Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Unerwartet großartiges Urteil
Der Europäische Gerichtshof hat die Datenspeicherung für die deutsche Bevölkerung abgewehrt. Gut so. Kommt sie jetzt für „Gefährder“?
D ie Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben genau das gemacht, was die Politik in diesen Tagen immer fordert. Sie sind unaufgeregt ihrer Arbeit nachgegangen und haben sich von den Terroristen nicht den Kopf vernebeln lassen. Sie verteidigen unsere freiheitliche Art zu leben und wehren sich – konsequenterweise – gegen eine allgemeine anlasslose Vorratsdatenspeicherung.
Trotzdem kommt das Urteil natürlich überraschend. Während in Deutschland nach dem Berliner Anschlag reflexhaft über Verschärfungen der Sicherheitsgesetze diskutiert wird, zwingt das Urteil des Luxemburger Gerichtshofs die Berliner Bundespolitik zum Gegenteil: zur Entschärfung der erst im Dezember 2015 erneut eingeführten Vorratsdatenspeicherung.
Damit hat in Berlin schon deshalb niemand gerechnet, weil das deutsche Gesetz im EU-Vergleich (relativ) zurückhaltend war, sowohl was die Dauer der Speicherung (zehn Wochen) als auch die Art der erfassten Daten (keine E-Mails) betraf. Man hat in Berlin wohl eher damit gerechnet, dass die Gesetze anderer EU-Staaten beanstandet werden und Deutschland als Vorbild für eine ausgewogene Regelung erwähnt wird.
Aber der EuGH hat ein konsequentes Urteil gesprochen. Eine umfassende Vorratsdatenspeicherung der ganzen Bevölkerung kann nicht ausgewogen sein, wie auch immer sie im Detail ausgestaltet ist. Das Urteil ist daher ein Glanzlicht internationaler Rechtsprechung. Die Europäische Union gewinnt mit diesem Urteil als freiheitliche Wertegemeinschaft an Gewicht.
Was aber folgt aus dem Luxemburger Verdikt? Wenn eine Vorratsdatenspeicherung nicht mehr anlasslos die ganze Bevölkerung erfassen darf, für welche gut begründbaren Personengruppen kann sie dann eingeführt werden? Sicher nicht für alle Muslime. Aber für alle „Gefährder“? Das wird in den kommenden Monaten noch eine spannende Diskussion werden.
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