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Kommentar WahlbeteiligungUnser aller Frust

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die Wahlbeteiligung sinkt. Das lässt sich nicht allein den Parteien anlasten. Es klingt platt, ist aber in diesem Fall wahr: Nichtwähler gehen uns alle an.

E s ist einfach, den Parteien die Schuld für die sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland zu geben. Sie sind es doch, die die Menschen stets aufs Neue für die Demokratie – und also für sich selbst – begeistern müssen. Und seit Jahrzehnten scheitern sie an dieser großen Aufgabe. Zwei Studien belegen jetzt einmal mehr den traurigen Trend, dass mehr und mehr Menschen nicht wählen.

Doch einseitige Schuldzuweisungen werden dem vielschichtigen Phänomen nicht gerecht. In manchen Parteizentralen hat man durchaus erkannt, welche Gefahr es birgt, wenn sich das Volk aus der Demokratie abmeldet. Von der CDU bis zur Linkspartei experimentieren alle mit neuen Beteiligungsformaten, im Internet wie in der Fußgängerzone. Die SPD setzt im Wahlkampf auf Hausbesuche, die Linkspartei versucht mit einfachen Botschaften gezielt Ungebildete zu adressieren.

Die Parteien bemühen sich also, mit Nichtwählern ins Gespräch zu kommen, wenn auch mit wenig Erfolg. Anderswo in der Gesellschaft sieht es anders aus: Nichtwählen gilt längst auch in vermeintlichen Eliten als sexy. Ein Hochschullehrer, der sich sonst gerne vom Staat bezahlen lässt, begründete unlängst in einem Spiegel-Essay, warum keine Partei seinen hohen Reformansprüchen genüge. Solche provokanten (und sehr eitlen) Thesen garantieren Publicity. Und nebenbei lassen sie Leute, die sonntags brav ins Wahllokal gehen, wie Minderbemittelte erscheinen.

Bild: Anja Weber

Ulrich Schulte

leitet das Parlamentsbüro der taz.

Auch wir, die Journalisten, arbeiten munter an der Vergrößerung des Nichtwähler-Lagers, indem wir jede Meinungsverschiedenheit zum Krawall hochjubeln oder Politiker als machtgeile Egomanen darstellen. Wer wählt schon Leute, die er nur als karrieristische Vollidioten vorgestellt bekommt? Die Liste derer, die Politikfrust fördern, ließe sich fortführen. Es klingt platt, ist aber in diesem Fall wahr: Nichtwähler gehen uns alle an.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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20 Kommentare

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  • S
    Sebastian

    Dass die Parteien sich zunehmend bemühen, Nichtwähler zu erreichen, ist sicher ehrenwert, ändert aber an der Grundproblematik nichts. Was hat der letzte Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün den weniger begüterten Menschen eingebracht? Eine massive Verschlechterung ihrer Lebenssituation.

    Dass dann zunehmend der Glaube Einzug hält, es sei ohnehin egal, wer regiert, ist mehr als nachvollziehbar.

    Die Politik muss das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen. Und das dauert naturgemäß eine Weile...

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    So einen kenntnisfreien Kommentar habe ich selten gelesen!

     

    Schon mal darüber nachgedacht, was Neoliberalismus ist und welche "Spuren" er im Parteienspektrum hinterlassen hat?

     

    Schon mal etwas von der neoliberalen Einheitspartei CDUSPDFDPGRÜNE gehört, die sich in zentralen gesellschafts-, fiskal-, wirtschafts- und Militärpolitischen Fragen nicht mehr unterscheiden?

     

    Ist es da verwunderlich, wenn Menschen von diesem Brei die Schnauze bis zum Anschlag voll haben und sich fragen, warum soll ich eine dieser Parteifassaden wählen, wenn doch immer nur dasselbe drin ist.

     

    Das Totalversagen der Medien und vieler Journalisten verschärft das Problem.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die Wahlbeteiligung sinkt dort extrem, wo frueher SPDKlientel war. Bildungsfern, Unterschicht usw und das, weil die eben nicht doof sind.

     

    SPD gruendet einen think tank nach dem andern, traeumt von internationaler Vernetzung der tanks; das ist alles top down, Schroeder immanent und Schroeder light somit. Das macht von den verlorenen Klientel keiner mit.

     

    Dann noch die Haemmer, die CDU klaue bei der SPD, wo hat sich denn Schroeder mit Hartz IV usw kraeftig bedient, das war doch die Totalverbiegung, wo die FDP die Buergerrechte in Gefahr sah - die Klientel sind verprellt und weg. Think tanks holen die nicht wieder.

     

    Verlaesslichkeit, Verbindlichkeit, usw usw usw sind Unterschichtideale inkl ehrlicher Haeute, think tanks sind das schon qua Analyse nicht, da wird Wissenschaft gedreht wie man s braucht. Buergerbeteiligung ist eine Floskel, die qua Ignoranz gar nicht gewuenscht ist. Ausser als Inszenierte. Alleds noch viel schlimmer kennt man die Themen und hat sich eingearbeitet. Desillusionierend.

  • N
    Nichtsnutz

    die einzige Chance ist doch, endlich auch mal tabuisierte Themen journalistisch anzusprechen, wie z.B. ja jetzt mit monströsen Nebenverdiensten und abartigen Gagen, und der leisen Anmerkung das aber da ganz schön viele Paradieschen auf der Welt existieren.

    Und warum nicht auch langsam mal, das diese Demokratie keine ist, und sowieso in dieser Wirtschaftsdiktatur nur noch ein klein bißchen notdürftig repariert wird (wie bei meiner Hausverwaltung), und halt wenn´s sein muß, weil jemand das Thema dummerweise angeschnitten hat. Sollen die Leute doch denken das die süßen Grünen oder die Linkspartei irgendwelche Änderungen vornehmen können. Jeder kann informiert sein, unsere journalistischen Arbeiter machen ihre Sache doch gut, man muß sich ja nur das richtige raussuchen, und sieht dann doch wie das System hier eben diktatorisch regiert wird. Vielleicht sollte ich ja mal versuchen in irgendwelche Ausschüsse oder Gremien, oder ich weiß nicht was es sonst noch an "transparenten" Demokratieeinrichtungen gibt, zu kommen. Naja, so als Hartz-IV-Sympathisant ist es wohl doch ein wenig arg verträumt....vielleicht sollte ich mir erst einen anständigen Zeitarbeitsjob mit Untermhartz-Entlohnung suchen um wieder in die "Gesellschaft" integriert zu sein. Dann!! Dann geht´s bestimmt!

  • S
    sarko

    "Es klingt platt, ist aber in diesem Fall wahr: Nichtwähler gehen uns alle an."

    Der Schlußsatz klingt nicht nur platt , Herr Schulte , er ist total beknackt . Und das nicht nur logisch : - zu den "uns allen" gehören wohl auch die Nichtwähler , oder ?

    Und dann ,Herr Oberlehrer , gibt es weder eine Bürgerpflicht , zu wählen , noch eine moralische .

    Vielen allzu vielen reicht noch "Das kleinere Übel wählen" . Das vorhandene "Format" Demokratie aber

    i s t als Verwaltungsabteilung und siamesischer Zwilling des kapitalistischen Systems das Übel , zusammen mit Letzterem auch unaufhaltsam im Niedergang begriffen . Politik firmiert als Krisenverwaltung , als alternativloser Merkelismus .

    Wozu in aller Welt noch "wählen"?

  • F
    Friedenstaube

    Liebe taz-Redaktion!

     

    Vielleicht wäre es ja keine schlechte Idee, nach Art Ihrer Kolumnen gelegentlich oder regelmäßig einzelne Politiker vorzustellen, die Vorbildfunktion haben könnten? Die sinnvolle Ziele (was immer das letztlich sei) erfolgreich durchsetzen, die nicht nur machtgeile Egomanen sind, sondern den Blick auf die einfachen Menschen nicht verloren haben?

     

    Das wäre doch vielleicht mal eine Maßnahme, um den Politikfrust zu verringern...

  • V
    vjr

    Die Frage ist doch: Warum darf man bloss nur Parteien wählen?

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    sagte das langjährige Parteimitglied: In der Partei sind so viele Menschen, und jeder hat seine Meinung. Mit mir selbst bin ich oft nur zu 51% zufrieden. Wie könnte man da erwarten, die Zufriedenheit mit einer Partei könnte höher sein?

     

    Die Kultur einer sachlichen Auseinandersetzung beinhaltet auch das Bemühen, den anderen zu verstehen. Diese Mühe hat mit Klatschveranstaltungen und sinnlosen Ratesendungen wenig gemeinsam.

  • N
    Nichtwähler

    Würden Wahlen was ändern, dann hätte man sie längst verboten, die Menschen die noch zur Wahl gehen, die tun mir leid, aber einem Blindem kann man nicht helfen

  • DN
    demokratischer Nicht-Wähler

    1.) "Nichtwähler wählen die Wahlgewinner."

    oder ähnlich beliebt:

    2.) "Nichtwähler begünstigen die rechtsradikalen Parteien."

    Beides oft gehört und trotzdem falsch.

    Zunächst einmal schadet das Nicht-Wählen vor Allem der Partei die dadurch eine Stimme weniger bekommt. Wenn man nun eine sonst gleiche Beteiligung unterstellt werden von der dadurch entstehenden Verschiebung alle übrigen Parteien gleichermaßen profitieren. Die unterstellte Begünstigung des Wahlgewinners kann also nur davon ausgehen, dass Nicht-Wähler signifikant anders wählen würden als die Wählenden.

    In ähnlicher Weise unterstellt Argument 2 den Nicht-Wählern eine insgesamt gemäßigtere Position als dem Durchschnitt. Der Denkfehler besteht vermutlich in der Annahmen, dass die Rechtsradikalen einen harten Kern haben, der sich in jedem Fall beteiligt. Den allerdings gibt es in proportionaler Entsprechung auch bei allen anderen Parteien, allein schon durch deren Mitgliederbasis.

     

    Es ist schon eigenartig, dass Leute pro Beteiligung argumentieren, aber offenbar trotzdem nicht wirklich durchblicken was sie tun und fordern.

  • UW
    Ungebildetes Wahlvieh

    "Gebt Ihnen nur soviel das sie nächsten Tag wiederkommen müssen." (Bukowski)

    Mit 8,50€ Stundenlohn seinen Beitrag am Gemeinwohl als Möbelpacker,

    Gedanken machend,

    Rücken schmerzend,

    die Familie liebend.

    Weltwirtschaftskrise angst verbreitend

    die Lohnerhöhung kann nicht sein.

    Fachkräfte brauchend

    ich bin nichts ich bleib daheim.

     

    Wahlen das ist etwas für die feinen Herrschaften und nicht für das Gesindel wie mich!

  • H
    Holländer

    Bei eine Wahlbeteiligung von 50% könnte man doch die Zahl der der Parlamentssitze halbieren.

  • A
    Arne

    Was soll der Unjterschied zwischen Parteien und Bevölkerung sein? Es kann doch jeder mitmachen bei Parteien.

     

    Oder etwa nicht?

    Natürlich nicht und da liegt das Problem. Um an Parteisitzungen teilnehmne zu können, muss man mobil sein, regelmäßige Arbeitszeiten haben und auch das Geld haben, vom Ort A nach B zu kommen und ggf. in den Kneipen, in denen sich das "Volk" trifft auch Bier zahlen zu können. Sowas ist im Hartz IV-Satz schon mal nicht vorgesehen und ich kann mir auch was schöneres vorstellen, als mein bisschen Freizeit, die ich noch habe, mit nöhlenden Nichtrauchern zu verbringen.

    Meine Mitarbeit an Parteien habe ich eingestellt, als ich in den Schichtdienst musste. Auf die modernen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen sind Parteien, nicht mal Linkspartei, kaum eingestellt. Parteien sind nur noch was für Gutverdiener mit kurzen und regelmäßigen Arbeitszeiten.

     

    Der einzig vernünftige Vorschlag kam in letzter Zeit von den Piraten, so etwas wie eine dauernde Mitgliederversammlung online durchzuführen. Da kann sich jeder zu den Zeitpunkten beteilligen, die ihm recht sind, wenn er Zeit hat. Nachdem bei den Piraten aber auch schon wieder die ersten Organisationstypen sich herausgebildet hatten, wurde dieser Vorschlag natürlich abgelehnt.

     

    Desweiteren muss man auch mal sehen, dass der einzelne seine engere Umgebung besser abschätzen kann als einen ganzen Staat oder einen Kontinent. Die heutige Demokratieform ist eh von gestern. Eine Räterepublik, und zwar auf demokratischer Grundlage, wäre eher empfehlenswert. Und natürlich die Freiheit für jede Nation, jedes Bundesland, jede Gemeinde, jeden Ortsteil etc. sich aussuchen zu können, ob er Gesetze von oben gemacht übernehmen will oder eigene Lösungen möchte.

     

    Dann brauchen wir auch keine Parteien mehr, denn:

    Die Partei, die Partei ist immer schlecht.

  • VB
    Volker Birk

    Die Parteien müssen sich sehr wohl vorwerfen lassen, Schuld an den vielen Nichtwählern zu sein.

     

    Sowohl die CDU/CSU, wie auch die FDP, die SPD und sogar die Grünen folgen strikt der marktradikalen Variante neoliberaler Ideologie. Damit unterscheiden sie sich zwar noch pro forma in den Parteiprogrammen, in der tatsächlichen Politik treten sie jedoch schon fast wie ein und dieselbe Partei auf.

     

    Es ist erschreckend, dass diese Parteien sich alle im geradezu perversen ESM-Vertrag einig sind, und somit sowohl das ”Retten” der Spekulanten durch Begleichen derer Spielschulden mit Steuermitteln als auch das Einführen der “marktkonformen Demokratie” zementierten.

     

    Wenn alles angeblich “alternativlos” ist, wozu dann Wahlen?

     

    Und die einzige Partei im Bundestag, die nicht auf Linie ist, die ein alternatives Programm vorlegt und auch glaubwürdig vertritt, wird von allen anderen Parteien als Paria behandelt, vom grössten Teil der Medien diffamiert: die Linkspartei. So entsteht eben kein Gefühl einer wirklichen Wahl.

     

    Die Piraten müssen dagegen erst einmal zeigen, wo die Reise hingeht. Mit der neuen Geschäftsführerin Nocun besteht zwar nun Hoffnung, jedoch noch nicht mehr.

     

    Wenn die Menschen jedoch (wie ich meine: völlig zurecht) die Lage so einschätzen, dass bis auf die Linkspartei gar keine wirkliche Wahl besteht, wieso sollten sie dann zur Wahl gehen?

     

    Die SPD hat sich gerade die Frage gestellt, weshalb so viele Menschen nicht mehr SPD wählen, oder gleich gar nicht zur Wahl gehen. Dabei sind die beiden Hauptgründe bei dieser Partei offensichtlich:

     

    Steinbrück und die Agenda 2010.

     

    Ist das wirklich so schwer zu begreifen?

  • AO
    Aleksandr Orlov

    Nichtwähjler wählen den Wahlgewinner.

     

    Und was genau wäre heute anders, wenn die Nichtwähler bei der letzen Wahl statt Mutti Merkel den Guantanameier gewählt hätten?

    Nichts?

    Was würde denn im September anders, wenn man statt Mutti den Problempeer wählte?

    Wieder nichts?

    Eben!

    Bietet den Wählern eine klare Alternative und die Leute gehen wieder wählen!

     

    Die Politiker machen sich auch keine Sorgen. Die tun nur so.

    Solange die Wahlkampfkostenerstattung sich nicht an den abgegebenen Stimmen orientiert, sondern am proportionalen Antil der Wahlbeteiligten, ändert sich das auch nicht. Nur am Geld kann man sie kriegen, und den Punkt haben sie unter dem großen Schwarzen aus Oggersheim elegant umschifft.

  • D
    denkmalnach

    Nichtwählen elitär und sexy? Was noch, dekadent? Warum wird hier eine ernstzunehmende Form des Protests veralbert? Ich kann mir kaum etwas gefährlicheres für den aktuellen politischen Zustand vorstellen, als den Politikern durchs Nichtwählen die Legitimation zu entziehen. Und das zurecht. Es sind nicht Journalisten schuld, wenn die Politik(er) als machtgeile Egomanen dargestellt werden, ss sind die Politiker selbst! Da muss wohl echt nochmal das Zitat aus der FAZ her: "Wenn ein so gewaltiger Lebensbereich wie die Wirtschaft, die noch dazu viele weitere Lebensbereiche tyrannisch bestimmt, der gesellschaftlichen Gestaltungskraft entzogen wird, ist auch die Demokratie sinnlos. Eine Demokratie, die sich darauf beschränkt, Rauchverbote in Gaststätten zu erlassen oder die Helmpflicht von Radfahrern zu diskutieren, also dem gegenseitigen Gängelungsverhalten der Bürger nachzugeben, aber die eine große Macht, die alle gängelt, nicht beherrschen kann, ist das Papier nicht wert, auf dem ihre Verfassung gedruckt wird." Echte Demokratie ist toll, aber auf eine Demokratie wie wir sie derzeit erleben kann man auch verzichten.

  • WS
    winston smith

    "Nur die allerdümmsten Kälber

    Wählen ihre Metzger selber"

     

    Wie frei ist eine Wahl, bei der wir uns nur zwischen ein paar vorselektierten Fremden entscheiden können?

    Warum sollen wir uns andere aussuchen, die über unser Leben bestimmen, anstatt es einfach selbst zu tun?

     

    Wenn wir einzelnen Menschen Macht geben, werden sie diese zu ihrem eigenen Wohl ausnutzen, das haben die alte und die junge Geschichte mit repetiver Regelmäßigkeit gezeigt. Wird diese Tatsache etwa dadurch zunichte gemacht, dass wir alle vier Jahre ein paar neue Herrscher wählen?

     

    Die parlamentarische Demokratie ist Gescheitert. Macht darf nicht delegiert werden, denn wo immer sie sich konzentriert, wird sie für egoistische Belange genutzt.

    Wo das "Volk" zwischen vorselektierten Kandidaten wählt, die Heere an Lobbyisten aber am Ende das letzte Wort haben (denn sie treiben sich in Bundestag und EU-Parlament herum, nicht das "Volk"), darf nicht von einer "Volksherrschaft", sondern vielmehr von einer WIRTSCHAFTSHERRSCHAFT gesprochen werden.

     

    Wer nun also keinen Sinn darin sieht, sich (als eineR von Millionen) aus einer Liste belangloser Figuren und Vereine die am wenigsten schlimmen herauszusuchen und dann darauf zu hoffen, dass diese für die nächsten vier Jahre möglichst wenig Schaden anrichten, hat mein vollstes Verständnis.

  • DN
    demokratischer Nicht-Wähler

    Die grundlegende Fehlannahme des Artikels besteht darin post-demokratische Zustände mit Demokratie zu verwechseln. Verfassung und Institutionen geben zwar vor den 'Willen des Volkes' (nicht der Bevölkerung) zu beachten und zu repräsentieren. Tatsächlich aber werden die Gesetztesentwürfe in der Ministerialbürokratie in immer exzessiverem Maße von Lobbyisten ausgearbeitet und immer häufiger wortgleich verarbschiedet.

    Die Haushaltspolitik beschränkt sich darauf vorgeblich 'alternativlose' Beschlüsse abzunicken, die letztlich auf eine Umverteilung von unten nach oben hinauslaufen. Und dass die Politiker*innen nicht begreifen oder zugeben wollen, dass Alternatvlosigkeit letztlich das Gegenteil von Politik, also ihrer eigentlichen Aufgabe, ist, ist so traurig wie lächerlich.

    Die zwite Linie, neben dieser Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie, ist der Umbau des nachträglich strafenden Rechtsstaates in den präventiv intervenierenden Sicherheitsstaat. Unter dem Vorwand der Terrorabwehr wird eine immer lückenlosere Sicherheitsarchitektur implementiert, die für die theoretisch möglichen Schäden durch Anschläge absurd überdimensioniert ist und - wohl teils gewollt, teils in Kauf genommen - zur Überwachung, Disziplinierung und Normierung der Bevölkerung führt. Grundrechte gelten dabei natürlich weiter, zumindest so lange sie Staat und Behörden nicht hinderlich sind.

    Auch wenn dies nur die beiden zentralen Fehlentwicklungen, neben Willkür und Verfassungsbrüchen jedweder Art, darstellt, sind diese in ihrer Kontinuität doch ausreichend um zu erkennen, dass es sich eben nicht um parteipolitische/-spzifische Ausrutscher sondern um systemimmanente Probleme handelt.

    Entsprechend kann die Legitimation des Systems (nicht dieser oder jener Partei) die eine Beteiligung an der Wahl zu Ausdruck bringt keine ethisch vertretbare Option sein. Bleibt zu hoffen, dass die sich verschärfende Legitimationskrise eine Redemokratisierung der politischen Strukturen wenigstens mittelfristig anzustoßen vermag.

  • RS
    Ralf Schmidt

    Nichtwähler wählen die Wahlgewinner.

    Die Nichtwähler der letzten Bundestagswahl haben Frau Merkel gewählt. Die Nichtwähler der letzten Lantagswahl in Baden-Württemberg haben Grün-Rot gewählt.

    Ausser den Parteien im Bundestag, gibt es so viele verschiedene Parteien: Piraten, ÖDP, MLPD, NPD, DKP, Violette, ...

    Wer Protest wählen will, hat viele Möglichkeiten seinem Protest für die nächsten fünf Jahre Ausdruck zu geben und nicht nur für den Wahlabend, an dem nur noch der Sieger zählt, denn nach der Wahl interessiert noch nicht einmal die Wahlbeteiligung.

  • T
    Torben

    Unser gegenwärtiges politisches System verlangt, dass ich einer der zur Wahl stehenden Parteien für eine gesamte Legislaturperiode meine Stimme verleihe. Tut mir Leid, kein Vertrauen und mit Blick auf die Vergangenheit meine ich zu Recht zu bezweifeln, dass diese Herrschaften dem Gemeinwohl dienen oder auch nur zu dienen versuchen.

     

    Ich hoffe, eine neue Demokratisierung der politischen Prozesse des 21. Jahrhinderts durch Liquid Delegation noch erleben zu dürfen.

     

    Bis dahin gehe ich selbstverständlich weiterhin wählen, sehe aber nicht, wem ich Legitimation verleihen könnte ohne es hinterher schwer zu bereuen und mache den Zettel daher ungültig. Damit erspare ich mir auch, unter den Wahlversprechen und Sonntagsreden die besten Märchen heraussuchen zu müssen.