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Kommentar USARassismus ist Trumpf

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Das Team McCain/Palin zieht kurz vor Wahlkampfende die Rassismuskarte. Damit hat einer schon jetzt verloren: John McCain. Den politischen Respekt.

J ohn McCain hat bei der dritten und letzten Fernsehdebatte mit Konkurrent Barack Obama einen besseren Eindruck hinterlassen als bei den ersten beiden Zusammentreffen. Drei Wochen vor der Wahl ist das keine schlechte Nachricht für den republikanischen Senator. Nur: Die Blitzumfragen aller US-Fernsehsender sahen dennoch Barack Obama als denjenigen, der insgesamt klar besser abgeschnitten habe. An Obamas Vorsprung, der mittlerweile in den Umfragen mit zwischen 7 und 14 Prozentpunkten angegeben wird, hat sich durch die Debatte offenbar nichts geändert.

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Bernd Pickert ist Redakteur im taz-Auslandsressort und zuständig für die beiden Amerikas.

Doch so gut der Trend auch für den ersten schwarzen Kandidaten aussieht, es wäre voreilig, McCain schon abzuschreiben. Zwar konzidiert selbst Bushs früherer Wahlkampfarchitekt, Karl Rove, dass McCain ein Comeback hinbekommen müsste, wie es seit Harry Truman 1948 niemand mehr geschafft hat. Und doch: Es gibt gute Gründe zu fürchten, dass der schmutzige Wahlkampf, den das Team McCain/Palin in den letzten zehn Tagen geführt hat, sich am Wahltag doch noch auszahlen könnte. Der Slogan "Barack Obama - zu riskant für Amerika", die Rede von Vizekandidatin Sarah Palin, Obama mache mit Terroristen gemeinsame Sache und sehe "das Land nicht so wie Sie und ich" - das ist so offen rassistisch, wie ein Präsidentschaftswahlkampf 2008 überhaupt nur werden kann.

Auf all solche Entgleisungen in der Debatte angesprochen, macht McCain dann ganz große Augen und gibt den Ahnungslosen und Schockierten. Dabei sind diese Grenzüberschreitungen natürlich geplant - sie verfolgen das Ziel, in dem McCain inzwischen offenbar seine letzte Chance sieht: dass die WählerInnen doch noch, zur Not erst in der Anonymität der Wahlkabine, davor zurückschrecken, diesem Schwarzen ihre Stimme zu geben. Ob das aufgeht, wird sich am 4. November zeigen. Einer aber verliert schon jetzt: John McCain. Der Respekt, den sich der Senator auf beiden Seiten des politischen Spektrums verdient hatte, ist dahin. Schon die Auswahl Sarah Palins als Vize war eine Beleidigung -was McCains Wahlkampf jetzt angerichtet hat, ist widerlich und gefährlich.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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1 Kommentar

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  • A
    anke

    Ich glaube nicht, dass McCains Wahlkampf wirklich etwas "angerichtet hat". Ja, er ist widerlich. Und ja, gefährlich ist es auch, wenn angebliche "Führer" sich der Gedanken derjenigen bedienen, die in der gesellschaftlichen Hackordnung ganz weit unten stehen. Auslöser eines Problems ist Kandidat McCain aber nicht. Ihn zum alleinigen Sündenbock auszurufen hieße, den Eisberg zu ignorieren, dessen Spitze über der Wasseroberfläche endlich für jeden sichtbar wird. Man sollte dem Kerl eine Messe lesen lassen, finde ich. Aus Dankbarkeit. Und dann sollte man ihn ganz schnell abservieren. Vergessen aber sollte man ihn nicht. Und seiner Wähler sollte man sich erst recht erinnern.