piwik no script img

Kommentar Umsetzung der KlimazieleDie Verursacher müssen vorangehen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Der Geist von Paris, wo 2015 ein gefeiertes Abkommen beschlossen wurde, hat sich in Kattowitz verzogen. Und: Niemand hat eine weiße Weste.

Kohlekraftwerk bei Hanau. Auch Deutschland nimmt den Klimaschutz nicht ernst Foto: dpa

W enn die Klimakonferenz in Kattowitz jetzt in ihre entscheidende zweite Woche geht, bietet sich all denen ein Bild zum Fürchten, die auf Fortschritte in der Klimapolitik hoffen: Weltweit steigen die CO2-Emissionen; der Geist von Paris, wo vor drei Jahren ein umjubeltes Abkommen beschlossen wurde, hat sich ängstlich verzogen.

Überall machen Populisten und Faktenleugner Front gegen den Klimaschutz, die USA und die Ölländer bremsen wie früher, Brasilien fällt unter der neuen Regierung Bolsonaro als Vermittler zwischen Industrie- und Schwellenländern aus. Und die EU wird vom Kohleland Polen und Österreich vertreten, wo der Vizekanzler auch mal eben so am Klimawandel zweifelt.

In Paris fand sich 2015 eine „High Ambition Coalition“ zusammen, die heute zerstreut ist. Woher also soll der Druck kommen, damit das „Regelbuch“, das überlebenswichtige Kleingedruckte für das Pariser Abkommen, zu effektivem Klimaschutz führt? Schaut man sich die verbleibenden Staaten an, fällt eines auf: Niemand hat eine weiße Weste. Deutschland nimmt den Klimaschutz zu Hause nicht ernst; die EU ist innerlich zerrissen; Kanada kämpft mit Provinzen, die sich aus der Klimapolitik verabschieden; Norwegen bezieht einen großen Teil seiner Staatseinnahmen aus Gas und Öl; Indien baut Solarindustrie, setzt aber auch auf Kohle.

Allein die Staaten in Afrika und Lateinamerika bringen nicht das politische Gewicht auf die Waage, um in Kattowitz für gute Regeln zu streiten. Gerade in den Ländern mit grauer und schwarzer Weste muss es vorangehen. Einen Ausstieg aus der Kohle müssen die Kohleländer vormachen, der Abschied vom Gas muss von den Gasproduzenten kommen, neue Ideen für ein Leben ohne Verbrennungsmotor aus den Auto-Nationen.

Das ist nicht einfach zu organisieren. Wir sehen jeden Tag des Gewürge rund um die Kohlekommission in Deutschland. Aber auf Engel zu warten, führt auch in der Klimapolitik zu Enttäuschung. Nur wenn die Verursacher ­vorangehen, wird in Kattowitz und anderswo etwas erreicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das die Verursacher vorangehen müssen halte ich schlicht für ein Ammenmärchen aus dem Überraschungsei für rat- und ahnungslose Tag und Nachtträumer. Die Kapitalwirtschaft muss gar nichts, dass kennen wir aus der Geschichte des Industriezeitalter bis in unsere Gegenwart.

    Gilt doch die Politik auch unserer Regierungen nicht nur als ein sehr verlässlicher Partner in der Not für die Kapitalwirtschaft und ihr Gefolge, sondern die Regierung ist auch gern im vorauseilenden Gehorsam behilflich.

    Für den Fall das irgendwas mit der Gewinnmaximierung in der Wirtschaft anders als ursprünglich gedacht, doch mal wieder schiefgegangen ist, werden gerne Rettungspakete geschnürt und gegen ein kleines Porto an den Verursacher versandt.

    Das der schwache Geist von Paris flöten gegangen ist, ist wohl dem Zeitgeist der Zerstreutheit geschuldet und gehört zum digitalen Alltag der Informationen und zu der Stufe der Vollendung des Kapitalismus, die nun mal über dem Abgrund stattfindet.

    Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als uns auch in unserem Land auf die Suche nach starken unbestechlichen aufrechten Pioniergeistern zu machen und eine freie deutsch/ europäische "Pionier Partei" der Aufrechten zu gründen.

    Es gibt eine Allee der Aufrechten in Israel, eine Allee der Kosmonauten in Berlin Marzahn, warum soll es nicht auch eine Alle der Pioniere geben.

    Ich finde heute ist ein guter Tag um eine freie "Pionier Partei" zu gründen, einfach für die "Freie Entfaltung der Persönlichkeit". Ein Lobbyverbund der sich gewaschen hat und seinesgleichen in Europa sucht.

    Der Rest liegt am Weg der jungen Aktivist/innen und wird sich finden. Also was ist nun gründen wir nun heute am 11.12.2018 nach Christus endlich eine "Pionier Partei" oder lassen wir die Pioniergeister in der Flasche?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Klimaschutz ist leider nicht mehr die Lösung aller Probleme, als der er dargestellt wird.



    Im Namen des Klimaschutzes werden Wälder abgeholztz um Palmöl anzubauen. Es werden in Europa wertvolle Ackerflächen zu Methanpflanzenanbauflächen umgewandelt. Dieses Biogas wird in Gasmotoren zu Strom umgewandelt, die mehr als 1% des eingesetzten Methans unverbrannt in das Abgas geben, dass damit klimawirksamer als die Menge CO2, die bei der Verbrennung der äquivalenten Kohlemenge frei wird, ist.



    Regenwald in Brasilien wird gerodet um Zuckerrohr für Bioethanol anzubauen, der in Brasilien das Erdöl ersetzt.

    Mir stellt sich die Frage, wird das Artensterben durch Klimaschutz forciert oder würden diese Arten auf jeden Fall der Gier zum Opfer fallen?

    Warum nur werden Problemlösungen nur isoliert, also betriebswirtschaftlich und nicht im globalen Zusammenhang gesehen.

    Das Artensterben ist das größere Problem der Welt, weil es wirklich unumkehrbar ist und unabsehbare Folgen hat.



    Der Klimawandel ist ein untergeordnetes Problem, mit dem man allerdings mehr Gewinn machen kann und wird.

  • Was für eine tiefgreifende Erkenntnis, dass "auf Engel warten" auch in der Klimapolitik zu einer Enttäuschung führt. Erinnert sich noch jemand an den "Umweltengel"? Für den "Gutes Gewissen" Bonus beim "Weiter so!" Konsum?

    Wesentlich wichtiger wäre es, die bereits bekannten technischen und naturwissenschaftlichen Fakten nicht nur im Hinterkopf zu behalten.

    Es sind CO2 Einsparungsziele bis 2050 benannt, um den Anstieg der Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen.

    CO2 verbleibt viele Jahrtausende in der Atmosphäre.

    Sämtliche heute zusätzlich geforderten neue Technologien kommen, 'bis auf Weiteres', zu den bereits bestehenden (und mit Macht verteidigten) alten Technologien HINZU; sie senken den heutigen CO2 Ausstoß NICHT! Sie erhöhen ihn! Was bei der dafür erforderlichen Rohstoffgewinnung für die Fabriken (-kapazitätserweiterungen) beginnt und nicht mit dem Betrieb/Einbau endet; spezielle Wartung/Reparatur, Recycling (Erweiterung der Kapazitäten) kommt hinzu.

    Weder in Paris noch in Kattowitz geht es in Wahrheit um Klimaschutz! Es geht um die Verteidigung nationaler Wirtschaftsinteressen, um Stabilisierung des Wachstumsdogmas mit beruhigenden Adjektiven für die Massen (nachhaltig, öko, klimafreundlich, klimaneutral...) und mit hunderten von Milliarden gesponserte Wirtschaftsförderung. Zum Wohle der Investoren, nicht zum Schutz des Klimas.

    Obwohl die heutigen Informationsmöglichkeiten um Potenzen größer sind als vor Jahrzehnten, ist das Niveau der Umweltdiskussion hinter die 1980er Jahre zurückgefallen!

  • Na das passt doch, alle sind sich einig. Zweifeln wir gemeinsam noch ein bisschen. Und wenn uns in 20, 30 Jahren das Dach auf den Kopf fällt, zweifeln wir doch einfach darüber, dass uns das Dach auf den Kopf fällt. Ganz am Ende ist dann eben Gott an allem schuld. Daran könnte man dann aber auch wieder zweifeln. Drehen wir uns doch einfach noch ein bisschen im Kreis...

  • Von der Politik wird nichts kommen. Die leiern irgendwelche Beruhigungsphrasen für das Volk herunter, wenn sie müssen, aber wenig später knicken sie vor der Industrie ein und verfallen wieder ins alte "aber die Arbeitsplätze, der Wohlstand des Landes, es geht nicht so schnell" usw.