Kommentar Ukrainische Innenpolitik: Verhöhnung der Opfer
Die Ausfälle im ukrainischen Parlament häufen sich. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist ein Signal nach innen und außen.
E s ist schon eine veritable Schmierenkomödie, die die politisch Verantwortlichen derzeit in der Ukraine aufführen. Um seiner Rücktrittsforderung Nachdruck zu verleihen, packt ein aufgebrachter Abgeordneter Ministerpräsident Arseni Jazenjuk im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern und versucht ihn aus dem Plenarsaal zu tragen.
Innenminister Arsen Awakow wirft nach dem Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, der der Regierung massive Korruption vorwirft, ein Glas Wasser und fordert ihn auf, „unser Land“ zu verlassen. Angesichts des Umstands, dass der mittlerweile eingebürgerte Saakaschwili georgischer Herkunft ist, ist diese Äußerung nicht anders als rassistisch zu bezeichnen.
Derartige Ausfälle lassen leider tief blicken. In immer noch sowjetisch tickende Hirne korrupter Politiker, die nur vorgeblich für demokratische Werte eintreten und am liebsten so weitermachen wollen wie die Machthaber vor ihnen.
Das ist eine Verhöhnung all derer, die in den Jahren 2013/14 wochenlang in Kiew auf dem Maidan für wirkliche Veränderungen protestierten und während der „Revolution der Würde“, die ebenjene Politiker so gern im Munde führen, ihr Leben riskierten. Und es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer des Krieges im Donbass, die wahrlich mit ganz anderen, nicht selten existenziellen, Problemen zu kämpfen haben. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist jedoch nicht nur nach innen, sondern auch international ein fatales Signal und nicht dazu angetan, für die Regierung in Kiew zu werben.
Dieser Tage verhandelt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Brüssel wieder einmal über den Start des Freihandelsabkommens und Visaerleichterungen mit Europa. Vielleicht sollten die Vertreter der Europäischen Union mit dem Herrn aus Kiew einmal Tacheles reden. Und möglichst auf den Ausschank von Getränken verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen