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Kommentar Wahlen in ÖsterreichRechts abgebogen

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Auf den ersten Blick bleibt alles beim Alten. Beim zweiten wird deutlich, dass die fremden- und europafeindlichen Politiker gewonnen haben.

Der gar nicht so heimliche Sieger, Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Bild: reuters

sterreich rückt in Krisenzeiten nach rechts. Diesen Trend haben die Nationalratswahlen vom vergangenen Sonntag bestätigt.

Vordergründig bleibt zwar alles beim Alten weil die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP neuerlich mit einer Mandatsmehrheit ausgestattet wurden. Die gemeinsame Mehrheit wird aber von Wahl zu Wahl prekärer und die Fortsetzung der ehemals großen Koalition kann kaum als sexy verkauft werden. Die Koalitionsparteien stehen also unter einem gewissen Zugzwang.

Kanzler Werner Faymann appelliert als Chef der stärkeren Partei an die ÖVP, ihre Blockade einer umfassenden Bildungsreform und eines gerechteren Steuersystems aufzugeben. In Wahrheit sitzt aber die zur Rolle des Juniorpartners verdammte ÖVP am längeren Hebel. Denn eine rechnerische Mehrheit von ÖVP, FPÖ und Team Stronach, der Partei des austro-kanadischen Milliardärs Frank Stronach, ist möglich. Vizekanzler Michael Spindelegger will sich daher alle Optionen offen halten und kann bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ jederzeit damit drohen, die Karte der Rechtsregierung zu ziehen.

Man erinnere sich an 1999. Damals kam Wolfgang Schüssel während der Verhandlungen mit der SPÖ gleichzeitig mit der FPÖ ins Geschäft und ließ sich dann von Jörg Haider zum Bundeskanzler machen.

In der ÖVP gibt es eine gar nicht unbedeutende Gruppe, die das Zusammenleben mit der SPÖ so satt hat, dass sie die Variante ÖVP-FPÖ-Stronach nicht nur zum Pokern nutzen will, sondern als ernsthafte Alternative anpeilt. In vielen Punkten herrscht mit den Rechtspopulisten größere Übereinstimmung als mit der SPÖ.

Aber selbst wenn nach wahrscheinlich langwierigen Koalitionsverhandlungen die Fortsetzung des Status Quo beschlossen wird, ist zu erwarten, dass die konservativen Positionen der ÖVP größeres Gewicht bekommen. Die EU-feindliche und fremdenfeindliche FPÖ wird heimlich mitregieren.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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8 Kommentare

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  • MM
    Markus Meister

    @Heiko: Wie kann man im Jahr 2013 pauschal "Ausländer" kritisieren? Das ist so dumm wie pauschale "Deutschland-Kritik" aus dem Ausland.

    Wie kann man überhaupt eine Gruppe pauschal in einen Topf werfen und kritisieren?

     

    Europakritisch kann und sollte man, bei der jetzigen Zusammensetzung der EU wirklich sein. Aber als Gegenlösung wieder mit kleinen Nationalstaaten zu kommen, die sich dann auch noch untereinander(Schottland vs. England; Flandern vs. Wallonen in Belgien; Nord- vs. Süditalien) "bekriegen" ist einfach Hinterwäldlerdenken.

    Ich bin froh, dass die CSU die bisher einzige populistische Rechtspartei ist, die im Bundestag sitzt und hoffe das bleibt so. Ich bin sogar STOLZ darauf, dass Deutschland die ganzen Halbnazis von Rechts bisher erfolgreich aus dem Bundestag fernhalten konnte. Ich hoffe, das bleibt so! Ich reise im Übrigen gern durch Europa, bin froh kein Visum zu brauchen und bin gern ein "Ausländer" in Frankreich, Österreich, Belgien etc. und froh, wenn man mich gut behandelt und nicht ständig kritisiert, das gestehe ich "unseren Ausländern", dann gern auch zu in der Bundesrepublik.

  • M
    Michael

    Erst einmal zu den allgemeinen österreichischen Wahlergebnissen.

    Im Unterschied zur BRD, das wie übliches weiterhin ein gleichgeschaltetes Parteiensystem von Mitte links bis linksextrem besitzt, gibt es in Österreich ein pluralistisches von Rechts bis runter nach Links.

    Es ist schon richtig, was Tim Leuther schreibt: Bei dieser Wahl haben die Rechten rund 1% verloren, während die Linken rund 5,9% zulegten.

    Diese Verschiebung aber ist nur dem BZÖ zuzuschreiben, deren Wähler hoffentlich bei der nächsten Wahl wieder zu den Freiheitlichen überlaufen und NEO ein einmaliger Ausrutscher sein wird.

    Beispiel: Heide Schmidt vom LIF, die ebenfalls schnell in die Versenkung fiel.

  • Noch speit der FPÖ-Chef sein Siegesfeuer. Aber bald kommt der heilige Spöorg - und macht der Alpenrepublik den Strachentöter...

  • Sie haben unrecht. Wenn man die FPÖ und das BZÖ als Fremdenfeindlich, EU-kritisch und Populistisch sieht, und Stronach ausschließlich als populistisch und EU-Kritisch dann:

     

    Haben die EU-Kritischen Populisten (FPÖ,BZÖ,TS) 2,58% der Stimmen zugelegt, unter beachtung des Wegfalls aller BZÖ Stimmen (4% Klausel) ist es ein -1,05%

     

    Wenn man Fremdenfeindliche, EU-Kritische Populisten anschaut (TS fällt nicht drunter) dann haben die 3,21% verloren; unter wegfall aller BZÖ Stimmen sind es ein -6,84

     

    Verloren hat auch die große Koalition mit -4,33%

     

    Die heimlichen Gewinner waren aber das liberale, demokratische alternative Lager aus Grünen und NEOS. Die haben 5,83% zugelegt.

     

    Vom Taz Standpunkt müsste das eigentlich eine Verbesserung sein. Statt Fremdenfeindlicher BZÖ wählen die Leute Stronach, zwar immer noch populistisch aber nicht rassistisch, im Parlament verliern die rechten weil fast 4% die in den Gulli fallen, und das Liberale Lager hat zuwächse.

     

    Wie daraus die Überschrift "rechts abgbogen" wird - ich weiß es nicht.

    • D
      dagmar
      @Tim Leuther:

      Ist NEOS (Wahlbündnis aus NEOS und LIP) nicht eigentlich explizit neoliberal? Stimmt aber, wenn du schreibst, "vom taz Standpunkt müsste das eigentlich eine Verbesserung sein". Keine Ahnung, wie neoliberal die Grünen in Ö sind.

      • @dagmar:

        Ich denke wenn man sich die Österreichische Parteienlandschaft anschaut, dann sollte man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen wie Neoliberal (was nebenbei eh ein politischer Kampfbegriff ist) nun eine liberale Partei ist.

         

        Eine Partei bei dem ein Hauptthema ist, das alle gute Bildung erhalten, ist sicher auch nicht "explizit" Neoliberal. Es ist eine Neue Partei, was Sie ist, weiß man erst am ende.

         

        Einen Rechtsruck -wie in der Überschrift- kann ich nicht erkennen. Ja, die FPÖ hat stimmen verloren, aber dafür hat die BZÖ federn lassen.

         

        Meine Aussage zur "taz" position bezog sich zu den rechten Parteien. Eine sehr rechte Partei Flog raus. Eine (Stronach) idgendwie populistische, eu-kritsische kam rein. Und ein Paar der BZÖ Stimmen kamen zur FPÖ. Am Ende sind es weniger rechte Stimmen über der 4% Hürde und BZÖ wurde durch Stronach ersetzt.

  • Warum muß man unbedingt 100% Fremdenfreundlich und Europfreundlich sein?

    Ist man denn bei jeder Kritk an Europa und an Ausländern sofort ein böser Mensch? Dieses s/w-Denken widert mich an, das ist wie in der DDR. Dort hatte man den Sozialismus gutzufinden und basta. Jede Kritik war unerwünscht.

    Jetzt, im Jahr 2013 muß ich zunehmen feststellen, das es in Deutschland wieder unerwünscht ist, seine wahre Meinung zu sagen. Es wird noch nicht mal zwischen "berechtigter" und "unberechtigster" Kritik an Ausländern und Europa unterschieden!!

    Deutschland und spezielle dessen Medien sind ideologisch sehr einseitig und total undemokratisch. Ich möchte ein Deutschland, wo JEDER seine Meinung frei äußern kann, ohne das jemand gleich mit dem ideologischen Finger zeigt. Ich möchte Medien haben, die sachlich und neutral berichten und wo man nicht sofort erkennt, welche politische Richtung sie vertreten. Wir möchten endlich eine echte Demokratie haben!!!

  • K
    Klarsteller

    "Die ... FPÖ wird heimlich mitregieren."

     

    Sonst findet es die taz doch immer gut, wenn ein "breites gesellschaftliches Bündnis" geschlossen wird.