Kommentar Walfang in Japan: Populismus mit der Harpune
Japan will ab Juli 2019 wieder kommerziell Wale jagen. Der demonstrative Schritt zielt vor allem auf die Wähler von Premier Abe in den Hafenstädten.
A uf den ersten Blick wirkt die Reaktion der Japaner verständlich: Sie sind frustriert, dass die internationale Walfangkommission seit Jahren nicht auf sie hört und dass das Fangmoratorium für Wale weiter bestehen bleibt. Also haben sich die Japaner jetzt zu einem demonstrativen Schritt entschlossen und angekündigt, dass sie ab Juli 2019 wieder kommerziell Wale jagen werden – zum ersten Mal nach dreißig Jahren.
Doch in Wirklichkeit geht es gar nicht um Fangquoten, sondern um Populismus. Schon jetzt ist genug Walfleisch im Angebot: Vor der Antarktis schießt man jährlich 333 Zwergwale sowie im Nordpazifik 130 Seiwale und 170 Zwergwale. Zusammen mit Importen aus Island und Norwegen reichte der japanische Fang aus, um den Jahreskonsum von rund 5.000 Tonnen zu decken.
Die meisten Japaner essen nämlich kein Walfleisch. Die Regierung behauptet zwar seit Jahren, der Verbrauch werde zunehmen, falls mehr Walprodukte auf den Markt kämen. Aber den Beweis ist sie schuldig geblieben. Walfleisch ist teuer, es schmeckt nicht besonders gut, es lässt sich nicht einfach zubereiten und es gibt viele Alternativen in den Supermarktregalen.
Finden sich keine neuen Abnehmer, dürfte sich die teure Hochseejagd auf Wale kaum rechnen. Japan unterhält nur noch eine einzige, kleine Flotte für den Walfang auf hoher See. Ohne die staatlichen Subventionen für die „Erforschung“ der Wale wären diese Schiffe längst abgewrackt worden.
Der dröhnende Protest gegen das Walfangmoratorium soll gar nicht das internationale Publikum, sondern die heimischen Bürger erreichen: „Japan First“ lautet die Botschaft. Eine der wichtigsten Walfangstädte, Shimonoseki, liegt im Wahlkreis des nationalkonservativen Premierministers Shinzo Abe. Ein anderer wichtiger Liberaldemokrat, Toshihiro Nikai, stammt aus Wakayama, einer zweiten Hochburg des Walfangs. Offenbar will die Regierung jene Wähler bedienen, die sich über die demütigende Auslandskritik an der japanischen Esskultur ärgern.
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