Kommentar Verluste RWE: Seht nur, die Energiewende!
RWE hat den größten Verlust in Jahrzehnten gemeldet. Ist daran die Energiewende schuld? Klar ist: Auch sonst hätte der Konzern ein Riesenproblem.
D er größte Verlust für RWE seit der Gründung der Bundesrepublik – diese Nachricht sitzt. Und in Zeiten, in denen kaum ein Thema das Land so sehr bewegt wie der Umbau der Stromwirtschaft, dürfte diese Nachricht natürlich instrumentalisiert werden. Gemäß dem Slogan: Seht nur, was die Energiewende anrichtet!
Doch nicht zuvorderst die Energiewende ist das Problem von RWE. Der Konzern hat vielmehr – wie viele seiner Mitbewerber auch – falsch investiert. Es zeigen sich heute die Spätfolgen einer Phase, die bis 2007 währte, in der die Stromwirtschaft alleine in Deutschland 45 neue Kohlekraftwerke bauen wollte. Realisiert wurde davon am Ende zwar nur ein Bruchteil, aber offenkundig waren auch das zu viele. Und wären nicht 2011 acht Atomkraftwerke vom Netz gegangen, wäre der Strommarkt heute noch stärker überflutet, der Preis an der Strombörse noch geringer. Klar ist: Auch ohne Fukushima hätte die Branche ein Riesenproblem bekommen.
Die Fehler seiner Vorgänger fallen nun RWE-Chef Terium auf die Füße. Und weil er die überflüssigen Kraftwerke nicht zu verantworten hat, darf man vermuten, dass die schlechte Bilanz ihm am Ende sogar gelegen kommt. Denn er denkt nach vorne: Je mehr das Land darüber diskutiert, dass sich die fossilen Kraftwerke alleine durch den Stromverkauf nicht mehr rechnen, umso größer könnte der politische Druck werden, in Deutschland einen Kapazitätsmarkt zu schaffen. In diesem bekommen Kraftwerke auch dann Geld, wenn sie für den Notfall bereitstehen, auch wenn sie keinen Strom liefern.
Man kann dieses Instrument diskutieren, doch Terium sollte sich nicht zu früh freuen: Wenn RWE und all die anderen nicht endlich den Markt bereinigen, indem sie einige Kohlekraftwerke stilllegen, wird der Stromüberschuss riesig bleiben. Dann wird auch künftig mit fossil erzeugtem Strom kaum Geld zu verdienen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen