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Kommentar Waffen nach Saudi-ArabienExportstopp mit Verfallsdatum

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Nach dem Khashoggi-Mord will die Große Koalition Waffenexporte nach Saudi-Arabien einstellen. Doch schon bald könnten sie weitergehen.

Made in Germany: Patrouillenboot für Saudi-Arabien Foto: dpa

H at ganz schön gedauert: Seit über drei Jahren führt Saudi-Arabien in Jemen Krieg, vor zehn Monaten wollte die Große Koalition eigentlich schon alle Waffenexporte in Richtung Riad einstellen, aber erst jetzt wird sie den Plan auch wirklich umsetzen. Besser spät als nie, danke Merkel, aber ein bisschen schneller hätte das schon gehen können.

Zur Erinnerung: Der Jemenkrieg, maßgeblich von den Saudis mitverantwortet, hat eine der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart ausgelöst. Nach UN-Angaben sind 22 Millionen Einwohner von Hilfsgütern abhängig, Zehntausende Zivilisten sind im Krieg gestorben. Deutsche Waffen sind mittendrin: Die jemenitische Armee bekommt aus Saudi-Arabien deutsche Gewehre, die saudische Luftwaffe fliegt Angriffe mit Tornado-Flugzeugen und Patrouillenboote aus deutscher Produktion sind offenbar Teil der Seeblockade gegen jemenitische Häfen. Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen Waffenlieferungen aus Deutschland und dem Leid der Menschen im Jemen – und doch konnte sich die Bundesregierung erst jetzt zu einem rigorosen Exportstopp durchringen.

Nicht, um den Einsatz deutscher Waffen im Krieg zu verhindern. Sondern als rein politisches Druckmittel, um Aufklärung im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi zu erzwingen. Der Zweck ist natürlich ehrenwert: Es beruhigt zu wissen, dass es die Bundesregierung nicht einfach hinnimmt, wenn ein Partnerstaat im Ausland einen missliebigen Journalisten tötet. Das Mittel könnte auch effektiv sein: Vor allem, wenn sich andere europäische Staaten am Exportstopp beteiligen, wird das die saudische Regierung schmerzen.

Das Druckmittel ist aber auch begrenzt. Sobald der Anlass wegfällt – weil der Fall Khashoggi aufgeklärt ist, weil sich die saudischen Behörden entschuldigen, vielleicht sogar, weil die Ermittlungen nichts ergeben und der Fall in Vergessenheit gerät – könnten die Waffenlieferungen weitergehen. Ob der Krieg im Jemen dann noch läuft oder nicht, spielt dafür keine Rolle.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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6 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Habe den Kommentar meines 'Vorschreibers' @PFANNI nicht verstanden. Zuviel Instant.

    Was kann die Deutsche Regierung und die Deutsche Rüstungsindustrie dafür, dass es in Deutschland noch ein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt? Und dass dieses auch in Anspruch genommen wird?

    Für das Äußern moralischer Bedenken sind ausschießlich jene zu loben, die diese auch äußern. Während im Windschatten dieser Moralisten (für mich ein überaus positiver Begriff) morallose Ökonomisten ihre dreckigen Geschäfte machen.

    Das nenne ich Arbeitsteilung.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      @WOLFGANG LEIBERG: „Was kann die Deutsche Regierung und die Deutsche Rüstungsindustrie dafür, dass es in Deutschland noch ein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt? Und dass dieses auch in Anspruch genommen wird?“



      Das verstehe wiederum ich nicht. Wenn „die Deutsche Regierung“ dieses Recht hätten abschaffen wollen, dann hätte sie das getan, so wie es anderswo längst geschehen ist (die Rüstungsindustrie kann übrigens keine Gesetze erlassen oder abschaffen, auch nicht den §5 GG (Meinungsfreiheit).



      Ihrem Satz: „Für das Äußern moralischer Bedenken sind ausschließlich jene zu loben, die diese auch äußern“ kann ich voll zustimmen. Auch wenn der „Mut“, den es hierzulande erfordert, hauptsächlich darin besteht, sich von der Couch zu erheben und tätig zu werden.



      Denn anderenfalls müssten die von Ihnen „morallose Ökonomisten“ genannten Leute nicht im „Windschatten“ agieren, sondern würden bei ihren „dreckigen Geschäften“ noch wegen ihres (angeblichen) Patriotismus gelobt!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Pfanni:

        Nachdem Sie es mir so richtig gezeigt haben, dass die deutsche Rüstungsindustrie keine Gesetze erlassen kann (wo habe ich das geschrieben?): wieso schleichen Sie um den heißen Brei herum?

        Weder die Rüstungsindustrie der USA noch die Einstellung der Waffenexporte von Russland nach Syrien sind hier das Thema.

        Was halten sie von einem Exportstopp nach dem Kashoggimord? Bitte keine weiteren Nebelkerzen - wenn's Recht ist.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Zu 1.: „…, dass die deutsche Rüstungsindustrie keine Gesetze erlassen kann (wo habe ich das geschrieben?)“



          Hier nochmal Ihr, etwas verschrobelt formulierter, Satz: „Was kann die Deutsche Regierung UND DIE DEUTSCHE RÜSTUNGSINDUSTRIE dafür, dass es in Deutschland noch ein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt?“. Die Rüstungsindustrie kann, wie Sie richtig vermuten, ohnehin nichts dafür und auch nichts daran ändern, eben weil sie keine Gesetzgebungskompetenz hat. Die Regierung könnte das sehr wohl: Sie müsste nur den BT überzeugen, mit zweidrittel Mehrheit den §5 GG (Meinungsfreiheit) abzuschaffen. Tut sie aber nicht!



          Zu 2.: „Was halten sie von einem Exportstopp nach dem Kashoggimord?“ – Ich halte sehr viel davon, unabhängig vom Kashoggimord! Aber das wird nicht zum Ende des Jemen-Krieges führen, was doch das eigentliche Ziel sein müsste. Denn andere Lieferanten (z. B. USA, Russland, …) sitzen in den Startlöchern, um einzuspringen. Funktionieren würde es nur, wenn die UNO dies beschließen würde UND ALLE STAATEN SICH DARAN HALTEN WÜRDEN. Aber da besteht keine Hoffnung, wie die Vergangenheit oft genug gezeigt hat.

  • Es sollte ruhig mal erwähnt werden, dass D. zu den wenigen Staaten auf der Welt gehört, in denen moralische Bedenken betreffs Waffenexporten überhaupt öffentlich geäußert werden! Anderswo geht es eher um die Arbeitsplatzsicherung in der Rüstungsindustrie (USA-Trump).



    Oder nehmen wir Russland: Als vor einigen Jahren die Verbrechen des Assad-Regimes an der eigenen Bevölkerung bis vor die UNO kamen und die Einstellung der Waffenexporte an das Assad-Regime gefordert wurden, ging diese Forderung auch an Russland. Putin tat sehr erstaunt: Syrien sei doch international anerkannt und es gäbe gültige Verträge, wo also sei das Problem?



    Wahrscheinlich denkt man in der Bundesregierung: Von „Freunden“ lernen, heißt siegen lernen! Denn auch Saudi-Arabien ist international anerkannt und gültige Verträge gibt es wohl auch.

  • Ob Kashoggi oder nicht: Waffenexporte in Kriegsgebiete sind illegal. Hier ein Super Win-Win Vorschlag: Als Entwicklungshilfe um-gewidmet werden die von Saudiarabien bestellten Küstenwachboote westafrikanischen Staaten im Rahmen der Entwicklungshilfe für 0 Euro zur Verfügung gestellt um die Raubfischerei vor ihren Küsten durch EU, Chinesische und Russische Raubfischer zu begrenzen. Dadurch fielen übrigens etliche Fluchtursachen weg ("Wir müssen ja die Ursachen bekämpfen!): Die Fischer könnten sich und andere im Land wieder selbst ernähren. Könnten einfach dort wohnen bleiben... Die Beschäftigten im deutschen Schiffsbau hätten trotzdem alle Hände voll zu tun! Und laut "Tagesthemen" macht der Waffenexport nach Saudiarabien eh nur einen "winzigen" Teil der Rüstungsgeschäfte Deutschlands aus. Wer hat was dagegen???