusammen, um „Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben“, wie es in der UN-Charta heißt. Wenn überhaupt Militäreinsätze, das ist Konsens in weiten Teilen der deutschen Politik, dann nur im Rahmen der UNO.

Leider schaffen es die Vereinten Nationen immer wieder, sich selbst in Misskredit zu bringen. Weil alle Staaten auf dem Papier gleichberechtigt darin zusammenarbeiten, sind sie ein perfekter Ort für Mauscheleien. Der einzige strukturelle Unterschied zwischen UNO und Fifa ist der, dass die UNO viel weniger Geld verteilt, weil sie keine Fernsehrechte zu verkaufen hat.

Vor einem Jahr begannen UN-Mitarbeiter in der Zentralafrikanischen Republik, Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs kleiner Kinder durch französische Soldaten nachzugehen. Seit mindestens einem Dreivierteljahr liegen ihre Erkenntnisse den zuständigen Stellen vor: in Genf, in New York, in Paris. Geschehen ist seitdem nichts. Kein mutmaßlicher Täter wurde angeklagt oder festgenommen, kein mutmaßliches Opfer geschützt. Der Einzige, gegen den der UN-Apparat vorgeht, ist jener UN-Mitarbeiter, der dafür gesorgt hat, den Untersuchungsbericht Ermittlungsbehörden zugänglich zu machen.

Die französischen Truppen in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui sind – anders als vielerorts berichtet – keine UN-Blauhelme. Aber sie sind im Rahmen eines UN-Mandats zum Schutz der Zivilbevölkerung dort stationiert, und die UN-Mission im Land ist in Ermangelung eines funktionierenden Staatswesens die zentrale Anlaufstelle für Schutzsuchende. Das Verhalten der UNO in diesem Fall ist unverzeihlich.

Der Skandal sollte aber auch ein überfälliges Schlaglicht auf einen viel zu wenig beachteten Umstand lenken: die Tausenden französischen Eingreiftruppen in Afrika. Sie verweigern sich jeder internationalen Kontrolle, sie unterwerfen sich auch nicht den Behörden ihres Gastlandes, sie sind ein Anachronismus aus imperialen Zeiten. Und indem die UN-Abteilung für Militäreinsätze ("Peacekeeping“) dauerhaft von Franzosen geleitet wird, ergibt sich ein trautes Zusammenspiel von Paris und New York – offenbar eben auch, wenn es darum geht, Verbrechen zu decken. Das ist der grundlegende Skandal hinter diesem Skandal.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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8 Kommentare

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  • 2G
    21405 (Profil gelöscht)

    Herr Johnson unterschlägt nonchalant die Tatsache, dass die Täter auch aus dem Tschad und aus Äquatorial-Guinea stammen.

     

    Das passt natürlich nicht so gut ins kulturmarxistische Cliché

    vom rassistischen, sexistischen

    weißen Teufel...

    • @21405 (Profil gelöscht):

      Wiso Cliché? Ich bin schon öfter in Abidjan gewesen. Fremdschämen für das Verhalten von Europäern ist mir des öfteren passiert. Der Ruf von vielen mänlichen Europäern in Afrika, kommt nicht von ungefähr.

    • @21405 (Profil gelöscht):

      Inwiefern sollte das weiße Täter entlasten?

      • 2G
        21405 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Von Entlastung habe ich nicht geredet.

         

        Ich nehme indes deutlich

        eine tendenziöse Duftspur wahr, moi...

  • Soldatendienst verroht nunmal die Leute, auch die "Guten". Das sollte man so langsam doch wirklich mal begriffen haben.

  • Ein Skandal ist ein "Aufsehen erregendes Ärgernis". Bevor hier also von einem "grundlegende[n] Skandal hinter d[]em Skandal" die Rede sein kann, müsste eigentlich geklärt werden, wer sich aufregt und worüber.

     

    Für Dominic Johnson besteht ein "Ärgernis" darin, dass im Auftrag der UN in Afrika stationierte französische Soldaten kleine Kinder missbrauchen statt sie zu beschützen. Ein zweites ist der Umstand, dass Paris und New York offenbar gemeinsam das Ziel verfolgen, genau diesen Missbrauch zu vertuschen. Woraus man durchaus schließen könnte, dass für die Verantwortlichen in New York und Paris das "Ärgernis" weniger in den Übergriffen besteht, als vielmehr im Bekanntwerden derselben. Aus Sicht der Verantwortlichen besteht der Skandal hinter dem Skandal also eindeutig darin, dass ein UN-Mitarbeiter sein (sicher nicht ganz kleines) Gehalt nicht unbedingt als Schweigegeld begreifen will. Wer Menschen einkauft, will sich ja auf sie verlassen.

     

    Und was tut jene Öffentlichkeit, um deren Ärger willen sowohl der aufmüpfige UN-Mitarbeiter und Herr Johnson genau jenes "Aufsehen" zu erregen suchen, das die Verantwortlichen bei der UN und im Élysée-Palast vermeiden wollen? Sie hebt die Schultern und fragt: "Welcher Skandal?" Macht wird missbraucht, das ist nicht Neues für die Leute, die gerade keine haben. Sich permanent darüber aufzuregen, ist psychologisch einfach nicht zu leisten. Man kann ja nicht einmal sich selber schützen, wenn man sich öffentlich erregt. Es sei denn, man ist Ban Ki-moon oder Hollande. Und sogar die sind machtlos gegen all zu viele Feinde, egal wie laut oder hysterisch sie agieren.

     

    "Zu wissen, worüber sich eine Gesellschaft empört", schreibt das Lexikon, "lässt ablesen, wo und wie die überschrittenen Grenzen liegen". Skandale ließen "Rückschlüsse auf die [...] Norm- und Wertvorstellungen bzw. Konventionen einer Gesellschaft" zu. Das stimmt nicht ganz. Wer Macht hat, sieht man sehr viel deutlicher.

  • Eine solche Schlagzeile hätte man sich mal über die Grünen gewünscht, aber da drückt die TAZ galant beide Augen ganz ganz fest zu.

    • @Rasenmäher Botha:

      Die TAZ hat sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Aufmerksamen Lesern ist das nicht entgangen.