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Kommentar Xi als ewiger Präsident ChinasUnsinnige Mao-Vergleiche

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Auch wenn Xis Griff nach dauerhafter Macht an Mao erinnert: Die Zeiten sind andere. Eine Abkehr von der Öffnung des Landes ist unwahrscheinlich.

Xi Jinping auf dem Volkskongress der chinesischen KP Foto: ap

V iele Beobachter vergleichen derzeit Xi Jinping mit Chinas einstigem Diktator Mao Tsetung. Doch auch wenn es Ähnlichkeiten gibt, führt dieser Vergleich in die Irre. Xi ist nicht Mao, und China 2018 ist nicht China 1968, als die Kulturrevolution das verarmte Land erschütterte. Es stimmt zwar: Seit Mao hat kein chinesischer Führer mehr so viel Macht an sich gezogen wie nun Xi. Mit der frisch beschlossenen Verfassungsänderung ist es ihm nicht nur gelungen, seine Präsidentschaft auf Lebenszeit zu verlängern. Seine „Leitideen“ haben Verfassungsrang. Und doch ist eine Rückkehr Chinas zu Verhältnissen wie während der Kulturrevolution unwahrscheinlich.

Da ist zum einen der Wohlstand. Unter Mao war die Volksrepublik eines der ärmsten Länder der Welt. 90 Prozent der Bevölkerung lebten auf dem Land von kaum mehr als dem, was sie selbst anbauen konnten. Heute hat sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen mehr als verhundertfacht, das Land ist technisch eins der innovativsten der Welt.

Zum anderen ist da Chinas Einbindung in die Weltwirtschaft. Anders als unter Mao ist das Land nicht mehr isoliert, sondern der größte Profiteur der Globalisierung. Entsprechend groß ist die Abhängigkeit vom Ausland. Zwar wird China immer selbstbewusster. Der Erfolg ist auch Xi zu Kopf gestiegen und seine Machtkonzentration ist gewiss keine gute Entwicklung. Aber eine Abkehr von der Öffnungspolitik wird es nicht geben – trotz Alleinherrschaft.

China ist vielfältiger als zu jedem Zeitpunkt unter Mao. Während Mao Wissenschaftler zur Zwangsarbeit aufs Land schickte, lässt Xi die Forschung üppig fördern – und treibt eine konsequente Digitalisierungsoffensive voran, die weltweit beispiellos ist. Die Realität ist aber auch, dass Kritik am Staatschef auf all den bunten Apps eine Straftat sein wird – auch das ein Ergebnis der Verfassungsänderung. Zwischen diesen Widersprüchen müssen die Chinesen künftig navigieren. Ein grundsätzlich anderes System will eine Mehrheit von ihnen aber vermutlich nicht.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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3 Kommentare

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  • “Der Erfolg ist auch Xi zu Kopf gestiegen“ - weshalb sollte es so sein?

     

    Weder Mao, Deng, noch Xi: Persönlichkeiten sind nur ein Faktor der geschichtlichen Entwicklung, aber nicht der ursächliche Grund für die historische Entwicklung. In der bürgerlichen Geschichtsschreibung bedient man sich vorrangig vermeintlicher oder tatsächlicher Persönlichkeiten, um damit einen Ausschnitt der Entwicklung in einem bestimmten Zeitraum (vorgeblich) anschaulich zu fixieren. Im “Kleinen Politischen Wörterbuch“, erschienen 1973 im Dietz Verlag Berlin, heißt es, „dass der gesetzmäßige Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung in letzter Instanz durch die Tätigkeit der Volksmassen bestimmt wird. Persönlichkeiten können auf die gesellschaftliche Entwicklung Einfluss nehmen, wenn sie die historischen Notwendigkeiten erkennen und verstehen, die Volksmassen in deren Sinne zu organisieren und zu führen. Wie das Wesen des Menschen kein Abstraktum, nichts ein für allemal Gegebenes, sondern stets das „ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Marx) ist, so kann jede Persönlichkeit nur im Zusammenhang mit den sozialen, politischen, den geistigen und kulturellen Bedingungen verstanden werden, unter denen sie sich entwickelt.

     

    Das Antlitz der Persönlichkeit, so auch bei Mao, Deng und Xi, wird dementsprechend weitgehend durch diese Bedingungen, durch die Klasseninteressen und die psychische Eigenart der (sozialen und gesellschaftlichen) Klasse geprägt, der der Mensch angehört. // Was zugleich aber nicht die bewusste und gezielte (gesellschaftspolitische) Perversion des Personenkults, durch die jeweils sozioökonomisch herrschende Klasse ausschließt. So sei es ein mütterlicher Kult um Angela Merkel, in den Reihen der infantilen Wählerschaft der CDU, oder ebenso ein Vaterkult um Xi Jinping, in den Reihen der pseudokommunistischen KP Chinas. Davon sind aber auch akademische Figuren nicht gefeit. Siehe hier aktuell doch auch nur Trumps infantile Anhängerschaft, in allen sozialen Klassen der USA

  • "Viele Beobachter vergleichen derzeit Xi Jinping mit Chinas einstigem Diktator Mao Tsetung. Doch auch wenn es Ähnlichkeiten gibt, führt dieser Vergleich in die Irre."

     

    Nah da wollen wir doch mal des Beste hoffen. Schließlich ist Mao für 45 Mio Tote verantwortlich.

     

    "Da ist zum einen der Wohlstand. Unter Mao war die Volksrepublik eines der ärmsten Länder der Welt."

     

    Könnte es sein, das es irgendetwas mit Maos Politik zu tun hatte?

     

    "Heute hat sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen mehr als verhundertfacht, das Land ist technisch eins der innovativsten der Welt."

     

    Innovativ sind die Chinesen nur, wenn es darum geht Patente zu klauen...

     

    "Aber eine Abkehr von der Öffnungspolitik wird es nicht geben – trotz Alleinherrschaft."

     

    Man möge mal ein Auge auf die chinesische Außenpolitik werfen (z.B. neue Seidenstraße). China betreibt eine Art Kolonialismus 2.0. Die Folgen werden verheerend sein. Sowohl für die Bevölkerungen in deren Land China "investiert" (hauptsächlich afrikanische Länder) als auch für die chinesische Bevölkerung. Profitieren werden ausschließlich Gestalten, die bereits jetzt Xi Jinping nahestehen. Also alles beim alten.

     

    "Ein grundsätzlich anderes System will eine Mehrheit von ihnen aber vermutlich nicht."

     

    Woher will der Autor das wissen? Wann wurde die chinesische Bevölkerung jemals nach ihrer Meinung gefragt?

  • ist es nicht usus das chinesische Kaiser einen neuen Herrschernamen bekommen?