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Kommentar Wechselkurs für den FrankenHilflose Schweiz

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Schweiz hat keine Chance: Sie ist der Währungsspekulation ausgeliefert. Es wäre nur konsequent, würde sie dem Euro beitreten.

Nachdem der Mindestwechselkurs aufgehoben wurde, schoss der Franken in die Höhe. Bild: dpa

D ie Überraschung ist gelungen: Die Schweizer Nationalbank hat den Wechselkurs für den Franken freigegeben. Das hatte niemand erwartet. Denn seit mehr als drei Jahren verfolgten die Schweizer eine Währungspolitik, die weltweit als erfolgreich galt: Der Mindestkurs wurde auf 1,20 Franken zum Euro festgesetzt.

Damit wollten die Eidgenossen verhindern, dass ihr Franken aufgewertet wird, nur weil es eine Eurokrise gibt und panische Anleger die Schweiz als „sicheren Hafen“ ansteuern. Denn wenn der Franken teurer wird, steigen auch die Preise für die Schweizer Exportgüter. Allerdings war diese Währungspolitik nicht umsonst zu haben: Die Schweizer Nationalbank musste Milliarden an Franken drucken, um den Kurs nach unten zu drücken.

Am Ende besaß die Nationalbank Währungsreserven von knapp 500 Milliarden Franken – während diese Franken in der Schweiz herumschwirrten und nach „Anlageobjekten“ suchten. Besonders beliebt waren Immobilien. Schweizer denken oft, dass ihre Hauspreise steigen, weil unerwünschte Migranten ins Land strömen. Doch die Immobilien wurden teurer, weil die Nationalbank Franken drucken musste. Es gab eine Inflation bei den Vermögenspreisen.

Diese Währungspolitik hatte keine Zukunft, wie die Schweizer Nationalbank einsehen musste. Doch die Alternative ist nicht besser: Kaum war der Kurs freigegeben, schoss der Franken in die Höhe. Es ist abzusehen, dass die Schweizer Exportindustrie in extreme Schwierigkeiten geraten wird. Die Schweiz hat keine Chance: Als kleines Land ist sie der Währungsspekulation machtlos ausgeliefert. Daher wäre es nur konsequent, wenn die Eidgenossen dem Euro beitreten würden – zumal etwa die Hälfte ihrer Exporte in die Eurozone gehen. Bisher ist dies jedoch undenkbar für die Schweizer. Mal sehen, wie lange noch.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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17 Kommentare

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  • Kurz gesagt: Eine Aufwertung führt in Deutschland wie in der Schweiz zu mehr Wohlstand, günstigeren Importen, billigeren Auslandsreisen und einer stabilen Binnenkonjunktur. Das ist die wirkliche Lehre der Erfolgsgeschichte des Schweizer Frankens.

  • Die Schweiz ist nicht hilflos Spekulationen ausgeliefert und hat auch nicht kapituliert wie oft behauptet wird. Von Anfang an war der Mindestkurs als vorübergehendes Instrument gedacht, das abgebaut werden sollte, wenn es für die Schweizer Volkswirtschaft günstig ist. Da der Euro in den letzten Monaten immer schwächer wurde und stark gegenüber dem Dollar an Wert verlor, haben die Schweizer der Währungsstabilität den Vorzug gegeben und die künstliche Subventionierung der Exportindustrie plus Schwächung der Kaufkraft der Bevölkerung beendet. Sie wollten ihre starke Währung nicht durch den Euro nach unten ziehen lassen. Hätten die Schweizer den Mindestkurs nicht aufgegeben, wäre der Franken eine Ramschwährung geworden, was schlecht für die Kaufkraft und den Wohlstand der Schweizer Bevölkerung gewesen wäre. Schon drei Jahre Mindestkurs haben eine überfällige Aufwertung und eine Zuwachs an Realeinkommen für die Bevölkerung unnötig gedeckelt.

     

    Der große Gewinner ist der einfache Schweizer: Er kann jetzt durch die Aufwertung die Früchte des Erfolges der Schweizer Wirtschaft einfahren, indem er durch eine höhere Kaufkraft, billigere Importe und günstige Auslandsreisen profitiert. Der Lebensstandard des Durchschnittsbürgers steigt und das ist eine gute Nachricht. In Deutschland hingegen wird die Exportindustrie durch den viel zu schwachen Euro künstlich subventioniert, Kaufkraft und Löhne werden auf einem Level gehalten, das 30-50% zu niedrig ist. Die Erfolge der Exportindustrie bleiben so in den Taschen der Exportunternehmen und werden nicht an die Bürger weitergegeben, die durch den zu schwachen Euro eines großen Teils ihres Einkommens und ihrer Kaufkraft beraubt werden.

    Die Lehre der Schweizer Abkopplung vom Euro ist also genau das Gegenteil von Ulrike Herrmanns Vorschlag: Deutschland sollte die D-Mark wiedereinführen, damit die Bürger endlich am Erfolg der Wirtschaft teilhaben können und nicht künstlich arm gehalten werden.

  • Die Schweiz verlässt das sinkende Schiff namens Euro. Das ist alles. Die SNB hat diese Entscheidung getroffen, obwohl sie zu kurzfristig zu Schwierigkeiten für die Schweizer Wirtschaft führen wird. Die Schweiz hat per Volksentscheid bestimmt, nicht in EU und Euro einzusteigen. Es geht um die nationale Souveränität, und diese bedeutet den Schweizern etwas. Mit der Ankopplung an den Euro wäre die Schweiz dazu verdammt, die Kapriolen des Herrn Draghi mitzutragen. Da die Schweizer traditionell etwas von Geldgeschäften verstehen, und zwar offensichtlich mehr als die Euro-Hüter, bin ich überzeugt, dass das die für die Schweiz richtige Maßnahme war. Im Übrigen würde sich auch eine wachsende Zahl von Bürgern in Deutschland gern vom Euro abkoppeln, aber die Verhältnisse hier sind bezüglich der eigenen Fiskalpolitik leider nicht so demokratisch geregelt wie in der Schweiz. Was Konsequenzen haben wird...

  • Die Schweiz mag vieles sein - aber sie wird nie dieser Oekonomischen Versagerorganisation namens EU angehören. Frau Merkel kennt die Wirtschaft nur aus dem Sozialismus und so handelt sie auch. Der Rest in Brüssel bei der EZB hat keine Ahnung von Wirtschaft und Finanzen - Draghi - von wo kommt der ? Draghi gilt als Vollnull - gesponsert von Goldman Sachs. Gut dass jetzt Banken in Polen unter die Räder kommen die glaubten mit CHF Krediten Immobilien zu finanzieren.

  • Es ist schon ein Kunststück, aus der Tatsache, daß der Euro eine immer schwächere Weichwährung wird und der Franken eine der stärksten und sichersten Währungen weltweit ist, Argumente für den Euro und gegen den Franken herauszulesen.

    Der Franken ist der Wirtschaftskraft der Schweiz angepaßt, während der Euro für Deutschland viel zu schwach ist. Er zieht die Realeinkommen der Bevölkerung herunter und verteuert Importe und Auslandsreisen deutlich. Seit 2002 hat die Kaufkraft der Deutschen gegenüber den Schweizern um mehr als 35% nachgelassen. Die Schweizer haben Deutschland in Sachen Wohlstand, niedriger Arbeitslosenquote und Kaufkraft weit hinter sich gelassen. Profiteure dieses Prozesses sind die Schweizer Bürger und Arbeitnehmer, die real an Kaufkraft dazugewonnen haben, Verlierer ist der Durchschnittsdeutsche, dessen Geldbörse durch den viel zu schwachen Euro immer dünner wird. Es ist interessant, daß die Linken in Deutschland und der Schweiz sich zum Sprachrohr der staatlichen Subventionierung der Exportindustrie machen und sich damit für eine niedrige Kaufkraft der Arbeitnehmer aussprechen. Der Euro Mindestkurs hat die Bürger der Schweiz beraubt. Daher ist die Franken-Aufwertung dringend überfällig und ein Segen für den Schweizer Durchschnittsbürger: Alle Importe wie Öl, Gas, Rohstoffe usw., die die Schweiz als rohstoffarmes Exportland benötigt, werden billiger, Auslandsreisen werden deutlich erschwinglicher und Kaufkraft und Binnenkonsum steigen beachtlich. Währenddessen wird die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung durch den Euro weiter heruntergezogen.

    Umgekehrt wird also ein Schuh draus: Die Deutschen sollten sich an der Schweiz an Beispiel nehmen und zur D-Mark zurückkehren, dann wäre auch die Franken-Überbewertung kein Problem mehr, weil es eine starke Konkurrenzwährung gäbe und deutsche Touristen sich durch die deutlich angestiegene Kaufkraft wieder mehr Schweiz-Reisen leisten könnten.

  • Es wäre eine maßlose Dummheit, wenn die Schweiz den EURO einführen würde. Der EURO wird implodieren. Gerade jetzt,

    wo von einem Schuldenerlass für Griechenland die Rede ist. Allein für Deutschland sind 50 Milliarden im Gespräch. Und auch die anderen Länder, die Geld im Feuer haben, müssen bluten. Dann bricht hier die Hölle los und der EURO ist tot. Glückliche Schweiz.

  • Hmm. Die Schweizer Nationalbank hatte die Wahl zwischen zwei Übeln und hat das kleinere vorgezogen.

    Wir (die Eurozone) haben bald überhaupt keine Wahl mehr, wie wir an die Wand gefahren werden. Nur dass es geschehen wird und dass es dabei einen Mordskrach geben wird, wenn Merkels und Draghis Modell (von Frau Herrmann unterstützt) zusammenbricht, das ist schon jetzt sicher.

    • @XXX:

      "Nur dass es geschehen wird und dass es dabei einen Mordskrach geben wird, wenn Merkels und Draghis Modell (von Frau Herrmann unterstützt) zusammenbricht, das ist schon jetzt sicher."

       

      Na dann bauen Sie sich lieber schon mal einen eigenen Bunker und horten Lebensmittel. Bitte nicht vorschnell wieder raus kommen!

  • Ist das die Abschrift aus den Radio Teddy Nachrichten ?

  • Na ja, angesichts der Tatsache, dass die Schweizer Zentralbank krampfhaft versucht, den Franken gegenüber dem Euro relativ niedrig zu halten, wäre es nicht grad smart, sich mit dem Konkurrenten Deutschland auf das Wettrennen interne Abwertung einzulassen, das schon ganz andere verloren.

    • @BigRed:

      Flassbeck zu den Risiken und Nebenwirkungen der schweizer Aktion:

       

      "Aber auch nur mit der sofort eingetretenen Aufwertung von „nur“ 20 Prozent wird die Schweizer Wirtschaft hart getroffen, da, wie wir in einer Artikelserie 2013 gezeigt haben, schon bei einem Kurs von 1,20 die Lohnstückkosten in Euro gerechnet sehr hoch gegenüber Österreich und Deutschland waren. Zudem wird offene Deflation zunehmend ein Thema werden, da das Land sich ohnehin schon am Rande einer Deflation bewegt. Sorge vor offener Deflation war auch der Hauptgrund für die Entscheidung der Notenbank im Jahr 2011, den Kursanstieg zu begrenzen."

       

      Die Schweiz ist also faktisch in der gleichen Situation wie die Euroopfer Deutschlands.

       

      http://www.flassbeck-economics.de/die-schweiz-kapituliert/

  • Solange die Schweiz, die auf Nummerkonten gelagerten Millarden an Schwarzgeldern der globalen, weltweit operierenden Steuerverkürzer und der Steuerhinterzieher verwaltet, braucht sie sich um die eigene Zukunft keine Sorgen zu machen.

  • Der SFr. kostete durchschnittlich 1,30 DM, zu Bestzeiten der DM bekam man ihn für 1,06 DM.

    Der € ist so weich, dass er 1:1 zum SFr. steht. Die öffentlich (Politik & Presse) geleugnete tatsächliche Inflation spiegelt sich in obigem Verhältnis jedoch wider: Die aktuelle Kaufkraft von 1 € beläuft sich auf 1 DM.

  • Glückliche Schweizer. Ihre Wirtschaft wird nach einer kurzen Leidensphase gestärkt werden. Freiheit und Wohlstand ist ihnen gewiss, denn Sie opfern nicht die Hoheit über ihre Geldpolitik.

  • "Die Schweiz hat keine Chance: Als kleines Land ist sie der Währungsspekulation machtlos ausgeliefert."

     

    oooch, die arme kleine schweiz. wehrlos den finsteren mächten des kapitalismus ausgeliefert. aber - könnte es vielleicht sein, dass kleine länder mit entzückenden kleinen vorteilen für die (kapital-)verbrecher aller anderen länder langsam ausgeschissen haben? dass die politik, geld ins land zu lassen, alles andere aber auszusperren, auf dauer doch nicht mehr funktionier? das wäre doch einmal ein rundum positiver aspekt der globalisierung.

  • ...das muss die Schweiz aber erst mal der EU beitreten.