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Kommentar VolksentscheideDem Volk aufs Maul

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Politiker scheinen genervt vom Volk, das mitbestimmen will. Die Berliner SPD lässt eine Basisinitiative zur Mietenpolitik jetzt gerichtlich prüfen.

Vor der Senatsinnenverwaltung in Berlin, wo 48.500 Unterschriften für die erste Stufe des Volksentscheids abgeben wurden. Foto: dpa

E s ist ein Jammer. Fast 50.000 BerlinerInnen engagieren sich und unterschreiben für eine bessere Mietenpolitik. 50.000, das sind mehr als doppelt so viele, wie in der ersten Stufe eines Berliner Volksentscheids benötigt würden. Und was macht die SPD? Der wird das alles zu viel. Jetzt soll erst mal das Verfassungsgericht klären, ob der Bürger das überhaupt darf, Politik mitbestimmen, auch wenn sie etwas kostet. Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, haut die SPD ihm eins drauf. Na super.

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn vor einem Volksentscheid geklärt wird, ob der auch verfassungsgemäß ist. Das Problem in Berlin aber ist: die SPD schmeißt nahezu jeder Basisinitiative Knüppel zwischen die Beine.

Mal verhindert sie, dass die Abstimmung zeitgleich mit einer Wahl stattfindet, damit die Hürde der Mindestbeteiligung nicht so leicht geknackt wird. Mal torpediert sie Bürgervoten auf Stadtteilebene, indem sie den Gegenstand kurzerhand zur übergeordneten Landespolitik erklärt. Mal fleht sie wie jetzt um den Beistand der Gerichte.

Und immer ist da dieses permanente Grundbeleidigtsein: Die Politik nimmt dem Volke übel, dass sie nicht mehr allein entscheiden darf. Ein Phänomen, das quer durchs Land bei Regierenden zu beobachten ist, ganz egal ob sie rot, schwarz, grün oder anderweitig kleinkariert sind. Bei den seit 27 Jahren dauerregierenden Hauptstadtsozen fällt es aber besonders ins Auge, dass sie einer richtig nervt: der mitbestimmungswütige Souverän.

Dringend nötig wären klarere Regeln für den Umgang zwischen Volk und Volksvertreter. Eine könnte lauten, dass Basisinitiativen grundsätzlich von einem unabhängigen Gericht geprüft werden. Aktuell würde das in Berlin nichts ändern – außer dass Politiker weniger über ihr blödes Volk schimpfen würden. Aber deren Genörgel erhöht eh nur eins: die Politikerverdrossenheit der Wähler.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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9 Kommentare

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  • am besten ein voksentscheid zur abmahnung einer partei falls sie die grundrechte der bürger auszuhebeln versucht, denn das hat ncihts mit den parteiprogrammen zu tun sondern verstößt gegen den verfassungsgrundsatz

     

    Wer dann noch übrig bleibt ist auch würdig zu regieren, spd und cdu wären es schon mal nicht mehr...

  • Guter Bericht, gute Einsichten, danke!

     

    Ein Zitat noch:

     

    Demokratie

    Staatsform, in welcher das "Volk" (griech. demos) ...[also] die Gesamtheit der vollberechtigten Bürger, nicht ein Einzelner oder eine kleine Gruppe Mächtiger, die Staatsgewalt innehat.

    In der Vormoderne war die Demokratie eine Ausnahmeerscheinung ...die Mitbestimmungsrechte waren ...beschränkt ...und galten als Privileg spezieller Gruppen.

    Erst die moderne Demokratie, die sich nach der Amerikanischen und Französischen Revolution durchzusetzen begann, gewährte die Politischen Rechte als Ausfluss der Menschenrechte, deren Garantie eine der Hauptaufgaben des demokratischen Staates wurde.

     

    –Andreas Suter, Georg Kreis im Historischen Lexikon der Schweiz: http://www.hls.ch

     

    –weitere Links zum Thema: http://vjrott.com/d-ch/

  • Die SPD hat so sehr den Kontakt zum Volk verloren, dass es langsam Zeit wird, dass sie sich ein neues sucht.

  • Langfristig wird es für die Parteien nicht mehr zu vermeiden sein, dass das Volk in einigen Fragen mitbestimmt. Sicher, es wird dauern, aber es wird kommen.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Die SPD legt bedauerlicherweise auch ein widerwärtiges Staatsobrigkeitsauftreten an den Tag, wie alle anderen Parteien auch. Seit den Schröder Jahren ist diese Partei für mich unwählbar geworden. Eine Arroganz der Macht, die dem demokratischen Sozialismus Gedanken im Parteiprogramm widerspricht. Aber dieser Gedanke findet sich ja nur noch im Kleingedruckten des Programms.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Dann beachten Sie mal wenn ein Vertreter dre politischen Klasse von "Demokratie" spricht, der meint nämlich "parlamentarische Demokratie", der Rest hat aus deren Perspektive zu gehorchen!

      Nix mit imperativem Mandat etc...

  • Auch problematisch:

     

    Volk = meist keine Expertise

     

    Parteien = meist auch keine Expertise, dafür aber interessengeleitet

     

    Also was tun?

    • @KarlM:

      Na dann doch lieber Ersteres!

       

      Kommt noch besser mit Volk+Bildung! ;-)

  • Komisch... und ich dachte immer "Demos" heisst "Volk"... .