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Kommentar Trumps erste SchritteSo schlimm wie befürchtet

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Von wegen Mäßigung: Trump beruft Parteiestablishment und Rechtsradikale in seinen Stab. Er wird immer gefährlicher.

Ja, könnt ihr glauben Foto: ap

D er künftige US-Präsident Donald Trump hat seine ersten Personalentscheidungen gefällt und sein erstes Interview seit der Wahl gegeben. Und schon meinen manche, Anzeichen eines softeren Donald Trump zu sehen, dessen verheerende Wahlkampfankündigungen vielleicht doch nicht so ernst genommen werden müssen. Schön wär’s.

In Wirklichkeit sind Trumps erste Ankündigungen, Personalentscheidungen und Auftritte lediglich dazu da, so viel wie möglich von seiner Agenda tatsächlich umsetzen zu können und dabei auf so wenig Widerstand wie möglich zu stoßen.

Steuerpolitik, Richternominierungen, Infrastrukturinvestitionen, dazu braucht Trump die Mitwirkung des Kongresses – also macht er den Parteichef der Republikaner Reince Priebus zu seinem Stabschef. Er will trotzdem die Unterstützung der rechtspopulistischen Anti-Establishment-Front nicht verlieren – also wird Stephen Bannon, der rechtsradikale und rassistische Herausgeber des Portals Breitbart News, sein Chefstratege.

Trump will so viel wie möglich von seiner Agenda umsetzen – möglichst ohne Widerstand

Er will die Mauer zu Mexiko wirklich bauen – also kann sie zum Teil auch ein Zaun sein, und er redet besser nicht mehr davon, dass Mexiko dafür bezahlen werde. Er will die Millionen Papierlosen wirklich abschieben – deshalb fängt er erst einmal mit den „Kriminellen“ an. Er will Obamas Gesundheitsreform wirklich zurückdrehen – also spricht er davon, womöglich jene wenigen Teile zu erhalten, die tatsächlich populär sind.

Trump mag ein politisch vollkommen unerfahrener Narzisst sein, aber er ist kein Idiot. So falsch, wie es war, den Kandidaten Trump als chancenlose Witzfigur zu charakterisieren, so falsch wäre es jetzt, den veränderten Ton als Mäßigung zu werten. Um die Wahl zu gewinnen, musste Trump sich als Trampel präsentieren. Um die USA zu verändern, muss er kühler bleiben.

Je pragmatischer er agiert, desto mehr wird er erreichen. Je weniger er poltert, desto gefährlicher wird er.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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11 Kommentare

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  • Ich find das gut. Jetzt kann ich endlich meine Einstellung gegenüber den USA zurück auf den "Bush-Modus" stellen. Da muss ich nicht differenzieren, niemand nimmt es mir übel, wenn ich wieder von "der Verbrecherbande" oder "den Idioten in Washington" spreche. Macht vieles einfacher.

  • 8G
    81283 (Profil gelöscht)

    danke für den artikel.

     

    trumps erste schritte sind eindeutige schritte des faschismus.

     

    zuerst will er die „illegalen“ (mexikaner etc.) ausweisen lassen und minderheitsrechte generell beschneiden.

     

    auf diese weise gewinnt er die wahlen. denn er setzt den den vermeintlich „schwachen, armen weißen arbeitslosen underdogs“ die prügelknaben vor: minderheiten, latinos, schwarze.

     

    nach der gewonnenen wahl, sortiert er die 11 millionen „illegalen“ in gute und in drei millionen „kriminelle und drogendealer“.

    diese drei millionen sind jetzt faktisch entrechtete (sie werden keine stimme erhalten – weder in den medien noch anderswo).

     

    scheibchenweise zum faschismus.

     

    die „schlechten“ werden von den „guten“ sortiert. so bleiben die „guten“ ruhig und schauen zu, wie die „schlechten“ aussortiert werden (und wähnen sich in sicherheit).

     

    bei der nächsten welle sind teile der bisher „guten“ dran – usw.

     

    ............

     

    ähnlich ist die strategie, nach einer rechtspopulistischen diffamierungskampagne, in der grenzen verschoben worden sind, vor die kamera zu treten und zu sagen: „ich werde das land einen“.

     

    vielleicht möchte das land nicht geeint werden und vor allem nicht unter diesen rechten vorzeichen.

     

    wir sollten alle unglaublich wachsam werden.

     

    wir sollten demokratie, minderheiten achten und die demokratisch-freiheitliche grundordnung, die wir haben, ganz laut verteidigen. wir sollten laut sein –

    jeden tag, denn sonst werden wir wieder besänftigen, bis alles zu spät ist.

     

    und ich prophezeie, wenn wir nicht zumindest den kleinsten nenner einer offenen diskursgesellschaft mit konsenssuche und leider auch langsamer kompromisssuche verteidigen, werden wir in den strudel eines neuen westlichen faschismus geraten.

  • Gewisse Tendenzen in USA sind aber auch eine Chance für Europa und Deutschland: wenn dort z.B. der Rückschritt in die Energiesteinzeit gemacht wird, können wir vorziehen im Ranking - und langfristig gewinnen. Vielleicht sogar schon mittelfristig. Immerhin hat die USA auch die OPEC-Ölpreispolitik im Nacken, und ich schätze, die Saudis wissen, wo sie hinwollen: Konkurrenz niedermachen, eigene Geschäfte hochziehen, die langfristigen Profit versprechen.

    Innenpolitisch tut mir die USA sehr leid, aber wir müssen jetzt schaun, dass wir aussenpolitisch das Ruder mehr in die Hand nehmen und uns nicht als Trumps Bücklinge kleinmachen.

  • man muss nur Rechtsradikale als solche erkennen können.

    Er setzt seine angedrohte Agenda um - wer hätte denn das gedacht.

  • Also wäre es besser er wollte alle illegalen Migranten ausweisen statt nur die Kriminellen? Er würde die "Homo-Ehe" nicht für "entschieden und in Ordung" befinden, usw.? Oder wie soll ich diesen Kommentar verstehen?

     

    Hauptsache man behält mit den angekündigten Horrorvisionen recht, koste es was es wolle?

  • Es muss der große Zusammenhang gesehen werden.

     

    Trump ist nicht ohne die Dynamik erklärbar, die auch zu Brexit, Marine le Pen und AfD geführt hat: Die Ablehnung großer Bevölkerungsteile von zu heterogenen und zu globalisierten Gesellschaften, deren größte Nachteile sich in den verheerenden islamistischen Attentaten seit vielen Jahren weltweit kristallisieren.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Derzeit läuft alles in den Medien unter Schockbewältigung. Kaum ein analysestarker Kommentar darunter, viele rudern mit Interviews von amerikanischen Journalisten und Wissenschaftlern. Am wenigsten schwach wäre es, wenn man die eigene Analyse- und Prognoseschwäche jetzt halbwegs versiert aufarbeiten würde. Die einzige Antwort auf diese Wahl sollte Lernbereitschaft sein. Brexit & Trump... es folgen die Wahlen in Österreich, Frankreich und bald auch in Deutschland. Noch bleibt etwas Zeit.

  • Damit zeigt Trump, dass auch er nur Establishment ist - republikanisches Establishment, welches uns wohl bei jedem republikanischen Präsidenten geblüht hätte und welches bei uns deutlich rechts der AfD eingeordnet würde. Eine Dumpfbacke wie der letzte Bush, der die Radikalos wie z.B. Rumsfeld in ihrem kriminellen Tun hat gewähren lassen. Im Gegensatz zu Bush ist Trump aber auch noch offen sexistisch und rassistisch.

    • @Velofisch:

      Ich halte Trump für erheblich beratungsresistenter als Bush jun.. Er wird aus Mangel an Erfahrung zwar auf seine Leute angewiesen sein, aber dass sie ihn so nach ihrer Pfeife tanzen lassen, wie es Cheney & Co. bei "Dubya" gemacht haben, sehe ich nicht. Der Präsident hat in den USA nicht bloß Richtlinienkompetenz, und Trump wird so wenige Fäden wie möglich aus der Hand geben.

       

      Ob das eher gut oder schlecht ist, wird sich allerdings noch zeigen müssen. Im Moment muss er erst einmal seine Washingtoner "Koalition" bilden, um handlungsfähig zu werden. Das läuft auch nicht viel anders als Regierungsbildung bei uns und ist daher vor allem mit viel Geschacher verbunden, wer wo ein machtvolles Pöstchen zugeteilt bekommt. Dass er dabei wenig Rücksicht auf die gemäßigten Kräfte nimmt, die ihn vor der Wahl verschmäht haben, ist wenig verwunderlich.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Je pragmatischer er agiert, desto mehr wird er erreichen."

     

    Binsenweisheit.

     

    "Je weniger er poltert, desto gefährlicher wird er."

     

    Und poltert er mehr, dann ist er verrückt.

  • Wohl wahr!

    Allein die Instrumente fehlen hier was zu steuern. Ich befürchte Augen zu und durch und eigene Politikgestaltung in EU und DE unnabhängiger stellen, auch wenn das Mühe macht.

     

    Übrgens: Die Börse steigt wegen erwarteter Deregulierung insbesondere der Banken und vorwiegend inländisch produzierenden Firmen sowie Rohstoffe; wäre noch ein sehr markanter (indirekter) Beweis für Ihren Text.