Zum Glück ist es mit der Unzuständigkeit des BVerfG jedenfalls in der Bundesrepublik nicht gar so einfach bestellt, wie das mitklingt:
Es ist zwar zutreffend, daß die §§ 113 a und b TKG eine Umsetzung einer EU-Richtlinie sind und grds. ganz vereinfacht ausgedrückt Europarecht nationalen Recht vorgeht. Aber es wäre fatal anzunehmen, daß Recht das als direkt oder indirekt wirkendes Europarecht erlassen wird, vollständig des Maßstabes nationalen Verfassungsrechts entzogen wäre.
1. Es wurde bei der Vorratsdatenspeicherung vom deutschen Gesetzgeber einfaches Gesetz erlassen, dem eine EU-Richtlinie zugrundeliegt, die umzusetzen war.
Selbstverständlich bleibt es dem BVerfG unbenommen, die etwaige Überschreitung der Richtlinie durch den bundesdeutschen Gesetzgeber zu überprüfen.
(Bsp.: Die Richtlinie wäre auch am GG gemessen verfassungskonform, die Umsetzung ist verfassungswidrig.)
2. Es gibt die sogenannte Solange-Rspr. des BVerfG:
Vereinfacht ausgedrückt ging das BVerfG bei Solange I noch davon aus, daß der europäische Integrationsprozeß noch nicht so weit fortgeschritten sei, daß auf EG-Ebene ein dem deutschen GG vergleichbarer Grundrechtsstandart gewährleistet sei => Überprüfbarkeit
Mit Solange II revidierte das BVerfG seine bisherige Haltung dahingehend, daß der Integrationsprozeß soweit fortgeschritten sei, daß
ein vergleichbarer Grundrechtsstandart inbs. hinsichtlich der prozessualen Grundrechte gewährleistet sei => nur noch sehr eingeschränkte Überprüfbarkeit.
Da das BVerfG jedoch seinen eingeschlagenen Kurs durchaus revidieren kann, bleibt das auch jetzt möglich.
3. Für eine völlige Fehlinterpretation halte ich den Hinweis, das BVerfG wolle irgendetwas an den EuGH signalisieren:
Es soll zwar irgend eine Klage Irlands gegen die Vorratsdatenspeicherung anhängig sein, aber meines Wissens in anderer Sache.
Wie bei jedem anderen Gericht auch, kann der EuGH nur tätig werden, wenn irgendjemand eine Klage erhoben hat. Ferner gibt es die Möglichkeit der nationalen Gerichte einen Sachverhalt/Umstand auf die Vereinbarkeit mit europäischem Recht zu überprüfen, um es dann seiner Entscheidung zugrundezulegen. Das hat das BVerfG nicht gemacht.
Und an welchem Europarecht soll denn der EuGH bitte die im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beklagten Mängel bei der Vorratsdatenspeicherung messen?
An den Grundfreiheiten des EGV oder des EUV?
Wenn überhaupt stände in Frage, ob die Vorratsdatenspeicherung möglicherweise auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar sein könnte. Dann aber wäre der EGMR zuständig.
Die entscheidende Frage ist, ob auf europäischer Ebene inbs. nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages tatsächlich ein dem deutschen vergleichbarer Grundrechtsstandart zugrundegelegt werden kann, wie das bei Solange II zunächst angenommen wurde.
Ohne mir eine europafeindliche Rspr. des BVerfG zu wünschen, sind EG wie EU auch diesbezüglich in einer schwierigen Phase.
Es kann nicht sein, daß Gesetze, die Regierungen wünschen, die aber im nationalen Parlament nicht durchzusetzen sind und/oder gegen nationales Verfassungsrecht verstoßen könnten, über die Hintertüre Europa eingeführt werden.
Besonders beliebt soll das angeblich für diverse Pakete im Kampf gegen den Terrorismus auf der intergouvermentalen Ebene der Dritten Säule sein; hier benötigt man noch nicht einmal mehr das Europaparlament.
Es wäre ein gravierender Verstoß gegen die Menschenrechte selbst,den Bürgern in dieser seltsamen Lücke zwischen den Zuständigkeiten von nationalen Gerichten, EuGH und EGMR vollends das Recht auf gerichtliche Überprüfung abzusprechen, weil angeblich alle unzuständig sind oder die Rspr. keine unmittelbare Bindungswirkung hat.
Interessant gerade hierzu auch die Aussage des scheidenden Verfassungsrichters Hassemer im aktuellen Spiegel 12/2008.
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