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Kommentar Verwandtenaffäre in BayernMangel an Unrechtsbewusstsein

Marlene Halser
Kommentar von Marlene Halser

Die bayerischen Politiker wussten in der Verwandtenaffäre genau, was sie tun. Es liegt nun an den Wählern, für Konsequenzen zu sorgen.

I n der Affäre um die Beschäftigung von engen Familienmitgliedern im Bayerischen Landtag kommen immer mehr Details ans Licht. Sie alle zeigen nur eines: Den Abgeordneten fehlt das Unrechtsbewusstsein.

Seit dem 1. Dezember 2000 verbietet das Abgeordnetengesetz im Bayerischen Landtag die Beschäftigung von Ehegatten und anderen engen Verwandten. Mit einer Ausnahme: Bereits bestehende Arbeitsverträge durften beibehalten werden.

Als vor sechs Wochen bekannt wurde, dass insgesamt 79 bayerische Abgeordnete jeglicher Couleur von dieser Ausnahmeregelung zum Teil bis zum heutigen Tag Gebrauch machten, war das ein Grund, sich zu wundern. Jetzt hat Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm auf Druck der Medien eine Liste veröffentlicht, die zeigt, dass 16 bayerische Abgeordnete ihre Kinder oder Ehefrauen sogar gezielt einstellten, um von der Ausnahmeregelung zu profitieren.

Bild: Kobi Wolf
Marlene Halser

ist Bayern-Korrespondentin der taz.

Während also im Mai 2000 in den parlamentarischen Gremien darüber beraten wurde, die umstrittenen Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen, schlossen sie noch schnell die entsprechenden Verträge ab. Auch ein Gesetzentwurf der Grünen zur Abschaffung der Beschäftigungsverhältnisse lag da bereits vor. Man darf also davon ausgehen, dass die zwölf CSU- und vier SPD-Abgeordneten, die ihre Namen nun auf der Liste wiederfinden, recht genau wussten, was sie taten.

Rein rechtlich handelten sie legal. Bis auf einen Abgeordneten, der bereits zurücktrat, wird man niemanden belangen können. Davon abgesehen, muss man sich fragen, ob das mangelnde Unrechtsbewusstsein Politiker für ihren Beruf qualifiziert. Zwar hat der Landtag mittlerweile alle Beschäftigungsverhältnisse dieser Art abgeschafft. Aber letztlich ist es am Wähler, diese unsägliche Affäre baldmöglichst zu beenden.

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Marlene Halser
Freie Autorin
Geboren 1977 in München, war von 2011 bis 2019 zunächst als Bayernkorrespondentin, dann als Redakteurin und später als Ressortleitung im Ressort taz2 (Gesellschaft und Medien), sowie als Content SEO bei der taz. Jetzt ist sie wieder als freie Autorin unterwegs.
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7 Kommentare

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  • A
    anke

    Ich fürchte, so lange die Kategorien dermaßen unklar bleiben, wird es weiter "Skandale" geben, an denen man sich wunderbar berauschen kann. Als Journalist ganz genau so, wie als Leser.

     

    Im vorliegenden Fall scheint zwischen Recht und Moral kein Unterschied gemacht zu werden. Wenn ich lese: "Rein rechtlich handelten sie legal", muss ich annehmen, dass die gescholtenen Abgeordneten gar kein Unrechts-Bewusstsein entwickeln mussten, weil sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen haben. Sie haben lediglich jenen Informationsvorsprung genutzt, den ihre Machtposition ihnen eingetragen hat. Frau Halser findet das offenbar moralisch verwerflich. Schade, dass sie vor diesem Hintergrund nicht noch ganz andere, viel grundsätzlichere Fragen stellt. Die zum Beispiel, ob es nur Politikern verboten sein sollte, übertragene Macht zum eigenen oder fremden Vorteile zu nutzen, oder auch andere Berufsgruppen. Journalisten etwa. Hm... Sollte das etwa bedeuten, dass es weder die grassierende Sparwut noch eine epidemische Faulheit ist, was heutzutage so viele Journalisten von einander und von den Agenturen abschreiben lässt, sondern ein besonders hoher moralischer Anspruch? Darüber muss ich jetzt erst einmal in aller Ruhe nachdenken. Danke, Frau Halser.

  • C
    Cometh

    Das scheint mir ein "Kommentar aus Berlin" zu sein.

     

    Immer klappt in Bayern die Selbstreinigung.

     

    Der Oberabzocker und Multimillionär Steinbrück schwafelt dagegen weiter; die Bagage im BT erst recht.

    Da ist Einsicht so wenig da wie bei Assad und die Krallen sich genauso fest.

  • M
    Manuelito

    den abgeordneten "fehlt das unrechtsbewußtsein"? frau halser, denken Sie doch mal nach! Sie schreiben es doch selbst in Ihrem beitrag: diese abgeordneten haben genau das unrechtsbewußtsein, das sie brauchten, um rechtzeitig knapp vor torschluß noch ihre schäfchen ins trockene zu bringen. das bewußtsein fehlt ihnen nicht, das haben die. alle, die das getan haben. es ist unnötig von Ihnen und falsch, diesen leuten die hände in unschuld zu waschen. schreiben Sie lieber: diese bayerischen abgeordneten haben unmoralisch gehandelt, und sie wußten genau, was sie taten. das trifft es besser.

  • K
    Konrad

    @ hackman3 und @Kein Kunde:

     

    Da tun Sie den Bayern grundsätzlich unrecht. Niemand regt sich mehr über den CSU-Klüngel auf, als die Bayern selbst. ABER Sie dürfen nicht vergessen:

     

    1. Bayern ist in allen Bildungsvergleichen (national/international) auf den Plätzen 1 oder 2 von allen 16 Bundesländern.

    2. Bayern hat die niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland.

    3. Bayern ist das einzige Bundesland (das einzige Staatsgebilde Europas?), das Staatshaushalts-überschüsse erwirtschaftet und seit 5 Jahren konsequent Altschulden tilgt.

    4. Bayern ist das sicherste Bundesland (wenigste Verbrechen/höchste Aufklärungsquote in der BRD).

    5. Unter der CSU-Regentschaft gelang die Industrialisierung rückständiger Regionen (Niederbayern) und dadurch massive Wohlstandsgewinne für die Bevölkerung.

     

    Kurz gesagt: Den Bayern gehen die CSU-Affären und Affärchen schon gewaltig auf die Nerven. Andererseits ist die CSU-Regentschaft seit 50 Jahren auch unschlagbar erfolgreich - da Bayern wirklich in beinahe allen relevanten Bereichen Erster ist. Die CSU ist bei weitem nicht unfehlbar und macht auch immer mal wieder einen Schnitzer, aber sie regiert nun mal - alles in allem - sehr, sehr erfolgreich. Deshalb beißen die Bayern auf Kreide und machen halt wieder ihr Kreuz bei der CSU. Auch wenn es oft ein Kreuz mit ihr ist...

  • H
    hackman3

    Bei diesem Kommentar handelt es sich um eine typisch linke Fehleinschätzung, die per se von einen moralisch denkenden Menschen ausgeht. Bayern ist aber ein zutiefst strukturkonservatives Land. Den Leuten hier ist es völlig egal, ob einer Steuern hinterzieht, bescheißt oder im Freibierparlament, das sowieso schon die höchsten Diäten Deutschlands bietet, noch zusätzlich ein Schluck aus der Mass genommen wird. Konservative Menschen sind erst dann zu beeindrucken, wenn Ihnen 3 Cent im Geldbeutel fehlen. Aber dafür wird die CSU sorgen, dass das nicht passiert. Die Opposition in Bayern trinkt mit oder ist ein Totalausfall.

  • H
    hto

    "Es liegt nun an den Wählern, für Konsequenzen zu sorgen."

     

    - durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck, womöglich noch weiter nach rechts "Protestwählen", ein Witz??? ;-)

  • KK
    Kein Kunde

    LOL

     

    Die Bayern?

     

    Die die sich damit brüsten, dass der Strauss ein ausgemachter Dreckssack war?

    Die werden den Seehofer höchstens abwatschen, weil das nicht bayrisch genug war.