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Kommentar Vorgetäuschter Mord in KiewOperation Auferstehung

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Das war wohl nichts: Die angebliche Ermordung des Oppositionellen Babtschenko wird zur Peinlichkeit für die ukrainischen Behörden.

Wie von den Toten auferstanden: Arkadi Babtschenko bei der der Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes SBU Foto: dpa

A rkadij Babtschenko lebt! Das war die frohe Botschaft, als der totgeglaubte russische Oppositionelle am Mittwoch Nachmittag persönlich auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) erschien. Am Vortag war er durch drei Schüsse in seiner Kiewer Wohnung niedergestreckt worden – angeblich. Der Täter sei flüchtig, Auftraggeber wurden in Moskau vermutet, hieß es.

Das bietet sich natürlich an, wenn der Nachbar die Krim widerrechtlich besetzt und in der Ostukraine einen Krieg verursacht, der mehr als 10.000 Menschen bereits das Leben kostete. Ganz zu schweigen vom Abschuss des MH-17 der Malayischen Airline und Moskaus multipler Verschleierungstaktik. Russland ist Aggressor. So viel steht fest. Leider muss es wiederholt werden. Andersherum wäre es einfacher, zugegeben.

Freude und Zweifel hinterließ die erfreuliche Nachricht unterdessen. Hatte es tatsächlich Mordabsichten gegeben, hinter denen der russische Geheimdienst steckte? War die dramatische Inszenierung wirklich unumgänglich, um einen Mord zu verhindern und die mutmaßlichen Täter zu überführen? Hätte man nicht andere Wege finden können? Der ukrainische Geheimdienst feierte den Fall wie einen gewaltigen Erfolg.

Bei früheren Morden an Journalisten – Pawel Scheremet 2016 und Oles Busina 2015 – konnte der SBU bislang keine echten Resultate präsentieren.

Ukrainische und russische Rechtsverdrehungen werden nicht gleich wahrgenommen und auch nicht gleich behandelt. Der Kreml erscheint immer im Vorteil.

Der mediale Großalarm, den der Mord auslöste, setzt die Aufklärer in Kiew jetzt unter noch größere Beweislast. Sie müssen Einsichten und Erkenntnisse liefern, um Zweifel von sich abzuwenden. Gewöhnlich weigern sich Agenturen, tiefere Einblicke zu gewähren. Zieht sich die Ukraine darauf zurück, wird ihr das Stigma der Unlauterkeit lange anhaften.

Damit hätten sie allen, die vor dem russischen Regime warnen, einen Bärendienst erwiesen. Nur zu gerne werden Bedenken an Kiews Vertrauenswürdigkeit zur Verteidigung Moskauer Rechtsverstöße ins Feld geführt. Ukrainische und russische Rechtsverdrehungen werden nicht gleich wahrgenommen und auch nicht gleich behandelt. Der Kreml erscheint immer im Vorteil.

Auch Babtschenkos Glaubwürdigkeit als Journalist könnte am Ende Schaden genommen haben. Vielleicht blieb ihm keine andere Wahl. Fest steht: Der Casus Babtschenko wird wie der Einmarsch der USA im Irak 2003 – wegen vermeintlicher Vernichtungswaffen – im russischen Propagandaarsenal zum festen Bestandteil „westlicher Täuschungsabsichten“.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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8 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Faschismus, des Deutschen liebstes Kind!

  • 9G
    98876 (Profil gelöscht)

    Das deutsche Bürgertum - und das schliesst das Salon-linke Bidungsbürgertum das von der taz bedient wird uneingeschränkt ein - wird den Russen niemals ihren Sieg im 2. Weltkrieg vergeben. Dass die asiatisch-bolschewistischen Untermenschenmassen am Ende gewonnen haben und sich auch noch erlaubt haben Auschwitz zu befreien und damit die Urschande des gediegenen deutschen Bürgertums mit ihren dreckigen Händen ans Licht zu bringen - das wird man ihnen niemals vegeben....

    Die Russen waren erst rassisch minderwertig, dann die Kommunisten und heute echauffiert sich der pseudointellektuelle taz-Bürger über ihre Homophobie und Frauenfeindlichkeit. Amüsant, wie der Grund warum man die Russen verachten darf sich gemäss dem jeweilgen Zeitgeist fliessend ändert.

    Das ist übrigens auch der wahre Grund für die hündische Ergebenheit des deutschen Bildungsbürgertums gegenüber den Amerikanern - so sollen die Russen als Sieger des 2. Weltrieges quasi ausgeblendet werden. Der Artikel ist ein schönes Beispiel für die intellektuellen Defekte die das deutsche Bildungsbürgertum im Laufe der Zeit ausgebildet hat.

    • @98876 (Profil gelöscht):

      "Das deutsche Bürgertum - und das schliesst das Salon-linke Bildungsbürgertum das von der taz bedient wird uneingeschränkt ein - wird den Russen niemals ihren Sieg im 2. Weltkrieg vergeben. "

       

      Ich glaube nicht, dass das der Grund der Russenphobie insbesondere der transatlantisch orientierten sogen. Bildungsbürger, die Wut über den Sieger des 2. Wk ist. Vom Angriffskrieg gegen Serbien, der Zerschlagung Jugoslawiens, den alten "Kameraden" im Balkan bis hin zu den Putschisten in der Ukraine, folgt ein Teil des deutschen Bürgertums genau den geostrategischen Vorstellungen der USA und verklärt jeden Putsch zur Demokratiebewegung und verteufelt jedes Referendum zugunsten Russlands (Krim) als Okkupation. Hilfreich dabei ist Geschichtsklitterung und das Herunterspielen der Rolle der damaligen Sowjetunion bei der Befreiung vom Faschismus einschließlich der Befreiung der Überlebenden von Ausschwitz. Ca. 25-30 Millionen tote Bürger der damaligen Sowjetunion, ermordet durch deutsche und verbündete Faschisten, nicht zuletzt aus der Ukraine, spielen da keine Rolle für den deutschen "Bildungsbürger".

      Ich glaube, es ist schlicht und einfach mangelndes Geschichtsbewusstsein, das die Saat legt für neue Feindseligkeiten und die unterwürfige Haltung gegenüber US-amerikanischen Hegemonialinteressen.

       

      Wenn man momentan das hilflose Gebrabbel der deutschen Medien zum Fall Babtschenko betrachtet, wird deutlich, was ich meine. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

  • Ich bin schon gespannt, was uns die Freunde der Ukraine, der Oligarchen und der Faschisten in den nächsten Tagen präsentieren werden.

  • "Auch Babtschenkos Glaubwürdigkeit als Journalist könnte am Ende Schaden genommen haben."

     

    Besonders, wenn er sich vor einem Symbol ukrainischer Faschisten fotografieren lässt :-)

  • Es ist schon immer wieder aufs neue interessant, welche Verrenkungen man bei diesem Thema regelmäßig beobachten kann. Dass man bei diesem Theater primitivster Machart, zu angeblicher russischer Propaganda schwenken kann, offenbart eine beneidenswerte Fantasie.

     

    Und ja, es ist schon bitter, dass die Lügen die zum Irakkrieg führten, nun zum "russischen Propagandaarsenal" gehören. Der Krieg selbst war ja nicht so schlimm. Vielleicht blieb den USA ja auch keine Wahl?

     

    Der ukrainischen "Revolution der Würde" und ihren Supportern wünsche ich weiterhin gutes Gelingen. Ehrlich!

    • @peterdermueller:

      Da schließe ich mich an.

       

      Und bedauere den armen Arkadij Babschtenko. Erst verfolgt von der mafiösen russischen Regierung und nun benutzt von der mafiösen ukrainischen Regierung, die sich den Aufstand des Maidan skrupellos unter den Nagel riss.