Kommentar Treffen von Merkel und Putin: Unter vier Augen nichts Neues
Fortschritte lassen sich mit einem vertraulichen Gespräch wie kaum erzielen. In der Syrien-Frage ist Merkel in einer sehr schwachen Position.
B undeskanzlerin Angela Merkel gilt unter allen westlichen RegierungschefInnen als diejenige, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin am besten kennt und zu der Putin – zumal in der Ära Trump – noch am meisten Vertrauen hat. Dennoch ist das Format vertraulicher Vier-Augen-Gespräche wie in Meseberg zwischen den beiden wenig geeignet, tatsächliche Fortschritte zu erzielen.
Dafür gibt es drei wesentliche Gründe: Die seit 2005 von Merkel geführte Bundesregierung hat sich – teils aus eigenem Willen, teils unter Druck aus Washington oder aufgrund vermeintlicher „Bündnispflichten“ innerhalb von Nato und EU – in eine gesamtwestliche Politik gegenüber Moskau eingebunden, die Fortschritte bei den Konfliktthemen blockiert. Dazu gehören die Zustimmung Deutschlands innerhalb der Nato zu einer eventuellen Mitgliedschaft der Ukraine, Georgiens und Moldawiens sowie die Unterstützung für das in osteuropäischen Nato-Staaten stationierte „Raketenabwehrsystem“ der USA.
Und bei aller notwendigen Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der hybriden Kriegsführung Russlands in der Ostukraine sollte inzwischen allen Beteiligten klar sein, dass die deswegen verhängten Wirtschaftssanktionen ungeeignet sind, Moskaus Politik zu korrigieren.
Bei dem ja nicht nur aus Washington kritisierten Projekt der Nord-Stream-Pipeline hat die Regierung Merkel keinen eigenständigen Handlungsspielraum. Ohne eine Berücksichtigung der Interessen Polens, der baltischen Staaten und der Ukraine kann es in dieser Frage keine tragfähige Vereinbarung mit Russland geben.
Kostenbeteiligung auch anderer Staaten
Mit Blick auf die von Putin verlangte Beteiligung an den Wiederaufbaukosten für Syrien und eine dadurch ermöglichte Rückführung syrischer Flüchtlinge ist Merkel in einer sehr schwachen Position, da sie sich in dieser Frage schon einmal erpressen ließ, als sie 2016 das schändliche Flüchtlingsabkommen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan abschloss.
Ein ähnliches Szenario könnte stattfinden, falls infolge der Militäroperation der syrischen Streitkräfte zur Vertreibung der islamistischen Rebellen aus der Provinz Idlib weitere bis zu 2,5 Millionen Flüchtlinge in die Türkei und weiter in die EU kommen. Daher sollte Merkel möglichst bald und öffentlich eine Kostenbeteiligung der USA, der Türkei, Saudi-Arabiens und anderer Staaten einfordern, die durch ihre massive Unterstützung für islamistische Rebellengruppen Mitverantwortung haben – neben den syrischen und russischen Luftstreitkräften – für die Kriegszerstörungen.
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