Kommentar Wahlen in Österreich: Rechts abgebogen
Auf den ersten Blick bleibt alles beim Alten. Beim zweiten wird deutlich, dass die fremden- und europafeindlichen Politiker gewonnen haben.
sterreich rückt in Krisenzeiten nach rechts. Diesen Trend haben die Nationalratswahlen vom vergangenen Sonntag bestätigt.
Vordergründig bleibt zwar alles beim Alten weil die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP neuerlich mit einer Mandatsmehrheit ausgestattet wurden. Die gemeinsame Mehrheit wird aber von Wahl zu Wahl prekärer und die Fortsetzung der ehemals großen Koalition kann kaum als sexy verkauft werden. Die Koalitionsparteien stehen also unter einem gewissen Zugzwang.
Kanzler Werner Faymann appelliert als Chef der stärkeren Partei an die ÖVP, ihre Blockade einer umfassenden Bildungsreform und eines gerechteren Steuersystems aufzugeben. In Wahrheit sitzt aber die zur Rolle des Juniorpartners verdammte ÖVP am längeren Hebel. Denn eine rechnerische Mehrheit von ÖVP, FPÖ und Team Stronach, der Partei des austro-kanadischen Milliardärs Frank Stronach, ist möglich. Vizekanzler Michael Spindelegger will sich daher alle Optionen offen halten und kann bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ jederzeit damit drohen, die Karte der Rechtsregierung zu ziehen.
Man erinnere sich an 1999. Damals kam Wolfgang Schüssel während der Verhandlungen mit der SPÖ gleichzeitig mit der FPÖ ins Geschäft und ließ sich dann von Jörg Haider zum Bundeskanzler machen.
In der ÖVP gibt es eine gar nicht unbedeutende Gruppe, die das Zusammenleben mit der SPÖ so satt hat, dass sie die Variante ÖVP-FPÖ-Stronach nicht nur zum Pokern nutzen will, sondern als ernsthafte Alternative anpeilt. In vielen Punkten herrscht mit den Rechtspopulisten größere Übereinstimmung als mit der SPÖ.
Aber selbst wenn nach wahrscheinlich langwierigen Koalitionsverhandlungen die Fortsetzung des Status Quo beschlossen wird, ist zu erwarten, dass die konservativen Positionen der ÖVP größeres Gewicht bekommen. Die EU-feindliche und fremdenfeindliche FPÖ wird heimlich mitregieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“