Kommentar Warschauer Nahostkonferenz: Familienfoto für Netanjahu
Israels Regierung findet in Warschau arabische Verbündete gegen den Iran. Für die Palästinenser bedeutet das nichts Gutes.
E in Geschenk des Himmels, muss sich Benjamin Netanjahu gedacht haben, als er die Einladung zum Warschauer Gipfel bekam. „Familienfoto“ stand gleich zweimal auf dem Programm der Nahost-Konferenz. Kaum acht Wochen vor den israelischen Parlamentswahlen könnte ihm diese seltene und gleichermaßen wertvolle Gelegenheit nicht passender kommen. Lächelnd posiert er Seite an Seite mit arabischen Staatsführern. Es soll keiner mehr sagen, das Land sei unter seiner Führung ins internationale Abseits geraten.
Nie waren die Beziehungen zwischen den Regierungen Israels und von Staaten wie Oman oder Bahrain wärmer als heute. Zu verdanken hat Netanjahu diesen diplomatischen Erfolgskurs allerdings nicht sich selbst, sondern dem Erzfeind Iran, der in sunnitischen Staaten als ähnlich bedrohlich empfunden wird wie in Israel.
Von einer gemeinsamen Front, die gar einen Krieg gegen Iran führen sollte, sprach Netanjahu, ruderte dann aber zurück. War das wirklich nur unbedacht? Kaum anzunehmen, dass einem so erfahrenen Redner wie dem israelischen Regierungschef ein solcher Fauxpas passiert. Ziel seiner Rede könnte gewesen sein, dem Appell der Amerikaner an die Verbündeten in der EU, sich dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Teheran anzuschließen, Dringlichkeit zu verleihen.
Gerade die, die sich am heftigsten über den israelischen Regierungschef empörten, sollten seine Warnung hören: Entweder ihr stoppt das Atomprogramm oder wir tun es. Für die Palästinenser bedeutet die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien, Oman und anderen Staaten nichts Gutes. Ihr Appell an die Glaubensbrüder, nicht zum Gipfel nach Warschau zu reisen, verpuffte.
Mit der Belagerung des Gazastreifens, dem Siedlungsbau im Westjordanland und den am palästinensischen Volk verübten Menschenrechtsverletzungen lässt es sich in Riad oder Kairo offenbar ganz gut leben, nicht jedoch mit dem erstarkenden Iran. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas muss zusehen, wie Netanjahu ungeachtet seiner Siedlungspolitik in den Kreis seiner eigenen Verbündeten aufgenommen wird, während er selbst allein bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr