Flüchtlingspolitik in Australien: Lebensgefährlich und sinnlos

Tony Abbott hat mit dem radikalen Kurs gegen Asylsuchende und MigrantInnen ernst gemacht. Australien stoppt Boote, „koste es, was es wolle“.

Ein kleines Boot mit vielen Männern an Bord, von denen einige die Arme in die Luft recken

Bildmaterial der Royal Australian Defence Force von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer 2009. Foto: dpa

Canberra dpa | Vor Krieg und Terror nach Australien zu fliehen ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch sinnlos: Australien hat seine Schotten dicht gemacht. „Wir feiern ein Jahr ohne eine einzige erfolgreiche Menschenschmuggler-Aktion, ein bedeutender Erfolg“, frohlockte Einwanderungsminister Peter Dutton gerade Anfang August. Dafür hat die konservative Regierung aber zum Entsetzen von Menschenrechtlern offenbar einen Pakt mit den von ihr verteufelten Schleppern in Kauf genommen.

Im Juni berichteten Schlepper in Indonesien, australische Beamte hätten ihnen Tausende Dollar in die Hand gedrückt, damit sie ihre voll besetzten Flüchtlingsboote zurück nach Indonesien steuern. Bei der Frage, ob australische Steuergelder in die Taschen solcher Krimineller geflossen seien, sagte Regierungschef Tony Abbott lediglich: „Wir stoppen die Boote, koste es, was es wolle.“

Bei seinem Amtsantritt hatte er angeordnet, dass Flüchtlinge, die versuchen, über das Meer ins Land zu kommen, offiziell als „IMAs“ zu bezeichnen sind – „Illegal Maritime Arrivals“ oder illegale Ankömmlinge auf See. Das suggeriert: Hier wird gegen Gesetze verstoßen. Aber: „Asyl zu suchen ist nicht illegal“, rügt die australische Menschenrechtskommission. „Alle Menschen haben Anspruch auf Schutz, egal, wie sie ins Land kommen.“

Die Zahlen sind eigentlich lächerlich: 20 Boote mit 633 Menschen an Bord seien seit Anfang 2014 zur Umkehr gezwungen worden, verkündete Dutton. 2013, unter der linken Vorgängerregierung, hätten Schlepper noch 20 000 Menschen in australische Gewässer gebracht. Zum Vergleich: Auf der kleinen griechischen Insel Lesbos kamen in einem einzigen Monat, im Juni 2015, 15 000 Flüchtlinge an. Australien ist fast 5000 mal so groß wie Lesbos.

Die Regierung macht aber eine andere Rechnung auf. Sie zählt nicht die vorübergehende Aufnahme von Asylsuchenden, sondern die Zahl der Menschen, die als anerkannte Flüchtlinge ein permanentes neues Zuhause bekommen. Da ist Australien nach der Statistik des UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) tatsächlich – gemessen an der Bevölkerung – das großzügigste Land der Welt. 2014 landeten elf Prozent der Flüchtlinge, die weltweit in einem anderen Land ein neues Leben starten durften, in Australien, insgesamt 11 750 Menschen.

„Opfer von Terror und keine Terrorgefahr“

Wer aber Krieg und Terror entronnen ist und auf eigene Faust und mit Schleppern versucht, nach Australien zu gelangen, ist den Behörden suspekt. „Wir verteidigen unsere nationale Souveränität und schützen unser Land von dem üblen Menschenhandel“, sagte Abbott in einem Interview. Die meisten Flüchtlinge kommen aus den Kriegsgebieten in Afghanistan und dem Irak, und aus Myanmar, wo die muslimischen Rohingya verfolgt werden. „Die Leute sind Opfer von Terror und keine Terrorgefahr“, sagt Paul Power, Chef des Flüchtlingshilfswerks „Refugee Council of Australia“.

Die Regierung setze sich als Beschützer der kleinen Leute in Szene, indem sie diffuse Ängste vor Konkurrenz um Arbeitsplätze und Lohndrückerei ausnutze. „Tatsächlich starten Ex-Flüchtlinge vielmehr oft eigene Unternehmen, bilden sich überdurchschnittlich oft weiter, und ihre Kinder bringen es weiter in der Schule als andere. Die Motivation von Leuten, die alles verloren haben und dann eine Chance auf ein neues Leben gekommen, ist immens.“

Als Abschreckung dienen auch die Auffanglager, in denen Flüchtlinge teils jahrelang hinter Stacheldraht leben. Australien bezahlt bitterarme Nachbarländer wie Papua-Neuguinea und das Pazifik-Eiland Nauru dafür, dass sie Flüchtlingslager betreiben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch war da. „Die Internierungslager sind überfüllt und dreckig“, schreibt sie. „Asylanträge werden nicht fair, transparent oder zügig bearbeitet.“

Hungerstreiks und Randale, mit denen die Menschen auf ihr Schicksal aufmerksam machen, bügelt die Regierung ab. „Wer die Gesetze bricht, muss mit Konsequenzen rechnen“, sagt Einwanderungsminister Dutton. Und: „Ich sags noch einmal: Die, die illegal mit Schiffen angekommen sind, werden niemals ein Bleiberecht in Australien bekommen.“ Vier haben gerade eingewilligt, in das bitterarme Kambodscha umzusiedeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.