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Kommentar WM-EröffnungSieg für Dilma

Andreas Behn
Kommentar von Andreas Behn

Brasiliens Präsidentin ist zufrieden: Die Polizei hat alles im Griff. Außerdem profitiert Dilma Rousseff davon, dass die Protestler kein gemeinsames Ziel haben.

Darf sich freuen wie ein Honigkuchenpferd: Dilma Rousseff. Bild: reuters

A bgesehen von den Pfiffen im Stadion lief alles so, wie es sich Präsidentin Dilma Rousseff vorgestellt hatte. Oder wie sie befohlen hatte. Die Seleção hat gewonnen. Von den Busfahrern in Natal abgesehen, gab es keine sichtbaren Streiks. Die Demos waren alle klein, keine reichte an 5.000 Leute heran. Und die Polizei ging kompromisslos hart gegen Protestler vor.

4:1 für die Präsidentin. Das Foulspiel fällt auch nicht weiter ins Gewicht: Vier Journalisten wurden in São Paulo leicht verletzt, darunter zwei von CNN und ein Argentinier von AP. Der Einsatz von Gummigeschossen und Blendgranaten wurde von Amnesty International als „unverhältnismäßig“ kritisiert, auch Presseverbände murrten.

Rousseff kann also hoffen, dass die Vorhersagen stimmen, dass es nicht wieder zu Massenprotesten gegen die Milliardenkosten der WM kommen wird. Zwar war auch im Juni 2013 zum Auftakt des Confed-Cups noch alles recht ruhig. Doch diesmal ist die Politik vorbereitet.

Das zeigt auch das Beispiel der größten Obdachlosen-Organisation MTST, die in den vergangenen Wochen schon mal über 20.000 Menschen auf die Straßen brachte: Nachdem die Regierung drei ihrer Forderungen in Sachen sozialer Wohnungsbau und Dialogbereitschaft bei Räumungen erfüllte, sagte der MTST zu, während der WM keine Großdemonstrationen mehr zu veranstalten.

Protestwille und Fußballfieber

Es ist aber nicht so, dass der einstige Unmut und Protestwille nun vom Fußballfieber abgelöst und ausgelöscht wurde. Viele Fans, die jetzt nur ans Jubels denken, sind nicht gegen die Proteste. Nur gegen die Gewalttäter, die Vandalen, das haben ihnen Politiker und Medien doch klar machen können.

Nein, die Proteste seien berechtigt, vieles müsse in Brasilien verändert werden, ist von den meisten zu hören. Wer ist schon für korrupte Politiker und gegen bessere öffentliche Dienstleistungen? Das Problem dabei ist, dass die Ziele des Protests recht unterschiedlich definiert werden. Die einen wollen die Wiederwahl von Rousseff verhindern, andere wollen die soziale Lage verbessern, wieder andere haben einfach nur die Schnauze voll.

Das war auch schon bei der Protestwelle vor einem Jahr ein Problem. Konsens über die Probleme, aber unklar, wer oder was genau Schuld an ihnen hat. Und überhaupt kein Konsens darüber, wie die Probleme gelöst werden sollen. Nach dem ersten Spieltag ist zu befürchten, dass bald wieder die verhassten Politiker die Regie übernehmen.

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Andreas Behn
Auslandskorrespondent Südamerika
Journalist und Soziologe, lebt seit neun Jahren in Rio de Janeiro und berichtet für Zeitungen, Agenturen und Radios aus der Region. Arbeitsschwerpunkt sind interkulturelle Medienprojekte wie der Nachrichtenpool Lateinamerika (Mexiko/Berlin) und Pulsar, die Presseagentur des Weltverbands Freier Radios (Amarc) in Lateinamerika.
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8 Kommentare

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  • Bei der DEmo der Obdachlosen-Organisation MTST, die in den vergangenen Wochen schon mal über 20.000 Menschen....waren höchstens 1000 Leute von MST selbst, und davon nur ein Bruchteil wirklich obdachlos.

    Der Rest waren die, die Dilma nicht mehr wollen, weil sie ihnen entweder zu links ist (die alte Elite) oder nicht radikal genug (die linksradikalen Mittelstandskinder).

    Aber Dilma wird wiedergewählt werden, der PT und Lula sei Dank.

  • Die veröffentlichte Meinung scheint eine andere zu sein wie die Meinung vieler Menschen.

     

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/06/13/fussball-wm-pfiffe-und-beschimpfungen-fuer-die-praesidentin/

     

    Fußball-WM: Pfiffe und Beschimpfungen für die Präsidentin

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten | 13.06.14, 02:15 | 5 Kommentare

    Bei der Eröffnung der Fußball-WM skandierte tausende Brasilianer im Stadion Beschimpfungen gegen die Präsidentin Dilma Rousseff. Auch bei den Live-Übertragungen in den großen Städte gab es Buhrufe, als Rousseff auf den Bildschirmen auftauchte. Die Präsidentin musste auf eine Ansprache verzichten.

    • @conny loggo:

      Medien dienen den Mächtigen zur Manipulation der Masse - und Dilma (die übrigens erschreckende Parralelen zu Merkels Politik aufweist!) will die anstehenden Wahlen gewinnen, darum ist doch klar, was verbreitet werden darf!

      • @shumil:

        Aber Sie selbst gehören sicher nicht zur manipulierten Masse, werter schummil,

        oder?

  • Der Protest speist sich eben primär aus zwei Quellen:

    zum einen die alte Oberschicht, die ihre Privilegien als oberstes Ziel der Politik nicht mehr verwirklicht sieht. Die polemisiert ja schon seit Jahren gegen die PT-geführten Regierungen mit ihren Medien. Denen passt es einfach nicht, das sie selbst nicht mehr alles bekommen.

    Und zum anderen speist sich der Protest aus linksradikalen Mittelstandskindern, die selbst nie arm waren, denen aber alles nicht schnell genug geht.

    Linksradikale und Rechte Hand in Hand gegen die Regierung, das ist der Protest aktuell. Das man sich da nicht auf bestimmte Forderungen einigen kann, liegt auf der Hand. Die einzige Übereinstimmung ist der Hass auf die PT-Regierung.

    • @Bernado:

      Sie werden aber auch nicht müde, jeden Brasilienartikel mit ihrer Polarisierung von RECHTSradikal und LINKSradikal voll zu spamen!

       

      Werden Sie von der korrupten PT bezahlt, deren Führungsidole niemals links waren sondern genauso nur dem Kapital dienen und sich selbst die Taschen vollstopfen wie all die anderen auch?

      • @shumil:

        Lula da Silva ist in der Metallarbeiter-Gewerkschaft grossgeworden, er war an vielen Streiks, Aktionen, etc führend beteiligt. Dilma wurde während der Militär-Diktatur eingesperrt und gefoltert. Aber sie waren nie "links"?

        .

        Werter Shumil, Sie glauben vermutlich, das Sie selber "links" sind, oder?

  • "Protestler kein gemeinsames Ziel haben"

     

    Die einen wollen Brot, die anderen ihren Wohnraum zurück... Protest ist okay, Gewalt geht gar nicht. Und jetzt lasst doch mal die Millionäre in Ruhe kicken!