Kommentar Trumps Inner Circle: Ein kleiner Etappensieg – für Bannon

Das „Chaos im Weißen Haus“ hat Methode: Chefstratege Steve Bannon höhlt gezielt die Staatlichkeit aus – am Ende bleiben nur noch Polizei und Militär.

Schnell da, schnell wieder weg: Interimskommunikator Anthony Scaramucci   Foto: dpa

Das war Rekordzeit. Ein halbes Jahr hat Anthony Scaramucci darauf gewartet, endlich eine führende Rolle in Donald Trumps Weißem Haus spielen zu dürfen – und nur zehn Tage nach seiner Ernennung zum Kommunikationschef ist er schon wieder gefeuert.

Es ist unterhaltsam, aber nicht weiterführend, noch einmal alle Unglaublichkeiten aufzuzählen, die sich „The Mooch“ während dieses kurzen Abstechers geleistet hat. Wichtiger ist zu überlegen, was das nun eigentlich bedeutet.

Da ist einerseits die Stilfrage – Trump scheint sich mit Typen zu umgeben, die direkt aus „American Psycho“ in seinen Tross hinein gesprungen sein könnten. Er selbst hat die Regeln des menschlichen Anstands und des leidlich rationalen politischen Diskurses auf eine Weise verschoben, dass es kaum verwundert, dass er solche Leute anzieht.

Im Gegenteil: Seinen treuesten Anhängern kann er das noch immer als „den Washingtoner Sumpf austrocknen“ verkaufen. Wer sich erst einmal hat einreden lassen, „das Establishment“ im Einklang mit den „Systemmedien“ sei der Feind, hat sich weit genug von politischem Denken verabschiedet, um auch noch Trumps wahnsinnigste Tweets zu bejubeln.

Trumps Trick: So tun, als wolle und würde er regieren

Mit John Kelly als neuem Stabschef hat sich Trump jetzt einen weiteren Ex-Militär geholt – offenbar, um Entschlusskraft zu signalisieren. Der Trick an Trumps Präsidentschaft besteht ja darin, zumindest so zu tun, als wolle oder würde er tatsächlich regieren. Nur: Beides ist nicht wahr.

Tschüssi Scaramucci

Am 21. Juli ernannte US-Präsident Trump Anthony Scaramucci zu seinem neuen Kommunikationschef. Nach nur zehn Tagen war sein Auftritt wieder vorbei, aber er lieferte genug Drama für eine gesamte Legislaturperiode.   ap

Tag 1: Der Pressesprecher Sean Spicer tritt zurück, als Trump ihm erzählt, dass er Scaramucci zum neuen Kommunikationschef macht.   dpa

Tag 2: Pünktlich zum Amtsantritt löscht Scaramucci alte Tweets, in denen er Hillary Clinton lobt und Trump einen „bully“ nennt. Die Vergangenheit sollte nicht von der Gegenwart ablenken, so Scaramucci.   dpa

Tag 3: Am Sonntag tritt Scaramucci in diversen Fernsehshows auf und spricht seinen neuen Chef direkt an: „Wenn ich manche Sachen über Sie gesagt habe, als ich noch nicht für Sie gearbeitet habe, Mr. Trump, entschuldige ich mich dafür. Können wir das hinter uns lassen?“   reuters

Tag 4: Küsschen gibt es für seinen neugeborenen Sohn nicht. Dafür schickt Scaramucci seiner Noch-Ehefrau eine SMS zur erfolgreichen Geburt, während er mit Trump fremde Kinder bei einem Pfadfindertreffen besucht.   ap

Tag 5: „Ich werde alle feuern!“, verkündet Scaramucci – alle, die er des Verrats verdächtigt. Mit Michael Short, dem Assistenten des Pressesprechers, will er anfangen. Dieser muss aus der Presse von seiner geplanten Kündigung erfahren und kommt dieser zuvor, indem er selbst seinen Rücktritt erklärt.   ap

Tag 6: Bei einem TV-Interview zeigt Scaramucci sich enttäuscht von Washington: „Ich mag nicht, dass Leute einem hier nicht sagen, was sie denken. Sie sind nett zu dir und fallen dir in den Rücken. Ich falle Leute lieber von vorne an.“   reuters

Tag 7: Scaramucci verdächtigt den Stabschef Reince Priebus wegen neuer Leaks und nennt ihn vor der Presse einen "verf****** paranoiden Schizophrenen", den er in die Wüste schicken werde. Später nimmt er die Aussage zurück, Priebus und er seien wie Brüder, die eben mal streiten.   ap

Tag 8: Trump beendet den Streit der „Brüder“ und feuert Priebus, wie Scaramucci es versprochen hatte. John Kelly wird neuer Stabschef.   reuters

Tag 9: Scaramucci möchte wohl das Drama der vergangenen Tage vergessen und schreibt auf Twitter, er freue sich, im Weißen Haus noch stärkere Bindungen aufzubauen. Außerdem wird bekannt, dass seine Frau schon während ihrer Schwangerschaft die Scheidung eingereicht hat.   reuters

Tag 10: Der bisherige Heimatschutzminister John Kelly wird offiziell neuer Stabschef, noch in den ersten Stunden feuert er Scaramucci.   dpa

Denn auch wenn sein Chefstratege Stephen Kevin „Steve“ Bannon in den letzten Wochen öffentlich immer unsichtbarer geworden ist – es nützt sehr, sich dessen Ziele immer wieder vor Augen zu führen. Da geht es nicht um gute Regierungsführung, sondern um die Abschaffung von Regierung, von Staatlichkeit als Bezugspunkt gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Was in dieser Vorstellung von Staat übrig bleibt, sind Polizei und Militär.

Und genau auf diesem Weg ist jeder neue Tag, an dem wir über das „Chaos im Weißen Haus“ sprechen und schreiben, ein kleiner Etappensieg.