Kommentar Wulffs Islamäußerungen: Wer ist das Volk?
Im Kern geht es in der Integrationsdebatte um die Frage, ob man Muslimen und ihrer Religion in diesem Land auf Augenhöhe begegnet.
E r hat eigentlich nichts bahnbrechend Neues gesagt. Aber mit jedem Tag, an dem Christian Wulff für seine Worte zum Einheitsjubiläum kritisiert wird, gewinnt der Bundespräsident rückblickend an Größe und seine Rede an historischem Format.
Als Wolfgang Schäuble, damals noch Innenminister, vor vier Jahren die erste Islamkonferenz eröffnete, sagte auch er, der Islam sei "ein Teil Deutschlands geworden". Doch diesmal waren nicht nur Ort, Anlass und der Sprecher andere, auch die Reaktionen fielen frostiger aus. Die Bild-Zeitung stänkert gegen Wulff, auch FAZ und Zeit gehen auf Distanz zu seiner These: Der Boulevard und das konservative Bürgertum zeigen sich pikiert.
Unter Angela Merkel hat sich die Union von der Lebenslüge verabschiedet, Deutschland sei "kein Einwanderungsland". Dagegen setzte sie die Devise vom "Integrationsland", das seine Einwanderer "fordern und fördern" müsse. Mit dieser Entwicklung aber sind manche in Deutschland offenbar überfordert. Und auch an der CDU-Basis rumort es, seit Merkel das Buch von Sarrazin als "nicht hilfreich" bezeichnet hat. Im Kern geht es in dieser Debatte um die Frage, ob man Muslimen und ihrer Religion in diesem Land auf Augenhöhe begegnet. Oder ob man sie auf Abstand hält und ihnen die Integration praktisch verwehrt.
Daniel Bax ist Redakteur im taz-Meinungsressort.
Zu den absurden Auswüchsen dieser Debatte gehört, dass sich deutsche Muslime heute auch seitens ostdeutscher Ex-Bürgerrechtler wie Monika Maron oder Joachim Gauck anhören müssen, sie hätten noch eine Bringschuld zu leisten, bevor man sie als gleichwertige Bürger anerkennen könne. Immerhin leben die meisten der Muslime, um die es dabei geht, schon viel länger in der Bundesrepublik als diese ehemaligen Bürger der DDR. Und, ja: Auch sie sind das Volk.
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